Vize-Chef der Duma über russische Wahlen und westliche Sanktionen

Alexandr Romanowitsch, einer der acht stellvertretenden Vorsitzenden der Staatsduma, ist bei den Parlamentswahlen gegen seinen Konkurrenten von der Regierungspartei „Einiges Russland“ gescheitert. Trotzdem lobt er die Wahlen. Ein Gespräch über Legitimität und die Folgen für Russlands Verhältnis zum Westen.

Alexandr Romanowitsch (r.) trifft in Moskau den Vorsitzenden des ägyptischen Parlaments Ali Abdel Aal / RIA Novosti

Alexandr Romanowitsch (r.) trifft in Moskau den Vorsitzenden des ägyptischen Parlaments Ali Abdel Aal / RIA Novosti

Herr Romanowitsch, hat die Duma eine Rolle für die Außenpolitik?
Ja, denn wenn der Präsident Außenpolitik macht, sollten er und seine Instrumente eine Unterstützung durch die Wähler genießen. Und die wird durch die Abgeordneten der Duma, die Vertreter der Wähler, realisiert. Bei uns bestimmt nicht das Parlament die Außenpolitik, denn das ist nach unserer Verfassung Aufgabe des Präsidenten, wie es zum Beispiel auch noch in Frankreich der Fall ist. Doch die „moralische Unterstützung“ durch das Parlament ist wichtig, wie es zum Beispiel bei der Krim der Fall war, als alle Parteien zugestimmt haben.

Sie wissen, dass es im Westen starke Zweifel an der Legitimität der Duma gibt?
Was die jetzige Wahl betrifft, so haben wir sie analysiert und sind zum Schluss gekommen, dass die nächste Duma wirklich legitim gewählt worden ist – nämlich wegen der Teilnahme des Präsidenten. Seine Beliebtheit mobilisierte die Menschen zugunsten der Regierungspartei.

Man könnte aber auch sagen, dass es keine Konkurrenz für die Regierungspartei gab …
Das hängt auch damit zusammen. Wenn es einen derart angesehenen Präsidenten gibt, der die Partei unterstützt …

Wobei er als Präsident überparteilich sein sollte …
Ja, er ist nicht Parteimitglied. „Einiges Russland“ positioniert sich aber als die Partei des Präsidenten. Daher hat sie auch die mit Abstand meisten Stimmen bekommen. Daran gibt es keinen Zweifel.

Es heißt auch, die Duma sei keine unabhängige politische Gewalt.
In vielen europäischen Parlamenten kommt es vor, dass die Abgeordneten so abstimmen, wie die Regierung es sich wünscht. Davon konnte ich mich auch in meiner Zeit in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats überzeugen: Es wurde abgestimmt, wie der Außenminister es wünschte.

Sie waren bisher auch stellvertretender Vorsitzender des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten. Den Vorsitz hatte „Einiges Russland“, nun geht er an Schirinowskijs LDPR, die betont anti-westlich auftritt.
Leonid Sluzkij, der Kandidat für diesen Posten, ist ein erfahrener Politiker, der sicher professionell arbeiten wird. Die LDPR ist zuletzt auch etwas zahmer geworden. Anfang der 2000er wollten sie ja noch ihre Soldatenstiefel im Indischen Ozean waschen.

Sie werden nicht mehr in der Duma sein, weil Sie Ihren Wahlkreis gegen den Kandidaten von „Einiges Russland“ verloren haben. Dabei ist der in der Öffentlichkeit unbekannt, Sie dagegen ein ständiger Gast im russischen Fernsehen. Wie konnte das passieren?
Wegen des Präsidentenbonus und weil die Wahlbeteiligung für Duma-Wahlen niedrig war. Leider sind meine Wähler zu Hause geblieben.

Sie kritisieren den Westen bei Ihren Auftritten weniger scharf als der russische Durchschnittspolitiker heutzutage. Oder täuscht der Eindruck?
Üblicherweise schimpft derjenige, der wenig von der Sache versteht. Ich kenne Europa gut, seine Sprachen, seine Kultur. Meine Position ist daher eher konstruktiv.

Und doch sagen auch Sie in Diskussionen zu Deutschland, es sei von den USA „besetzt“.
Es ist doch eine Tatsache, dass es eine Besatzungsmacht auf deutschem Territorium gibt. Und die hat einen, wenn auch verborgenen, Einfluss auf die gesellschaftlichen Prozesse. Davon bin ich überzeugt. Ich verstehe, dass das für die Deutschen eine empfindliche Angelegenheit ist. In Japan verhält es sich übrigens ähnlich, Frankreich etwa ist frei davon.

2017 könnte Deutschland eine neue Regierung bekommen. Sehen Sie darin Chancen für die deutsch-russischen Beziehungen?
Ich habe zurzeit nicht das Gefühl, dass sich im nächsten Jahr etwas grundlegend ändern könnte. Die USA nehmen bei den Sanktionen eine harte Haltung ein, und ich glaube durchaus, dass sie das ernst meinen. Man nehme nur das Beispiel Kuba. Insofern scheinen mir die Sanktionen für ewig zu sein. Die Haltung der USA wird mit Sicherheit auch in der Sanktionspolitik der EU ihren Niederschlag finden, wobei sich die europäische Gemeinschaft in dieser Frage untereinander streiten wird.

Muss sich Russland nicht auch selbst bewegen, um den Konflikt mit dem Westen zu entschärfen?
Was die Sanktionen betrifft, ist die Sache für mich klar: Wenn man etwas vereinbart hat, muss man sich daran halten. Es war überaus schwer, sich auf das Minsker Abkommen zu verständigen. Heute ist es die Ukraine, die sich bewegen muss. Was den Westen betrifft, so hat der sich seit dem Abzug unserer Truppen aus Osteuropa ständig auf uns zubewegt, in Form der NATO. Gegen wen wollen sie sich denn verteidigen? Sehen Sie, die Länder Europas haben 500 Millionen Einwohner, wir sind nur 145 Millionen. Vor uns braucht man sich nicht zu verteidigen.

Gerade Ihre Duma hat in den vergangenen Jahren viel getan, um das Land im Inneren gegen den Westen abzuschotten. Zum Beispiel mit dem Gesetz über NGOs als vermeintliche „ausländische Agenten“. Nach den Wahlen ist eine „Orange Revolution“ in Russland doch unwahrscheinlicher denn je. Wäre es jetzt nicht an der Zeit, die Zügel zu lockern?
Wieso lockern? Wen stören diese Zügel denn? Die NGOs können doch bei uns weiterhin machen, was sie wollen. Wenn sie aber Geld aus dem Ausland annehmen, sollen sie das auch angeben müssen, wenn sie auf unsere Gesellschaft Einfluss nehmen wollen. Hätten Sie sich zum Beispiel vorstellen können, dass die „Soldatenmütter“, die ständig um unser Generalstabs-Gebäude herumstehen, Geld aus dem US-Haushalt erhalten? Ich bin selbst Offizier und kenne die Probleme in der Armee, aber diese Information hat mich doch verblüfft. Ich habe keine Angst, in diesem Punkt als reaktionär zu erscheinen: Ich unterstütze das Gesetz. Politische Parteien dürfen ja auch keine Gelder aus dem Ausland erhalten.

Es heißt, dass Russland Parteien im Ausland finanziert, zum Beispiel in Frankreich …
Marine Le Pen und ihr Front National haben bei einer tschechischen Bank einen Kredit aufgenommen, und diese Bank weist in der Tat eine russische Kapitalbeteiligung auf. Aber es ist Sache von Marine Le Pen und der französischen Gesetzgebung, so etwas zuzulassen oder nicht. Zu Zeiten der Sowjetunion haben wir Geld in Koffern verteilt. Heute gibt es so etwa nicht mehr.

Das Interview führte Bojan Krstulovic

Zur Person

Alexandr Romanowitsch

Der 63-Jährige ist seit März stellvertretender Vorsitzender der Duma. Nach seinem baldigen Ausscheiden bleibt er bei seiner Partei „Gerechtes Russland“, die sozialdemokratisch ausgerichtet ist, zuständig für die internationalen Beziehungen – ein Feld, in dem er sich seit den 1970er-Jahren bewegt. Damals wurde er als Übersetzer der Sowjetarmee zu Fidel Castro und anderen Kommunistenführern entsandt. In den 1990ern wurde er Unternehmer und stellte unter anderem Tierfutter her. Seine ersten politischen Initiativen galten dem Tierschutz.

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