Mühen, die sich lohnen: Ein Tag im Leben einer Teilnehmerin den Großen Katharinenballs

Es ist mehr als nur eine Party unter vielen. Für Anna Braschnikowa ist der Große Katharinenball der Höhepunkt des Jahres. Und darauf will sie gut vorbereitet sein. Der MDZ hat sie erzählt, wie der Ball-Tag in diesem Jahr ablief.

Der Große Katharinenball endet mit ganz viel Zauber. Doch die Vorbereitung ist auch für die Teilnehmer sehr aufwendig. (Foto: IVDK)

09:00

Nur mit Mühe komme ich aus dem Bett. Vier Tage lang jagt eine Veranstaltung die nächste. Zwei davon habe ich mitorganisiert. Das ist selbst für ein absolutes Feierbiest zu viel. Doch die heutige Veranstaltung darf ich nicht verpassen. Schließlich hat man nicht jedes Jahr die Ehre, den Großen Katharinenball für die MDZ zu begleiten. Worauf soll man sein Augenmerk legen? Und mit welchen Kleidern wird der Ball an diesem Abend überraschen?

10:00

Während ich mit meinem weißen Wollknäuel Kasper, einem Pomeranian-Spitz, draußen unterwegs bin, denke ich über mein Kleid und die Frisur nach. Dass ich in diesem Jahr zum Ball gehe, habe ich zwei Tage vorher erfahren, während ich das Dirndl für das AHK-Oktoberfest aufmerksam betrachtet und entschlossen habe, über das Ballkleid erst morgen nachzudenken, so wie es die Heldin eines bekannten Ro­mans zu sagen pflegte. Doch dieses „morgen“ war bereits gestern und heute holen mich die Gedanken zum Kleid ein.

Erst einmal aber einen Kaffee. Und anschließend die profanen Sorgen. Mit Kasper gehe ich in mein Lieblingscafé. Um endgültig wach und aktiv zu werden. Ich muss einen meiner bekannten Stylisten anrufen, Kasper braucht seine morgendliche Portion Aufmerksamkeit und seine extra zubereiteten Leckerlis.

11:00

Es kommt, wie erwartet: Es ist ein warmer Septembersonnabend und meine beiden Stylisten sind an diesem Tag mit Bräuten beschäftigt. In meinem Kopf beginnt die Uhr zu ticken. Bis zum Ball sind es noch acht Stunden. Ich rufe eine bekannte Maskenbildnerin an und habe Glück. An diesem Tag finden in ihrer Redaktion nur zwei Sendungen statt. Auch Breaking News gibt es nicht. Also macht sie mir einen Passierschein für die Redaktion und anschließend Frisur und Make-up.

12:30

Ohne im Stau zu stehen, erreiche ich RT, einen der größten und widersprüchlichsten russischen Sender. Ich hätte nie gedacht, ausgerechnet aus diesem Grund mal hier zu sein. Anstatt, wie in Moskau üblich, 30 Minuten einen Parkplatz zu suchen, finde ich sofort einen. Die Redaktion ist wirklich gut gelegen, denke ich. Nachdem ich drei Wachposten passiert habe, bin ich endlich bei Maskenbildnerin Sascha angekommen.

13:00

Die Maske in einem Aufnahmestudio ist ein wahres Paradies für kleine Mädchen. Dutzende verschiedene Pinsel und Paletten mit Lidschatten in vielen Tönen. Dazu alle möglichen Lippenstifte. Hinzu kommen Haarnadeln und -klammern sowie Haarspangen – ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Die zauberhaften Pinsel der Maskenfee ziehen mich so an, dass wir mit dem Schminken anfangen. Schließlich weiß ich, dass ich einen roten Lippenstift nehme. Während ich vergeblich Fotos von Abendfrisuren durchschaue und überlege, was zu welchem Outfit passt, zieht Sascha meine Naturlocken auseinander und meint, dass ich offenes Haar tragen soll. Aber das geht nicht. Der Große Katharinenball ist eine Hommage an die Zeit Katharinas der Großen mit ihren beeindruckenden Kostümen und prunkvollen Frisuren. Offene Haare passen hier nicht. Wir einigen uns auf eine klassische Muschel-Frisur, für die Sascha fast eine Stunde benötigt.

15:30

Zuhause hole ich die Ballkleider aus den vergangenen Jahren hervor. Das blaue nicht, das schwarze vielleicht und beim roten bin ich mir nicht sicher. Das Lieblingskleid von Aschenputtel? Es scheint, je mehr Kleider man in seiner Garderobe hat, ums schwerer kann man sich entscheiden, welches man auf dem Ball anzieht, als wenn man gar keines hat. Ich entschließe mich, auf meinen Freund Dmitrij zu warten. Wir gehen gemeinsam auf den Ball und ich will mein Kleid auf seinen Anzug und seine Fliege abstimmen, damit wir harmonieren. Für den Fall der Fälle dampfe ich schon mal das Aschenputtel-Kleid ab. Während der lilafarbene Rockzipfel vom Bügelbrett herunterhängt, hilft Kasper behutsam und legt sich drauf, womit er alles nur schlimmer macht.

Die Autorin mit Ball-Begleiter Dmitrij (Foto: IVDK)

17:00

Dmitrij kommt. Er trägt einen graphitfarbenen Anzug und eine bor-
deauxrote Fliege. Wie einfach haben es doch Männer, sich auf den Ball vorzubereiten. Sie müssen kein passendes Frauen-Outfit suchen. So wie zu Zeiten Katharinas II., die gerne Maskenbälle veranstaltete, bei denen teilweise freiwillig die Kostüme des anderen Geschlechts angezogen wurden. Für die Zarin war es eine einfache Sache den Männern zu befehlen, auf dem Maskenball ohne Maske in weiten Kleidern mit Reifröcken und den angesagtesten Damenfrisuren zu erscheinen. Die Damen kleideten sich dementsprechend in Männeranzügen.

18:00

Natürlich harmoniere ich im langen Etuikleid mit Ausschnitt besser mit dem Erscheinungsbild Dmitrijs. Und natürlich passt der rote Lippenstift – das einzige Detail, bei dem ich keine Zweifel hatte – zu seiner Fliege. Dmitrij lächelt und sagt, dass er wusste, dass ich es anziehe. Er meint natürlich das Aschenputtel-Kleid. Nicht umsonst habe ich es über eine Stunde lang gebügelt. Und kein roter Lippenstift. Und er hat absolut recht.

20:15

Wir kommen zur Balleröffnung. Auf dem roten Teppich kommen unter dem Bogen gemischte Gefühle auf. In den vier Jahren, die ich beim Ball bin, komme ich das erste Mal als Gast und nicht alleine. Dmitrij witzelt und meint, mit einem echten Aschenputtel an seiner Seite fühlt er sich als Prinz. Am Eingang empfangen Mitarbeiter der MDZ und des IVDK die Gäste. Und alle haben sich herausgeputzt. Prunkvolle Kleider, umwerfende Frisuren, nackte Schultern und viele glückliche Gesichter. Ich weiß, wie viel Kraft und schlaflose Nächte für die Vorbereitung dieser märchenhaften Veranstaltung notwendig sind.

20:30

Am Eingang fängt uns ein Korrespondent von „Wetschernaja Moskwa“ mit den typischen Fragen ab: „Was wissen Sie über den Ball? Oder ist es nur ein Vorwand, um das neue Kleid auszuführen?“ Ich lächele dem Fachkollegen etwas gnädig zu. Der Große Katharinenball ist eine Veranstaltung, die das Erbe historischer Traditionen und die ethnokulturelle Entwicklung der Völker Russlands bewahrt. Alles fing als kleines Projekt an, das sich Russlanddeutsche Kraft ihrer Wassersuppe ausgedacht und durchführt haben. Zunächst standen vor allem historische Balltänze auf dem Programm. Heute ist das Projekt zu einem vielfältigen und multinationalen Ball gewachsen, bei dem man im großartigen Jekaterinensaal im Schloss Zaryzino nicht nur ein Tanzprogramm inklusive Orchester erleben, sondern auch Polonaise, Menuett und Quadrille tanzen lernen kann.

21:30

Wir werden alt. Wären wir jung, würden wir sofort tanzen, meint Daisy Buchanan in „Der große Gatsby“. Ich muss mich an ihre Worte erinnern. Wie für viele andere auch, geht es für mich beim Ball nicht nur um die Tänze, sondern um die Atmosphäre, die Gespräche, darum Bekannte zu treffen und Gutes zu tun. Schließlich gibt es jedes Jahr eine Wohltätigkeitslotterie. Die Spenden, die während der Veranstaltungen zusammenkommen, gehen an die Stiftung „Beeilt euch, Gutes zu tun“ von Oxana Fjodorowa. In all den Jahren haben die Teilnehmer das Format dermaßen ins Herz geschlossen, dass sie sofort nach Vertretern der Stiftung suchen, wenn sie ankommen. Wir kaufen zwei Lose, ich ziehe. Das habe ich auch in den vergangenen Jahren für meine Freunde gemacht. Und alle haben gewonnen. Dieses Jahr bekommen wir eine rothaarige Puppe von Nina Radsichowskaja vom Kreativverband der russischen Künstler. Für das zweite Los wünsche ich mir ein Wochenende im Baltschug Kempinski. Doch so viel Glück haben wir nicht.

23:30

Ungeduldig warten alle auf die Lichtshow, die den Abend krönt. Die Noten sind bekannt, ein Vorgeschmack auf das Märchen. Das Theater Salamandra erzählt die Geschichte von „Nussknacker und Mäusekönig“ auf eine neue Art. Im Saal geht das Licht aus und die Gäste werden Teil der Märchenhandlung. Wie schön wäre es, wenn der Ball nie aufhören würde. Doch die Zeiger der Uhr gehen auf Mitternacht zu. Zeit für Aschenputtel und den Prinzen nach Hause zu gehen.

Zusammengestellt von Anna Braschnikowa

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