Bulgakow-Museum: Am Arbeitsplatz zweier schwarzer Kater

Das Bulgakow-Museum am Gartenring zu besuchen, war immer eine gute Idee. Doch nun, da eine spektakuläre neue Verfilmung von „Der Meister und Margarita“ für aufgeregte Debatten sorgt, lohnt es sich erst recht.

Vom Gartenring führt der Weg zum Museum in den Innenhof. (Foto: Tino Künzel)

Ende Januar ist in den russischen Kinos eine Neuverfilmung von „Der Meister und Margarita“ angelaufen, dem großen Roman von Michail Bulgakow (1891-1940). Die Resonanz ist riesig, wobei das Spektrum von Begeisterung bis Wut reicht. An den Kinokassen spielte der Film in den ersten drei Wochen fast 1,5 Milliarden Rubel ein – und ist in Russland schon jetzt die kommerziell erfolgreichste Produktion mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren. Bei der Filmdatenbank Kinopoisk.ru kommt „Der Meister und Margarita“ auf ein hervorragendes Rating von 8,0. Doch während das Publikumsinteresse kaum größer sein könnte, gibt es auch viel Kritik – am Film selbst und an denen, die ihn gemacht haben.

Ins Visier gerieten der in den USA lebende Regisseur Michail Lokshin sowie die Schauspieler Jewgeni Zyganow (Meister), Julia Snigir (Margarita), Juri Kolokolnikow (Korowjew) und Pauline Aug (Gella) wegen ihrer politischen Ansichten, darunter zur „militärischen Sonderoperation“ Russlands in der Ukraine. Die war zwar noch gar nicht begonnen, als die Dreharbeiten 2021 abgeschlossen wurden, dennoch würden einige den Film am liebsten verbieten lassen. „Das Kulturministerium hat Gegnern der Sonder­operation und scharfen Kritikern Russlands 1,2 Milliarden Rubel aus dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt“, hieß es in einem Telegram-Kanal, wo eine gründliche Prüfung der Verwendung des Geldes gefordert wurde.

Den Woland spielt ein Deutscher

Für viel böses Blut sorgte auch die Fülle ausländischer Schauspieler in dem Film. So ging die Rolle des Woland an den deutschen Schauspieler August Diehl („Inglorious Basterds“, „Ein verborgenes Leben“, „Kursk“), die des Pontius Pilatus an den Dänen Klas Bang („The Square“, „Dracula“) und die des Yeshua Ga-Notsri an den britisch-israelischen Schauspieler Aaron Vodovoz („Shoshana“, „Tetris“). Und wenn sich die Wahl eines Deutschen damit erklären lässt, dass der Mephistopheles aus Goethes „Faust“ als Prototyp für Bulgakows Woland diente, hätten die anderen Figuren auch von russischen Schauspielern verkörpert werden können, schimpfen viele. Wie wenig müsse man sich um Bulgakows Roman scheren, „um einen gewissen Aaron Vodovoz für die Rolle des Yeshua einzuladen“, fragt etwa der russisch-ukrainische Schriftsteller Platon Besedin.

Manche machten ihre Kritik auch an der freien Interpretation des Romans fest. Die Geschichte von Pontius Pilatus und Yeshua wird nur in wenigen Szenen behandelt und Wolands Gefolge, insbesondere der Kater Behemoth, nicht so ausdrucksstark gezeigt wie in der Buchvorlage. Im Mittelpunkt des Films steht die Beziehung des Meisters zu Margarita und Woland. Interessanterweise wird Michail Bulgakow im Film selbst durch die Figur des Meisters dargestellt. Einige Zuschauer haben sogar äußerliche Ähnlichkeiten festgestellt.

Wo Bulgakow selbst wohnte

Die größte Parallele besteht jedoch darin, dass die Werke und Theaterproduktionen des Meisters ähnlich unter Beschuss geraten, wie das bei Bulgakow der Fall war. Der Film-Meister wohnt sogar in der Mansurowski-Gasse, im Haus der Brüder Toplenin, wo der Schriftsteller häufig zu Gast war und sogar mehrere Kapitel von „Der Meister und Margarita“ entstanden. Bulgakow beschrieb den Grundriss und das Innere des kleinen Holzhauses als die Wohnung des Meisters. Das Haus wird derzeit restauriert und ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Die Tür der „unguten Wohnung Nr. 50“, welche von Woland und seinem Gefolge in Beschlag genommen wurde, steht jedoch allen Besuchern offen. Der Autor selbst bewohnte in der Bolschaja Sadowaja 10 von 1921 bis 1924 ein Zimmer. Dort befindet sich heute das Bulgakow-Museum. Im Hinterhof werden die Besucher von einer Skulptur empfangen, in der ohne Weiteres Korowjow und Behe­moth zu erkennen sind. Wer in den vierten Stock zur 50. Wohnung hinaufsteigt, kann unterwegs innehalten, um die Inschriften an den Wänden zu lesen. „Lies keine russischen Zeitungen vor dem Mittagessen, sonst geht der gesamte Verfall in den Kopf statt in die Toilette“, steht dort etwa in Anspielung auf einen Satz aus Bulgakows „Hundeherz“ geschrieben.

Hier geht es zur „unguten Wohnung“. (Foto: Jekaterina Dolakidse)

Einrichtung teils original

Hinter der Tür zum Museum erwartet den Besucher der lange Korridor einer Gemeinschaftswohnung. Drei Museumsräume – das „Wohnzimmer“, „Bulgakows Zimmer“ und das „Blaue Kabinett“ – stehen für drei Abschnitte im Leben des Schriftstellers. Das „Wohnzimmer“ stellt die Atmosphäre in Bulgakows Haus in Kiew nach, wo er von Kindesbeinen an bis zu seinem endgültigen Umzug nach Moskau im Jahr 1921 lebte. Im „Bulgakow-Zimmer“, das tatsächlich drei Jahre lang sein Zuhause war, ist ein authentisches Bücherregal zu sehen. Der Schreibtisch gehörte dem Onkel des Schriftstellers, dem namhaften Arzt Nikolai Pokrowski, der auch Pate stand für die Figur des Professors Preobraschenski aus „Hundeherz“. Im sogenannten „Blauen Kabinett“ befindet sich Bulgakows Sekretär, an dem er an „Der Meister und Margarita“ arbeitete. Dieser Schreibschrank zierte früher die Wohnung in der Naschchokinski-Gasse 3, wo Bul­gakow die letzten sechs Jahre seines Lebens verbrachte.

In der Küche gegenüber des Schriftstellerzimmers stapelt sich das Geschirr und die Wände sind voll mit gegenseitigen Denunziationen der Bewohner. Die Küche war das Zentrum von Skandalen und Streitereien. Nachbarn, die lärmten und ihre Laster auslebten, wurden durch Bulgakow zu Protagonisten für Geschichten wie „Abhandlung über das Wohnen“, „See von Mondschein“ oder „Psalm“. Anhand eines interaktiven Modells des Hauses in der Bolschaja Sadowaja 10 können Neugierige nun auch die Bewohner der anderen Wohnungen kennenlernen.

Kostüme aus dem Film ausgestellt

Derzeit werden im Museum einige Kostüme und Requisiten aus „Der Meister und Margarita“ gezeigt, darunter Margaritas Smaragdkleid, der Anzug des Meisters und Wolands Gehstock. Die Mode der 1930er Jahre wurde von den Kostümbildnerinnen Galja Solodownikova und Uljana Poljanskaja nachempfunden. Die schick gekleidete Margarita bildet einen lebhaften Kontrast zum Moskau der Arbeiterklasse, und ihr Gemütszustand wird durch die Kleidung untermalt. Dunkle Farben stehen für seelische Qualen, während die weichen, hellen Kleider, in denen sie beispielsweise im Haus des Meisters tanzt, Momente der Freude darstellen. Bei der Gestaltung des Hosenanzugs für Margarita ließ sich Solodownikova von den Bildern Marlene Dietrichs inspirieren. Ein wenig forsch und gleichzeitig raffiniert sollte auch Margarita sein. Insgesamt wurden etwa 100 Kostüme für die Hauptfiguren des Films erschaffen.

Besucher des Bulgakow-Hauses können auch den „echten“ Kater Behemoth erleben, der ein „Mitarbeiter“ des Museums ist. Seit einiger Zeit hat er einen Gehilfen, der ihn auch mal ablösen kann. Nachdem Behemoth 2018 entführt wurde, aber schon bald zurückkehrte, beschloss das Museum, ihn bei der Arbeit zu entlasten. So wurde Isjum eingestellt, noch ein schwarzer Kater, der die Zweibeiner an den schwärzesten – und doch so brillanten – Moskau-Roman aller Zeiten erinnert.

Jekaterina Dolakidse

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