Hassan (27) und Daria (24) auf dem Bosporus / privat
Wir haben mit einer jungen Russin gesprochen, die in schwierigen Zeiten einen Türken liebt und während des Putschversuchs in Istanbul war.
Dascha, wie hast du den Putsch in der Türkei erlebt?
Am Abend des Putsches saßen wir mit einem befreundeten Paar (ebenfalls türkisch-russisch) in einem Restaurant, unweit von unserer Wohnung. Auf einmal zeigte das Fernsehen, wie die Bosporus-Brücke blockiert wurde, es hieß, die Armee versuche, die Macht im Land zu ergreifen. Da stürzten alle zu ihren Autos. Der Verkäufer eines benachbarten Ladens gratulierte allen dazu, dass die Armee endlich alles in ihre Hand nehme. Die Leute fingen an, hektisch die Warenregale leerzuräumen, ein Freund kaufte in der Nacht zehn Stangen Zigaretten. Ich machte mir Sorgen, dass bald die Evakuierung aller Russen beginnt. Am nächsten Tag rief ich in der russischen Botschaft an, wo man mir versicherte, dass sich die Lage bereits normalisiere. Sie baten mich aber, nicht auf die Straße zu gehen. In den darauffolgenden Tagen rasten ständig Autos durch die Straßen und hupten, dass einem der Kopf anfing wehzutun. An den Fenstern wurden Fahnen geschwungen, „Allahu akbar“ und „Salem aleikum“ gerufen. Der Nahverkehr konnte kostenlos benutzt werden, damit die Menschen problemlos die Niederschlagung des Aufstandes feiern konnten. Auf dem Taxim-Platz schallte es tagein, tagaus von der Bühne, dass man gegenüber den Aufständischen noch härter sein müsse. Allerdings ist unter meinen Freunden und Bekannten in der Türkei niemand, der Erdogan und seine Politik unterstützen würde.
Kannst du dir etwas Vergleichbares auch in Moskau vorstellen?
Nur schwer. Die Russen werden nie etwas unternehmen, solange es nicht völlig unerträglich wird. Ich weiß nicht, was geschehen müsste, damit es zu einem Putsch kommt. Ich habe lange in der Türkei gelebt und dabei die politische Lage mitbekommen. Im Vergleich dazu herrscht in Russland Ruhe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Terrorismus hier derart ausbreiten könnte. Das würden unsere Geheimdienste niemals zulassen. Früher war ich eine Putin-Kritikerin. Ich habe aber meine Meinung geändert, nachdem ich viel gereist bin und mich mit Ausländern unterhalten habe. Jetzt sehe ich persönlich keine ernsthafte Alternative zu Putin. Auf jeden Fall bin ich froh, dass in Russland nicht jemand wie Erdogan an der Macht ist.
Straßenszene in Istanbul in den Tagen nach dem Putschversuch / privat
Wie hast du mit deinem türkischen Freund die Eiszeit zwischen Russland und der Türkei nach dem Abschuss des russischen Jagdflugzeugs erlebt?
Ich habe Hassan (Name geändert, d. Red.) diesen März kennengelernt, als ich mir Istanbul ansehen wollte. Zu der Zeit waren die Beziehungen zwischen unseren Ländern miserabel. Als ich zurück in Moskau war, versuchte mein Liebster erfolglos, ein Visum für Russland zu bekommen. Einen ganzen Monat lang ging er täglich zur Botschaft, doch es nützte nichts: Am Ende wurde er abgewiesen, mit der Formulierung „Wir sehen den Sinn der Reise nach Russland nicht“. Einer unserer Freunde konnte wegen der Krise zwischen beiden Ländern nicht zur Geburt seines Kindes nach Russland kommen. Heute ist es schon besser und Hassan kann mich bald besuchen kommen.
Kommen russisch-türkische Paare eigentlich häufiger vor?
Ja. Türken bevorzugen Ausländerinnen. Fast alle Paare, die ich in der Türkei kenne, sind international, die meisten russisch-türkisch, aber es kommen auch US-amerikanische oder marokkanische Frauen vor.
Was stimmt denn nicht mit den türkischen Frauen?
Ihre Erziehung. In Beziehungen sind sie äußerst anspruchsvoll und kapriziös. Für sie sind zum Beispiel luxuriöse Geschenke sehr wichtig, das Auto und der Status. Der Preis der Geschenke spielt oft eine entscheidende Rolle bei der Partnerwahl. Den Türkinnen ist es wichtig, was die Freunde und Nachbarn sagen. Die Tradition sieht eine strenge Erziehung vor, doch die jungen Frauen wünschen sich mehr Freiheiten. Daher sind sie hin und hergerissen zwischen zwei Extremen und provozieren in Beziehungen oft Konflikte. Russinnen machen oft in der Türkei Urlaub, zumindest war das bis vor kurzem noch so, und lernen dort Türken kennen. Den Türken gefällt ihr westliches Verhalten, wobei ein weiterer Pluspunkt der Russinnen ist, dass sie wie die Türken auf Familie ausgerichtet sind.
Wie reagiert euer Umfeld auf eure Liebe?
Hassans Familie und seine Freunde sind sehr freundlich mir gegenüber. Das größte Problem ist die sprachliche Barriere. Meine Eltern waren zunächst skeptisch: Sie hatten Vorurteile gegenüber den Türken insgesamt. Doch allmählich verstehen sie, dass sie Unrecht hatten. Es ist keine Frage der Nationalität, sondern des jeweiligen Menschen.
Wo wollt ihr zusammen leben?
Wahrscheinlich kehre ich nach Istanbul zurück. In der Zukunft wollen wir aber an einen ruhigeren Ort ziehen. Ich habe nichts gegen Muslime, aber ich würde mich in einem islamischen Land nicht gänzlich wohl fühlen.
Die Fragen stellte Anastassija Buschujewa
