Zum Mond und zurück: Wie Viktor Fetter ins All flog, ohne Moskau zu verlassen

Im Dezember endete in Moskau das Sirius-17-Experiment, bei dem eine Reise zum Mond simuliert wurde. Mit dabei war Viktor Fetter, ein Deutscher aus Russland. Die MDZ hat mit ihm über seine Eindrücke gesprochen.

Fetter

Viktor Fetter/ Foto: privat

Herr Fetter, wie sind Sie zu dem Experiment gekommen?

Bereits seit 2010 führe ich gemeinsam mit dem Institut für medizinisch-biologische Forschungen der Russischen Akademie der Wissenschaften Experimente durch. Momentan arbeiten wir an einer „elektronischen Nase“, einem Gerät zur Analyse von Gasen. Diese elektronische Nase kann anhand des Atems feststellen, wie sich der Aufenthalt im Weltraum auf die Gesundheit der Kosmonauten auswirkt.

Solch ein Gerät wird auf der Internationalen Raumstation zum Einsatz kommen. Die Simulierung des Fluges zum Mond haben wir anderthalb Jahre geplant. Im Gegensatz zum sehr ähnlichen Projekt „Mars-500“ wurden die Teilnehmer nicht in einer aufwendigen Prozedur ausgewählt.

Dieses Mal waren es bekannte Spezialisten mit einem guten Ruf auf ihrem jeweiligen Gebiet. Ich sollte zunächst die Rolle des Übersetzers einnehmen. Man ging davon aus, dass auch Japaner teilnehmen werden und ich sie dabei unterstütze, eine gemeinsame Sprache mit der russischen Mannschaft zu finden.

Was war das Ziel des Experimentes?

Die Menschheit steht an der Schwelle einer neuen Etappe der Erschließung des Weltraums. Wir verlassen die Umlaufbahn der Erde und erforschen die nächstgelegenen Objekte des Sonnensystems, den Mond, den Mars und Asteroiden. In Russland wird momentan die wiederverwendbare Raumkapsel „Federazija“ entwickelt.

Außerdem soll bis 2023 „Deep Space Gateway“ gebaut werden, eine internationale Raumstation zwischen Erde und Mond. All diese Projekte verlangen komplizierte technische Lösungen und eine gut ausgebildete Mannschaft. Sollte auf der Internationalen Raumstation ein Notfall eintreten, können die Kosmonauten innerhalb von sechs Stunden zur Erde zurückgebracht werden.

Bei einem Flug zum Mond ist das nicht möglich, da der Flug drei Tage dauert. Deshalb benötigt man Kosmonauten, die vielseitig einsetzbar sind. Sie müssen Ingenieure, Biologen und Ärzte zugleich sein. Das haben wir in dem Experiment geprobt.

Kannten Sie die anderen Teilnehmer bereits vor dem Experiment?

Nein. Aber ich bin froh, dass es so ein gutes Team war. Viele glauben, dass unser Experiment nicht ernst war, dass wir einfach 17 Tage lang in einem geschlossenen Raum gesessen haben. Das kann ja nicht so schwer sein. Insgesamt war ich für das Experiment sieben Wochen in Moskau.

In der ersten Zeit gab es eine komplizierte Vorbereitung mit vielen Tests im Hintergrund, die von morgens bis abends gingen. Dann kam das Experiment selbst und im Anschluss noch viele Untersuchungen. Der Raum, in dem wir das Experiment durchführten, ist wissenschaftlich gesehen eine Druckkammer.

Wir nannten ihn aber einfach nur das „Fass“. In diesem „Fass“ gab es keine Dusche und so konnten wir uns nur mit Feuchttüchern sauber machen. Wir haben auch neue Raumanzüge und einen neuen Lieferanten für Kosmonautennahrung getestet. Es wurden Notfallsituationen simuliert. Wir mussten ein Besatzungsmitglied wegen Herzproblemen behandeln und ihn reanimieren.

Wir haben den Umgang mit einem Ultraschallgerät gelernt und wie man sich selbst Blut entnimmt und es ohne Hilfe „von der Erde“ analysiert. Wir haben lediglich eine Anleitung bekommen und mussten dann alles selbstständig machen. Außerdem haben wir die Veränderungen des menschlichen Organismus und seine Reaktion auf die Isolation festgehalten.

Die Isolation wirkt sich auch auf die Psyche aus. In der Druckkammer gab es kein Sonnenlicht. Der Luftdruck war etwas höher als in Moskau, also haben wir künstliche Luft geatmet, so wie die Kosmonauten auf der Internationalen Raumstation. Man hatte uns vorgewarnt, dass uns drei Tage nach Beginn des Experiments kalt werden wird.

In den ersten drei Tagen war uns sehr warm. Wir sind in kurzen Hosen und T-Shirts rumgelaufen. Auch wenn die Temperatur gleich blieb, wurde uns nach drei Tagen wirklich kalt. Der Körper hatte sich an die hermetischen Bedingungen gewöhnt. Bei mir ist die Knochendichte zurückgegangen, wie bei Kosmonauten in der Schwerelosigkeit.

Für die Wissenschaftler war das ein Rätsel, da wir ja gar nicht im Weltraum waren. Vielleicht lag es an der Diätnahrung. Eine große Belastungsprobe war auch der Schlafentzug. Insgesamt durften wir 38 Stunden lang weder schlafen noch Kaffee trinken. Und nach 24 Stunden auch nicht mehr Essen.

Dennoch mussten wir weiterhin unsere Arbeit durchführen. Wenn es auf einer Raumstation zu einemNotfall kommt, wird es keine Möglichkeit zum Schlaf geben. Wir haben bewiesen, dass man die Probleme trotzdem lösen kann.

Bereuen Sie es denn, an Sirius-17 teilgenommen zu haben?

Natürlich nicht! Ich fand es interessant zu erfahren, wie eine experimentelle Mission aussieht. Das ist eine einzigartige Möglichkeit, die man für kein Geld der Welt kaufen kann. Nicht viele Menschen können von sich sagen, dass sie an einem Weltraumexperiment teilgenommen haben.

Aber mir ist klar geworden, dass ich kein Kosmonaut werden möchte. Ich entwickle lieber Technologien hier auf der Erde und helfe bei der Lösung von Aufgaben. Raumfahrt ist nicht dafür da, die Erde zu verlassen, ganz im Gegenteil: Sie hilft, unseren Planten besser zu machen.

Die Fragen stellte
Ljubawa Winokurowa.

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