Mit Herz und vier Pfoten

Um in Alaska weilen zu können, muss man nicht unbedingt ein paar Tausend Kilometer von Moskau wegfliegen. Steigen Sie im Kreis Rusa auf ein Hundegespann und vertrauen Sie sich den zauberhaften Huskys an.

Hundegespann
Unvergesslich: eine „Mini-Expedition“ mit Hundeschlitten in der Rusaer Umgebung (Foto: Rusaer Alaska)

Die Geschichte von „Rusaer Alaska“ (www.huskyvillage.ru) begann 2015, aber bei weitem nicht als touristischer Anziehungspunkt. Die Moskauer Juristin Natalja Basina war in den Urlaub gefahren und hatte ihre Bekannten gebeten, in dieser Zeit auf ihre beiden sibirischen Huskys aufzupassen. Alles ging gut, bis einmal die Hunde beim Spaziergang einen Fuchs oder einen Waschbären erblickten. Da rissen sie sich los und rannten hinterher. Nach Moskau zurückgekehrt, hängte Natalja im Umkreis von 100 Kilometern vom Ort des Geschehens anderthalbtausend Suchmeldungen auf. Und sie fand zwei weiße blauäugige Huskys, aber das waren nicht ihre. Die Hunde blieben bei ihr. Und so ging es immer weiter. Auf der Suche nach den verloren gegangenen Hunden nahm sie andere Hunde bei sich auf.

Dann hatte Natalja die Idee, eine eigene Unterkunft für Hunde zu eröffnen. Sie suchte einen Ort, wo man weiträumige Zwinger für die Hunde bauen und gleich nebenan eine Art Ausflugsherberge schaffen konnte, wo sich die Gäste aktiv erholen und Kontakt zu den Tieren haben. Gleich in der Nähe sollte auch ein See oder Fluss sein und viel unbebautes Gelände, wo man mit Hundegespannen fahren kann. Im März 2017 erwarb Frau Basina im Kreis Rusa im Moskauer Gebiet ein Grundstück von 16 Hektar und begann mit den Bauarbeiten.

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Natalja Basina kann über jeden Hund im Zentrum etwas erzählen. (Foto: Rusaer Alaska)

Bereits im November 2017 brachte sie ihre Hunde auf das Gelände. Das waren zum damaligen Zeitpunkt 25 Tiere, alles ausgesetzte oder verloren gegangene Hunde. Aber Frau Basina lehnt den Begriff „Tierheim“ kategorisch ab. Sie bezeichnet ihr Projekt, welches sich heute in ein beliebtes Touristenziel verwandelt hat, einfach als „Rehabilitationszentrum für Schlittenhunde“. Im Moment gibt es bereits 230 Tiere, und regelmäßig kommen Leute vorbei, die Huskys gefunden haben und sie am Eingang zurücklassen.

Das Zentrum kann nicht von den Einnahmen von den Touristen existieren. Für den Unterhalt der Hunde werden pro Monat fast 6 Tonnen Fleisch, über 500 Kilogramm Trockenfutter und 50 Konservendosen benötigt, manche von ihnen brauchen Spezialfutter, Vitamine und Medikamente. Aber wie kann man denn einen Hund, der sein Heim verloren hat, nicht aufnehmen, besonders wenn du seine Vorgeschichte kennst? Und Natalja kennt all diese Geschichten.

Da ist der alaskische Malamute, der aus China nach Rusa gelangte. Volontäre haben diesen Hund freigekauft, als man ihn zum Festival für Hundefleisch zum Schlachten bringen wollte. Einen anderen schwarz-weißen Husky brachte man aus Bahrain. Die russischsprachige Besitzerin kaufte den vierbeinigen Freund, ohne die spezifische Haltung der dort ansässigen Menschen zu Hunden zu berücksichtigen. Spaziergänge endeten oft damit, dass der Hund mit Stöcken und Steinen beworfen wurde, aber auch das Klima war für einen Husky ungeeignet. Am Ende wurde der Hund aus Bahrain ins Moskauer Gebiet geschickt. Den Husky mit Namen „Ogonjok“ (Flämmchen, Anm. d. Red.) rettete man aus den Händen eines Tierquälers. Neben ihm wedelt der weiße und flauschige Samojede Stescha, den man mit zwei Monaten in Stupino bei Moskau ausgesetzt hatte, freudig mit dem Schwanz. Der Hund  wurde mit nur einem Auge geboren. Natalja kann über jeden Hund etwas erzählen. Und auch darüber, welche Arbeit sie im Ausflugszentrum leisten.

„Im Zentrum machen wir Führungen, wo wir nicht nur über die sibirischen Schlittenhunde erzählen. Die Besucher gehen in die Zwinger, um die Hunde zu umarmen, sie „baden“ förmlich in ihnen“, berichtet Natalja. Die Begegnung mit den Hunden ist wahrlich ein unvergessliches Erlebnis. Jeder Hund hält es für seine Pflicht, den Menschen, der zu ihm hereinschaut, zu umarmen und ihm sein Ohr oder seinen Bauch zum Kraulen entgegenzustrecken.

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Nach einer langen Fahrt ist ein Glas Tee im Husky-Dorf ein Muss. (Foto: Rusaer Alaska)

Neben dem emotionalen Teil gibt es auch geistige Nahrung, denn die Gäste erfahren viel über die Besonderheiten von Schlittenhunden verschiedener Rassen und können sich mit der Kultur der Völker des russischen Nordens vertraut machen. Den Besuchern wird auch von geografischen Entdeckungen berichtet, die dank der Kraft, Ausdauer und des Verstandes der Schlittenhunde möglich waren.

Die Gäste im „Rusaer Alaska“ erwarten auch aktive Zerstreuungen. Im Winter werden dort Fahrten mit Hundeschlitten veranstaltet. Kurzstreckenfahrten sind nichts für Huskys, deshalb organisiert das Team des Projektes „Mini-Expeditionen“ über 4, 17 und 40 Kilometer. Im Sommer kann man mit dem Hund eine Wanderung machen. Diese touristische Sportart wird Dog-Trecking genannt. Der Mensch bekommt einen Spezialgürtel um, der Hund ein Fahrtengeschirr, so dass der Hund und nicht der Mensch bestimmt, wohin es geht und wann Halt gemacht wird. Die Hunde für das Dog-Trecking werden sorgfältig ausgewählt. Von den 230 Tieren im Zentrum nehmen ungefähr 120 an den verschiedenen Programmen teil. Die beliebtesten Wanderrouten beim Dog-Trecking sind die Ökopfade über 5, 10 und 17 Kilometer, die am Ufer der Moskwa und durch das Naturschutzgebiet „Krasnostaner Uferzone der Moskwa“ entlangführen. Für Familien mit kleinen Kindern ist ein fünf Kilometer langer Spaziergang optimal, Personen mit guter körperlicher Verfassung können eine Zweitageswanderung über 30 Kilometer mit Übernachtung in Zelten wählen. Es gibt auch eine kombinierte Route von 12 Kilometern mit Rückkehr in Paddelbooten. Die Hunde steigen nicht mit ins Boot, sie werden mit Autos nach Hause gefahren.

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Dog-Trecking am Ufer der Moskwa im Sommer (Foto: Rusaer Alaska)

Darüber hinaus gibt es auf dem Gelände des Husky-Dorfes Gästehäuser und Tipis, das sind Zelte für Glamping, wo man am Wochenende oder im Urlaub absteigen kann, sogar eine Banja ist vorhanden. „Rusaer Alaska“ nimmt auch Buchungen von Firmen für Teambuilding-Kurse und Firmenfeiern bis zu 50 Personen an. Das kostet 5000-6000 Rubel pro Person.

Den Gewinn gibt Natalja für die Unterhaltung der Tiere und für die Rettung anderer Hunde aus. Aber es wird mehr Geld benötigt, deshalb hat sie ein Programm ausgearbeitet, welches zusätzliche Mittel zur Behandlung und Rehabilitation der Vierbeiner generieren soll. „Patenschaft über einen Liebling“ sieht den Abschluss eines Vertrages über eine freiwillige Spende zugunsten eines bestimmten Hundes vor. Als Pate können juristische oder private Personen fungieren. Ein Hund kann mehrere Paten haben. Die Einzelheiten dieses Programms sind auf der Webseite zu finden. In der nächsten Zeit möchte Natalja das Projekt dahin bringen, dass es sich selbst trägt, und in etwas fernerer Zukunft plant sie eine Eisbahn, noch ein paar Banjas, Häuschen für die Unterbringung von Touristen zu bauen und ein Museum der nördlichen Schlittenhunde zu eröffnen. Aber das Husky-Dorf zu besuchen, lohnt sich schon jetzt, ohne Eisbahn und Banjas.

Anna Braschnikowa

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