Von der Jak-40 bis zur An-26: Oldtimer im Linienverkehr

Am 17. März wird Aeroflot, die einst größte Fluggesellschaft der Welt, 100 Jahre alt. In Russland verkehren noch heute Flugzeuge, die einst in Diensten des sowjetischen Monopolisten standen.

Eine 40 Jahre alte Antonow An-26 hebt vom Flughafen des Schwarzmeer-Badeortes Anapa ab. (Foto: Tino Künzel)

Wologda ist die Hauptstadt einer russischen Region nördlich von Moskau. Die meisten Fernzüge brauchen zwischen acht und neun Stunden dorthin. Mit dem Flugzeug verkürzt sich die Zeit auf anderthalb Stunden. Die Strecke bedient Wologodskoje Awiapredprijatije, eine in der Provinzstadt ansässige Fluggesellschaft, mit Maschinen vom sowjetischen Typ Jakowlew Jak-40. Anfang März wurde die Zahl der Flüge von drei auf vier pro Woche aufgestockt. „Eine tolle Möglichkeit für Moskauer, mit diesem Flugzeug zu fliegen“, kommentierte die Nachricht der Telegram-Kanal „Dear Passengers“. Das kann man so sehen.

Älter als die meisten Passagiere

Manche Menschen könnten es freilich bedenklich finden, wenn das Flugzeug, das sie von A nach B bringen soll, älter ist als sie selbst. Der Luftverkehrsbetrieb aus Wologda betreibt derzeit sechs Jak-40. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 46,6 Jahren. Der Kurzstreckenjet für bis zu 40 Passagiere wurde von 1966 bis 1981 gebaut und war ein großer Erfolg, wovon die Tatsache zeugt, dass über 1000 Stück davon ausgliefert wurden. Von Wologda aus geht es mit der Jak-40 auch nach St. Petersburg und Weliki Ustjug. Letzteres ist der offizielle Sitz des russischen Weihnachtsmannes.

Die größere Jak-42 mit 120 Plätzen fliegt beispielsweise für Kras­awia aus Krasnojarsk und Isch­awia aus Ischewsk. Beides sind Fluggesellschaften, die selbst den meisten Russen nicht geläufig sein dürften und die um ihr kleines Stück vom Kuchen kämpfen. Das Streckennetz von Krasawia erstreckt sich vorrangig auf Sibirien. Ihre acht Jak-42 sind im Schnitt 31,2 Jahre alt.

Verblüffender Zustieg von hinten

Von der eigentlich fortschrittlichen dreistrahligen Maschine verließen nur 187 Exemplare die Produktionshallen. Ein Absturz im Sommer 1982, bei dem alle 132 Insassen ums Leben kamen, wurde dem Modell zum Verhängnis. Da ein Konstruktionsfehler als Ursache festgestellt wurde, zog die zuständige Behörde den Flieger für zwei Jahre aus dem Verkehr. In den letzten Jahren der Sowjetunion und erst recht im postsowjetischen Russland erholte sich der als Wachablösung für den Bestseller Tu-134 gedachte Hoffnungsträger von diesem Tiefschlag nicht mehr. Doch bis heute sorgt die Maschine für Aha-Effekte bei den Passagieren, weil sie ihre eigene ausklappbare Gangway mit sich führt und über ihr Hinterteil bestiegen werden kann. Das ist zwar irritierend, aber irgendwie auch witzig.

Eine Jakowlew Jak-42 im Jahr 2015 auf dem Flughafen der nordrussischen Stadt Uchta. Damals gehörte das Flugzeug zur Flotte von Gazpromawia, 2019 wurde es nach einer Zwischenstation bei Grosny Awia von Ischawia übernommen. (Foto: Tino Künzel)

Russland namhafteste Fluggesellschaften haben sich meist schon vor vielen Jahren von ihrem sowjetischen Fluggerät getrennt. Die legendären Tupolews und Iljuschins sind im kommerziellen Flugbetrieb schon lange nicht mehr anzutreffen. Der Großraumjet Il-96 ist nur noch als Präsidentenmaschine unterwegs.

Alternativlos in abgelegenen Gebieten

Anders liegt der Fall bei den Jakowlews und vor allem den Antonows. Die Propellermaschinen vom Typ An-2, An-24 und An-26 verrichten vor allem in abgelegenen Gebieten ihren Dienst. Auf den oft kurzen und nur mit natürlichem Untergrund ausgestatteten Flugplätzen sind sie nach wie vor alternativlos. Die Iljuschin Il-114 als noch zu Sowjetzeiten konzipierter und in jüngerer Vergangenheit für heutige Ansprüche weiterentwickelter Nachfolger der An-24/An-26 ist bisher nicht serienreif.

Deshalb setzt beispielsweise Polar Air mit Sitz in Jakutsk weiter auf 13 An-24, die im Schnitt 49 Jahre alt sind, und vier An-26 (45,3). Aurora, vom Staat zu einer Art Flaggschiff für den Luftverkehr in Russlands fernem Osten auserkoren, hat zwar selbst nur westliche Flugzeuge in seiner Flotte (Airbus, Bombardier), kooperiert aber mit kleineren Airlines aus der Region. Gemeinsam mit Kamtschatskoje Awiazonnoje Predprijatije bietet Aurora ab Ende März Linienflüge von Petropawlowsk-Kamtschatski auf der Halbinsel Kamtschatka nach Magadan mit Jak-40 und ab Anfang Juni nach Anadyr mit An-26 an.

Mit Aeroflot fing alles an

Im europäischen Landesteil sind die bejahrten Antonows eine zwar seltene Erscheinung, aber nicht gänzlich von der Bildfläche verschwunden. So setzt Kostromskoje Awiapredprijatije auf seiner derzeit einzigen Strecke zwischen der Wolgastadt Kostroma (300 Kilometer nordöstlich von Moskau) und St. Petersburg die Antonow An-26 ein, von der die Gesellschaft vier Exemplare in seinen Besitz hat. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 42,2 Jahren. Die typische Geschichte so einer An-26 lässt sich beispielsweise am Flugzeug mit dem Kennzeichen RA-26133 illustrieren: Es wurde 1983 fabrikneu an Aeroflot ausgliefert, gehörte von 1993 bis 2003 der heute nicht mehr existenten Fluggesellschaft Krasair und weitere 13 Jahre Jamal. 2016 absolvierte die Maschine ihren Erstflug für den Luftverkehrsbetrieb aus Kostroma.

Tino Künzel

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