Wo Russisch schwächelt

Kasachische Lehrer pauken ein neues Alphabet, Usbekistan will Beamte bestrafen, die Dokumente nicht auf Usbekisch bearbeiten können: Russisch verliert in Zentralasien immer mehr an Einfluss. Welche Rolle spielt die Sprache noch in der Region?

Es war ein diplomatischer Affront, als sich Maria Sacharowa kürzlich zu einem geplanten Sprachgesetz in Usbekistan äußerte. Russisch müsse weiterhin Verkehrssprache bleiben, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums. In Taschkent reagierte man verschnupft. „Die Regelung der Staatssprache ist eine innere Angelegenheit“, entgegnete das usbekische Außenministerium Richtung Moskau. Einmischung: unerwünscht.

Zweisprachig und mit neuen Buchstaben: Kasachisch soll bis 2025 auf das lateinische Alphabet umgestellt werden. (Foto: Othmara Glas)

Nationale Sprachen werden stärker

Sacharowa traf mit ihren Aussagen einen Nerv. In Zentralasien ist Russisch zwar nach wie vor die Lingua franca in Politik, Wirtschaft und Kultur, allerdings nimmt die Zahl der Sprecher stetig ab. Das liegt auch an einer Politik, welche die Nationalsprachen besonders fördert: In Kasachstan das Kasachische, in Tadschikistan das Tadschikische. In Usbekistan liegt nun ein Gesetzesentwurf vor, nach dem Beamte künftig sogar bestraft werden sollen, wenn sie offizielle Dokumente nicht auf Usbekisch bearbeiten. Das Problem dabei ist noch nicht einmal, dass Nicht-Usbeken kein Usbekisch sprechen. Sie machen immerhin 20 Prozent der Bevölkerung aus. „Das Pro­blem ist, dass es viele Begriffe gar nicht auf Usbekisch gibt“, sagt eine junge Frau in Taschkent, die lieber anonym bleiben möchte. Die Studentin spricht Russisch zu Hause, Usbekisch hat sie in der Schule gelernt. „Im offiziellen Gebrauch müssen wir oft auf Russisch zurückgreifen, weil es an Alternativen fehlt“, sagt sie.

Ein neues Alphabet für Kasachstan

Ähnlich ist es in Kasachstan, das mit über 50 Prozent den höchsten Anteil russischer Muttersprachler in Zentralasien aufweist. Selbst viele Kasachen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung bei etwa 70 Prozent liegt, sprechen besser Russisch als Kasachisch. Doch auch hier ist die Sprachfrage präsent, das Kasachische auf dem Vormarsch. Das entspricht ganz der von Ex-Präsident Nursultan Nasarbajew ausgegebenen Staatsdoktrin zur „Modernisierung der kasachischen Identität“. Dazu gehört auch die Latinisierung des kasachischen Alphabets – weg vom Kyrillischen. Die Umstellung auf das lateinische Alphabet soll bis 2025 abgeschlossen sein. Dass das nicht einfach werden wird, weiß Pakisat Mambetchanowa. Sie unterrichtet seit elf Jahren Kasachisch an einer Schule in Almaty. Im vergangenen Jahr hat sie begonnen, das neue Alphabet zu lernen. Im Unterricht nutzt sie es testweise – die offizielle Anweisung zur Nutzung des neuen Alphabets fehlt noch. Ebenso das entsprechende Lehrmaterial. „Eine Kollegin hat einfach selbst ein Kasachischbuch vom Kyrillischen ins Lateinische übertragen. Damit arbeiten wir nun an unserer Schule“, erzählt Mambetchanowa. Trotz der Herausforderung falle den Schülern das Lernen leicht. „Durch Deutsch und Englisch sind sie mit Buchstaben bereits vertraut“, so die Lehrerin.

(Grafik: Othmara Glas/ Datawrapper/ Central Asian Barometer)

Streiten in Kirgisisch

In Zentralasien hat das Russische seinen Status als Amtssprache nach dem Zerfall der Sowjetunion weitgehend verloren. Einzig in Kasachstan und Kirgistan ist es – neben dem Kasachischen und Kirgisischen – offizielle Zweitsprache. Doch auch in Kirgistan gibt es immer wieder Streit darum. Selbst in der eher russisch geprägten Hauptstadt Bischkek finden politische Debatten immer mehr auf Kirgisisch statt. Zudem gibt es eine große usbekischsprachige Minderheit, die kaum anerkannt wird. Die Sprachfrage ist auch eine Frage des Umgangs mit der Vergangenheit. Turkmenistan hat sich wohl am deutlichsten vom sowjetischen Erbe abgewandt. Schon 1993 erfolgte die Latinisierung des Alphabets; der Russischunterricht wurde deutlich reduziert. Türkisch und Englisch kamen stattdessen als Fremdsprachen hinzu. Dennoch dient das Russische nach wie vor als Sprache, die Zugang zu besserer Bildung und Medien jenseits der staatlich kontrollierten Zeitungen und Fernsehsender bietet.

Russische Endungen sind verboten

In Tadschikistan spielt Russisch außerhalb der Hauptstadt Duschanbe kaum noch eine Rolle. Der tadschikische Präsident geht sogar so weit, dass er Tadschiken russische Endungen in ihren Namen verbietet. Im Mai wurde ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Er selbst strich bereits 2007 das „ow“ aus seinem Namen und wurde so von Emomalij Rachmonow zu Emomalij Rachmon. Für Moskau ist der Rückzug des Russischen in Zentralasien gleichbedeutend mit dem Verlust von Einfluss. Sacharowa sieht auch eine Gefahr für diejenigen, die in Russland arbeiten oder studieren wollen. Und was wäre Russland ohne seine zentralasiatischen Gastarbeiter?

Othmara Glas

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