Die ersten Science Slams

Science Slam in Deutschland und Russland: wie alles begann und was daraus geworden ist

Trilateraler Science Slam in Berlin, 2018 Bild: Karo Krämer

Raus aus dem Elfenbeinturm – rauf auf die Bühne! So lautete unser Motto, als das Deutsch-Russische Forum vor acht Jahren im Oktober 2011 den ersten deutsch-russischen Science Slam in Hannover veranstaltete. Seither hieß es bereits mehrmals „Vorhang auf“ für deutsche und russische Nachwuchswissenschaftler, die mit ihrer Forschung jedes Mal aufs Neue ein großes Publikum begeistern konnten. Aus dem ursprünglich bilateralen Projekt wuchs ein ganzes Netzwerk, das mittlerweile auch andere Länder umfasst, viele Freundschaften hervorgerufen und neue Initiativen zum Leben erweckt hat.

Bereits seit 2008 pilgern in ganz Deutschland Jung und Alt, Schlips- und Jeansträger zu den hippen Abendshows, die mal im alten Kino oder im verräucherten Punkclub stattfinden, oder aber auch im Rahmen der langen Nacht der Wissenschaft ein Audimax mit 1500 Leuten füllen. Dass dieses Grass Root Format aus Deutschland seinen Siegeszug in die große weite Welt ausgerechnet in Russland beginnen würde, hätte Gregor Büning, Veranstalter von Science Slams in Deutschland, 2011 wahrscheinlich im Traum nicht gedacht. Das Deutsch-Russische Forum bat ihn damals beim ersten zweisprachigen Science Slam um seine Mitwirkung. Mit Mitteln des BMBF lud man eine Moskauer Politikwissenschaftlerin, eine Archäologin aus Stawropol und einen Mathematiker aus Armenien nach Hannover ein und stellte sie nach Einzelcoachings mit deutschen Slammern auf die Bühne, wo sie ihre eigenen Forschungsergebnisse bühnenreif in 10 Minuten vorstellten.

Im Jahr darauf feierte der Science Slam im Rahmen eines großen Festivals im Moskauer Gorki Park seinen ersten Erfolg in Russland. Unter dem Motto „Science Slam goes Russia“ veranstaltete das Deutsch-Russische Forum e.V. 2013 dann gleich in drei russischen Städten Science Slams. Mittlerweile erstreckt sich das unterhaltsame Wissensformat von Kaliningrad bis Wladiwostok, neben Moskau, Sankt Petersburg, Ivanovo, Tomsk und Jekaterinburg zählen auch Kirov, Samara, Tjumen, Rostov am Don, Saransk, Syktyvkar, Novosibirsk und andere zu den Science Slam ausrichtenden Städten. Darüber hinaus wurde das Projekt 2016 mit dem Preis des russischen Bildungsministeriums als „das beste populärwissenschaftliche Projekt des Jahres“ ausgezeichnet.

Trilateraler Science Slam in Berlin, 2018
Bild: Karo Krämer

Bei der Vernetzung ist das Deutsch-Russische Forum behilflich: „Mit dem Science Slam erreichen wir junge Menschen in den russischen Regionen, die Lust haben, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren. Gerade jetzt sollte man junge Leute bei sinnvollen Projekten in ihren Städten unterstützen. Und wir sind positiv überrascht, wie viele Interessenten es gibt. Nicht selten wechselt ein Slammer beim nächsten Mal ins Orgateam oder meldet sich als Moderator“, erklärt Martin Hoffmann, Geschäftsführer des Deutsch-Russischen Forums.

Gründung der „Assoziation Science Slam Russia“

Im Januar 2016 gründete sich die russische NGO „Assoziation Science Slam Russland“. In mehreren Netzwerktreffen, meist angelehnt an die deutsch-russischen Science Slams in Russland sowie den überregionalen allrussischen Master Science Slam, der seit 2015 erstmalig in Samara stattfand, entwickelte sich ein deutsch-russisches Multiplikatorennetzwerk, das sich für die Etablierung von Science Slam Events sowie Wissenschaftskommunikation allgemein in ganz Russland einsetzt.

Neue Organisatoren, die sich an die Assoziation wenden, erhalten Kontakte zu anderen Organisatoren in ihrer Nähe und Hilfe bei der Durchführung der ersten Veranstaltung in Form eines Leitfadens und telefonischer und persönlicher Beratung. Bei Bedarf werden auch Slammer und Coaches aus naheliegenden Städten in die neu mitmachende Stadt entsendet. Mittlerweile können sogar Universitäten als assoziierte Mitglieder aufgenommen werden, sodass auch weitere, neue Formate der Wissenschaftskommunikation mit Hilfe der Assoziation entstehen können. Ziel ist, langfristig Standards zu setzen, Schulungen und Weiterbildungen im „Teach the teacher“ – Prinzip im Bereich Coaching, Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit anzubieten und damit Perspektiven zu schaffen für kleine Initiativen und Science-Teams in den russischen Regionen. Die Initiativen in den Städten erhalten Hilfestellung bei Bewerbungen auf öffentliche Ausschreibung und Unternehmensausschreibungen.

Vielfalt der Science Slam Formate

Neben dem klassischen Science Slam-Format gibt es erfolgreiche Variationen oder spezielle Slams, die einem bestimmten Ereignis gewidmet sind oder auf die Zusammenarbeit bestimmter Städte oder sogar Länder abzielen.

So fand 2018 in St. Petersburg der „Science Slam Fußball“ statt, natürlich zeitgleich mit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft. Die Reden von sechs Wissenschaftlern (drei aus Russland und drei aus Deutschland) widmeten sich ausschließlich dem Fußball und verwandten Aspekten. Søren Wrede mit seinem Beitrag zum Thema „Fußball 3.0 – wie Footbonauten unsere Kicker auf Zack bringen“ gewann den Slam. Auch die russischen Regionen waren vom Fußballfieber erfasst: Kurz nach der Veranstaltung in St. Petersburg fand im Jelzin-Zentrum in Jekaterinburg mit großem Erfolg ein russischsprachiger „Science Slam Fußball“ statt.

Deutsch-Russischer Science Slam in Nowosibirsk, 2014
Bild: Deutsch-Russisches Forum

 Im Jahr 2016 startete das Deutsch-Russische Forum in Kooperation mit policult und Bumaga Media ein Pilotprojekt, um das Repertoire an Formaten weiterzuentwickeln und auszuweiten. In einem dreitägigen BarCamp diskutierten 40 Wissenschaftler und Forscher, Journalisten und Organisatoren aus Weißrussland, Russland, der Ukraine und Deutschland Fragen und alternative Strategien der Wissenschaftskommunikation. Die Teilnehmer waren angehalten, sich aktiv in die Gestaltung der Inhalte und Themen mit einzubringen, sodass zeitgleich in drei Räumen Workshops, Diskussionen oder Gruppenarbeiten stattfanden. Einige Ideen konnten während des BarCamps im Rahmen der Abendveranstaltungen bereits erprobt werden. So auch das Stand Up-Erzählformat „Two Minutes“ und das andere attraktive Format – „Science Barhopping“.

Mit dem Science Barhopping ist es gelungen, Wissenschaft an Orte zu bringen, an denen Unterhaltung und Vergnügen an erster Stelle stehen, die sich aber keinesfalls wissenschaftlichen Themen verschließen. Parallel wurden sechs Kneipen in St. Petersburg mit Vorträgen auf englisch und russisch bespielt. Dass die Petersburger Kneipenszene einen äußerst fruchtbaren Boden für dieses neue Format liefert, zeigten die interessierten Fragen und Diskussionen, die sich den Vorträgen über Welterbe, demografische Veränderungen, Urban Games, Psychologie und vieles anderes anschlossen.

Bislang haben „Bumaga“ und die Stiftung für Infrastruktur- und Bildungsprogramme (ROSNANO-Gruppe) bereits mehrere „Science Barhopping“ Projekte in St. Petersburg und Moskau durchgeführt, und mit finanzieller Unterstützung von ROSNANO erreicht das Projekt auch die regionale Ebene. Ein weiteres bemerkenswertes Format ist der „Trilaterale Science Slam: Deutschland-Russland-USA“. Erstmals in der Geschichte der Science Slams ist es dem DRF gelungen, mit den Amerikanischen Kollegen aus der deutschen Fulbright Kommission einen wissenschaftlichen Wettbewerb durchzuführen.

„Science Slam goes Russia“ im Gorki Park in Moskau, 2013
Bild: Dana Ritzmann


Infolgedessen wurden bereits drei Trilaterale Science Slams in den Jahren 2018 und 2019 erfolgreich durchgeführt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die RCSA (Research Corporation for Science Advancement) gehörten zu den Unterstützern des Projekts. Die Trilateralen Slams im Jahr 2019 fanden im Rahmen des Jahres der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft (Wunderbar Together) statt. Das Projekt startete im Juli 2018 im Berliner SO36-Club, wo jeweils zwei Wissenschaftler aus Deutschland, Russland und den USA ihre Forschungsergebnisse in 10-minütigen Präsentationen vorstellten. Siegerin war Ksenia Karbysheva aus Tomsk. Mit ihrem Bericht über den abnehmenden Baumbestand der sibirischen Taiga konnte sie ihre Konkurrenten übertreffen und den ersten Platz belegen. Der nächste Trilaterale Science Slam fand im Juni 2019 in Göttingen, Deutschland statt. Und wieder erwies sich ein russischer Slammer – Anton Yarkin aus Tjumen – als der überzeugendste für das Publikum und erhielt den lautesten Applaus und zusammen mit ihnen die Boxhandschuhe des Gewinners. Der – im wahrsten Sinne des Wortes – heißeste Slam war schließlich der Trilaterale Science Slam in Arizona, USA, im Juli 2019. Die Slammer-Auftritte waren so gut, dass es für die Zuschauer (Teilnehmer der Cottrell Scholar-Conference der RCSA) sehr schwierig war, den Gewinner zu wählen. Gewonnen hat die Biotechnologin Rui Wang aus den USA.

Ein Blick in die Zukunft

Das Deutsch-Russische Forum hat für das Jahr 2019 weitere bilaterale Projekte geplant, und zwar „Science Slam TWIN-CITIES“ in Krasnodar, wo Slammer aus den zwei Partnerstädten Krasnodar und Karlsruhe auftreten werden, sowie „Science Slam UNI“ in Tomsk mit Gästen aus deutschen Partneruniversitäten. Darüber hinaus besteht die Hoffnung auf eine Fortsetzung des trilateralen Formats des Slams, möglicherweise in einem gemeinsamen Projekt mit dem multilateralen BarCamp in St. Petersburg im Jahr 2020.

Es ist ganz spannend zu erwarten, wohin die weitere Reise führt und welche neuen Projekte und Netzwerke entstehen, um den interaktiven Dialog von Wissenschaftlern mit der Öffentlichkeit zu fördern.

Sibylle Groß

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