Wie Putin und Schoigu Russland mit Medaillen überhäufen

Russlands Führung ist sehr großzügig, wenn es darum geht, Auszeichnungen zu vergeben. Wer und warum aber geehrt wird, bleibt oft schleierhaft.

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Ausgezeichnete Freunde: Präsident Putin und Verteidigungsminister Schoigu unterwegs auf der Newa (Foto: kremlin.ru)

Für Sergej Schoigu könnte es ein erhabener Moment gewesen sein. Am 21. Mai bekam der Verteidigungsminister von Präsident Wladimir Putin den Verdienstorden für das Vaterland – die zweithöchste Auszeichnung, die Russland zu vergeben hat – verliehen. Allerdings hat Schoigu in jüngster Vergangenheit nicht wirklich etwas getan, was das Ordensmotto „Nutzen, Ehre und Ruhm“ rechtfertigen würde. Die Auszeichnung erhielt Schoigu schlicht nur, weil er an diesem Tag seinen 65. Geburtstag feierte.

Russland ist reich an Auszeichnungen, sehr reich sogar. Es gibt sie auf allen möglichen Ebenen. Und so ziemlich jeder kann eine neue initiieren. Motor des immer größer werdenden Pools an Medaillen und Orden ist aber Schoigu. Ganze 78 Auszeichnungen hat er als Kabinettsmitglied bereits gestiftet. Besonders das Verteidigungsministerium wurde mit 53 Orden und Medaillen großzügig von ihm bedacht. Damit ist Schoigu der Rekordhalter in Russland und sogar in der Sowjetunion. Niemand hat mehr Auszeichnungen gestiftet als der Mann aus der sibirischen Republik Tuwa.

Schoigu stiftet mehr Ehrungen als Stalin

Das geht aus einer vor Kurzem veröffentlichten Untersuchung des Online-Mediums „Otkrytyje Media“ hervor. Schoigu stellte 2014 sogar einen besonderen Rekord auf. In dem Jahr, in dem Russland die Halbinsel Krim angliederte, schuf er 14 neue Auszeichnungen und übertrumpfte damit Stalin. Der sowjetische Staatschef brachte es im Siegesjahr 1945 nur auf zehn Orden. Die dürften dafür aber wertvoller gewesen sein. Denn das Verteidigungsministerium ersann nicht nur Medaillen für die Krim, sondern auch den „Weltmeister im Panzerbiathlon 2014“. 

Experten schon längerem davon, dass Orden in Russland ihren Wert verlieren. Mehr noch, sie verkommen zu einem Geburtstagsgeschenk. Nicht nur Schoigu erhielt zum Jubiläum einen Orden. Auch Außenminister Sergej Lawrow, Jahrgang 1955, wurde von Putin 2005, 2010, 2015 und 2020 bedacht. Auffällig ist auch, dass kaum Orden an Menschen vergeben werden, die wirklich Großes geleistet haben. „Otkrytyje Media“ hat errechnet, dass Putin seit Jahresbeginn 2019 ganze 2755 staatliche Auszeichnungen vergeben hat.

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Unternehmer Arkadij Rotenberg bei seiner Ernennung zum „Helden Russlands“ im März (Foto: Kremlin.ru)

„Helden der Arbeit“ sind auf der Forbes-Liste

Doch lediglich fünf Prozent gingen an Personen, die diese auch verdient haben, 1019 hingegen an regierungsnahe Geschäftsleute und 454 an Beamte. So wurde etwa der Unternehmer Arkadij Rotenberg im März für den Bau der Krimbrücke zum „Held der Arbeit der Russischen Föderation“ ernannt. Dafür erhielt der Multimilliardär nicht nur einen Orden, der den Staat 161 000 Rubel (2000 Euro) kostet. In Zukunft wird in seiner Heimatstadt St. Petersburg auch eine Büste von ihm eingeweiht und eine Straße nach ihm benannt werden.

Rotenberg ist nicht der einzige Ordensträger, der auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen auftaucht. Wie das Beispiel Rosneft zeigt, wirken sich hohe Positionen positiv auf die Medaillenvergabe aus. 80 Prozent der 62 Auszeichnungen, die im Mineralölunternehmen in den vergangenen anderthalb Jahren vergeben wurden, durften sich Führungskräfte an die Brust heften. Unter anderem auch der Pressesprecher. Übrigens, lediglich sechs Melker und 23 Traktorfahrer – in der Sowjetunion Idealbild des Helden der Arbeit – wurden von Putin prämiert. Allerdings nur für ihre „Arbeit in der Landwirtschaft“.

Auch fürs Kinderkriegen gibt es Orden

Wie wenig die Auszeichnungen in Russland mit der Realität zu tun haben, zeigt der Fall des tschetschenischen Senators Sulejman Geremejew Ende Februar. Der erhielt den Verdienstorden für das Vaterland dafür, dass er aktiv an Gesetzen arbeitet und neue Initiativen voranbringt. Medien fanden kurz darauf allerdings heraus, dass Geremejew in den vergangenen fünf Jahren nicht ein einziges Gesetz initiiert hat.

Dafür fiel die Auszeichnung auf den fünften Jahrestag der Ermordung des Oppositionellen Boris Nemzow. Ein Neffe Geremejews steht im Verdacht, die Ermordung mitorganisiert zu haben, wie die „Nowaja Gaseta“ schreibt. Auch die Medaille der ehemaligen Kosmonautin Walentina Teresch-
kowa „Für die Teilnahme an der Militäroperation in Syrien“ wirft einige Fragen auf. 

Und so bleibt Russland weiter im Ordensrausch, den nicht einmal das Coronavirus aufhalten kann. Nicht nur Sergej Schoigu erhielt in den vergangenen Wochen einen Brustanhänger von Putin. Ende Mai verlieh der Präsident einer Familie aus Twer den „Elternruhm“-Orden.Den gibt es in zwei Stufen ab vier und ab sieben Kindern. Es war das 238. Mal, dass Putin diesen Orden seit 2019 verliehen hat. 

Daniel Säwert

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