„Waldweiher“ ist seit seiner Fertigstellung durch viele Hände gegangen. Allein die Geschichte seiner Besitzer ist ein abendfüllendes Programm. Von Wassilij Polenow 1881 gemalt, wurde das Bild 1887 vermutlich von Sachar Chandrin erworben, einem Mäzen und Ehrenbürger der südrussischen Stadt Taganrog am Asowschen Meer. Nach 1920 gelangte es in staatlichen Besitz. Am 17. Oktober 1941 wurde Taganrog nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion von der Wehrmacht besetzt, die sich in der Folge auch mehrfach bei der Sammlung des Stadtmuseums bediente. Am 27. August 1943 – drei Tage vor der Befreiung der Stadt – ging „Waldweiher“ auf einen Transport nach Deutschland, verbracht durch die „Abteilung für Propaganda der Deutschen Armee unter Sonderführer Lebert“, so das Verlustprotokoll des Museums.
Weiter ist belegt, dass das Gemälde am 26. August 1959 in der Münchner Kunsthandlung Hagmann & Gräf wieder auftauchte und vom Schweinfurter Industriellen Georg Schäfer gekauft wurde, der 1975 starb. Mit dessen Erbengemeinschaft wurde sich 1986 der erste Direktor der Kieler Kunsthalle, Jens Christian Jensen, handelseinig.
Rekonstruiert wurde dieser Werdegang über Jahre in aufwändiger transnationaler Recherche. Im Rahmen der seit 2015 betriebenen und durch das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste geförderten Provenienzforschung an der Kunsthalle zu Kiel war der begründete Verdacht aufgekommen, dass es sich bei „Waldweiher“ um Beutekunst handelt. Endgültig erhärtete er sich in Zusammenarbeit mit dem bei der Kulturstiftung der Länder angesiedelten Deutsch-Russischen Museumsdialog, der seit 2008 intensiv die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der deutschen und russischen Museen im Zweiten Weltkrieg vorantreibt.
Nach Erforschung der Verlustgeschichte und Bestätigung der Identität des Werks wurde gemäß dem geltenden internationalen Recht die Rückführung vorbereitet. Am 26. September war es dann soweit: In der Kunsthalle zu Kiel wurde das Bild dem Staatlichen Literatur- und Architekturhistorischen Museumspark Taganrog offiziell überreicht. „Die Geschichte dieses Gemäldes steht auch für die Geschichte unserer beiden Länder“, sagt Britta Kaiser-Schuster, Leiterin des Deutsch-Russischen Museumsdialogs. Es sei „umso schöner, dass diese Geschichte heute ihren glücklichen Ausgang findet“. Nun steht dem Gemälde noch eine letzte Reise über etwa 2500 Kilometer von Kiel nach Taganrog bevor. Dann ist es wieder zu Hause.
Tino Künzel