Zur Ablösung von Bernd Fabritius als Minderheitenbeauftragter

Die Regierungskoalition hat die Tätigkeit von Bernd Fabritius als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten beendet. In seiner Amtszeit war der CSU-Politiker mehrmals in Russland zu Gast. „Damals“ - als die deutsch-russischen Beziehungen ihren Tiefpunkt noch nicht erreicht hatten.

Fabritius
Bernd Fabritius (r.) mit der Herausgeberin der MDZ Olga Martens und dem stellvertretenden Leiter der FADN Michail Ipatow, April 2018 (Foto: IVDK)

Der Zielpunkt seiner allerersten Dienstreise war Moskau. Am 11. April 2018 wurde Bernd Fa­britius zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten berufen und schon zwei Tage später gratulierte er der „Moskauer Deutsche Zeitung“ zum Jubiläum im Fotozentrum der Brüder Lumière in der russischen Hauptstadt. Ihr 20-jähriges Bestehen hatte die MDZ groß gefeiert: mit einer umfassenden Fotoausstellung zum 100. Jahrestag der Gründung der deutschen Autonomie an der Wolga und einer Installation, die MDZ-Artikel zum deutschen Leben im Wolgagebiet präsentierte.

Erste Dienstreise führt nach Moskau

Zu dieser Veranstaltung wurden Vertreter der deutschen Wirtschaft in Moskau eingeladen sowie zahlreiche Kulturschaffende, Historiker und deutschsprachige Presseleute. Leiter des Internationalen Verbandes der Deutschen Kultur, der größten Organisation der deutschen Minderheit in Russland, und russische Amtspersonen aus der Föderalen Agentur für Nationalitätenangelegenheiten waren auch unter den Gästen. Für den neuen Beauftragten war es kaum möglich, bessere Konditionen zu finden, um die russlanddeutsche Szene kennenzulernen und den Dialog mit der deutschen Minderheit zu beginnen. Bernd Fabritius hat seine Chance genutzt. Mit diesem Besuch hat „eine sehr schöne Erfolgs- und Freundschaftsgeschichte begonnen“, wie er später der MDZ erzählte.

Nach diesem schnellen guten Start ging es weiter: neue Begegnungen, neue Projekte in ganz Russland und in Deutschland, einschließlich der Fotoausstellung, die nach der Premiere in Moskau an vielen Orten in beiden Ländern zu sehen war. Es fanden zwei erfolgreichen Deutsch-Russischen Regierungskommissionen für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen statt – in Kaliningrad 2018 und in München 2019.

Musiker sprechen immer eine gemeinsame Sprache. (Foto: IVDK)

Als Aussiedler- und Minderheitenbeauftragter hat sich der CSU-Politiker mit den verschiedensten Problemen befasst, angefangen mit den Benachteiligungen im Fremdrentengesetz, worauf die Deutschen aus Russland oft hinweisen, bis auf tendenziöse Berichterstattung und Fake News über die Corona-Pandemie.

Damals schien es, als ob die Corona-Einschränkungen das Allerschlimmste seien, was allen passieren könnte. Sie haben neue Hürden für die deutsch-russischen Initiativen geschaffen, aber auch unter den gegebenen Umständen setzte der Beauftragte seine Arbeit fort.

Erfolgsmodell Kultur- und Geschäftszentren

Eines der wichtigsten Themen, die Bernd Fabritius als Minderheitenbeauftragter immer begleitet hat, war die Unterstützung der Deutsch-Russischen Häuser (DRH), Kultur- und Geschäftszentren der Russlanddeutschen und der verschiedenen Aktivitäten, die dort eine Plattform haben. „Wir haben etwa das Erfolgsmodell der Kultur- und Geschäftszentren auf den Weg gebracht. Diese Zentren stehen für die Brückenfunktion der Deutschen in Russland, zwischen den Deutschen in Russland und anderen Völkern bis hin zu den Russlanddeutschen, die heute in Deutschland leben“, so Bernd Fabritius. 2019 und 2020 wurden zwei neue Zentren eröffnet – in Barnaul und in Jekaterinburg.

In seinem ersten Interview mit der MDZ vor vier Jahren hat Bernd Fabritius die Frage beantwortet, warum er als neuer Aussiedler- und Minderheitenbeauftragter als erstes nach Russland gefahren ist. „Ich habe überlegt, wo es am wichtigsten ist, baldmöglichst vor Ort zu sein. Und für mich war völlig klar, dass die Deutschen in Russland zur vulnerabelsten Gruppe gehören. Es ist die größte deutsche Minderheit, es ist die am weitesten entfernte und diejenige, die im Wechselspiel der großen Politik am schutzbedürftigsten sein könnte. Ich habe deshalb keine Sekunde daran gezweifelt, dass ich zuerst nach Russland fahren muss.“

Seine letzte Dienstreise nach Moskau. Übergabe des DHRM an die Verwaltung der Russlanddeutschen. Mit Hartmut Koschyk, Heinrich und Olga Martens und Igor Barinow (v.l.n.r.) (Foto: Asja Dobrowolskaja)

Deutsche brauchen mehr Schutz

Vier Jahre später sind die Russlanddeutschen noch „schutzbedürfiger“ geworden. Die Kriegshandlungen in der Ukraine bedeuten „sowohl für unsere Landsleute dort, genau wie für die Deutschen in der Russischen Föderation und alle aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland zugezogenen und heute hier lebenden deutschen Aussiedler und Spätaussiedler eine noch nie dagewesen Herausforderung“, so Bernd Fabritius in seinem Blogeintrag vom 8. April sowie im Gespräch mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser. „Die besondere Verantwortung der Bundesregierung für alle Landsleute in den genannten Gebieten, die sich aus dem bis heute nachwirkenden Kriegsfolgeschicksal ergibt, habe ich stets als klare Richtlinie deutschen Regierungshandelns bestätigt.“ Für diese Haltung sind die Russlanddeutschen in Russland Herrn Fabritius besonders dankbar.

Am Tag des Redaktionsschlusses wurde es bekanntgegeben, dass die SPD-Politikerin Natalie Pawlik neue Aussiedler- und Minderheitenbeauftragte der Bundesregierung wird. Pawlik wurde 1992 in Wostok, Gebiet Tjumen, in Russland geboren. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sich über die Berufung von Pawlik so geäußert: „Ich freue mich sehr, dass wir mit ihr eine junge Politikerin gewonnen haben, die mit ihrer eigenen Biografie und Erfahrung eine besondere Glaubwürdigkeit hat.“

Igor Beresin

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