Annelore Einmahl
Vorsitzende des Partnerschafts- und Freundschaftsvereins Aachen-Kostroma
Ich bin total traurig und enttäuscht darüber, was wir von der anderen Seite so an Propaganda zu hören bekommen. Die Frage, ob und wie wir weitermachen, spaltet auch unsere Mitglieder. Einige haben ihre Kontakte nach Kostroma abgebrochen, einige sind aus dem Verein ausgetreten, aber nur wenige. Manche sagen, dass man irgendwann sowieso gemeinsam wieder neu anfangen muss und deshalb die Verbindung nicht abreißen darf. Aber ich weiß im Moment ehrlich gesagt nicht, wie diese Risse im Verhältnis wieder gekittet werden können. Vielleicht braucht es Generationen, bis man zu einem vertrauensvollen Miteinander zurückfindet.
Irmhild Betz-Haberstock
Vorsitzende des Malachowa e.V. für deutsch-russische Begegnungen
Ich habe vom Dialog auf dieser offiziellen Ebene noch nie viel gehalten. Als jemand, der aus der Praxis kommt, saß ich oft in diesen Diskussionsrunden und hatte den Eindruck, dass die Leute gar nicht wissen, was unten, wo die wirkliche Arbeit geleistet wird, läuft. Das viele Geld wäre an anderer Stelle nötiger. Das macht mich wütend.
Unser Verein ist aus dem Gedanken der Versöhnung heraus entstanden. Mein Vater war in russischer Kriegsgefangenschaft. Er kam 1949 nach Hause und hat noch lange danach im Schlaf geschrien. Uns acht Kindern hat er nichts erzählt, nur dass die russischen Menschen den deutschen Kriegsgefangenen immer wieder geholfen hätten. Wie fängt man also Versöhnung an? Wir haben viele Jahre deutsche und russische Jugendliche in Deutschland und Russland zusammengebracht.
Es gab große Pläne für eine deutsch-russische Kinderakademie in Malachowa bei Jaroslawl. In Tutajew steht bis heute unser Freundschaftshaus. Aber im Moment geht gar nichts mehr. Niemand will für Dinge in Russland spenden. Und auch das Gespräch mit „meinen“ Russen ist schwierig. Am Telefon redet man mehr oder weniger nur übers Wetter und die Gesundheit.
Aber ich träume davon, dass aus den bilateralen Kontakten eines Tages sogar trilaterale werden und wir die Ukrainer dazunehmen. Da wäre er wieder, der Versöhnungsgedanke. Heute klingt das verrückt. Aber ich kann ganz schön stur sein. Ich finde schon einen Weg.
Anatoli Blinow
Mitglied der Arbeitsgruppe „Wissenschaft und Bildung“ des Petersburger Dialogs und Vizepräsident der Gesellschaft Russland-Deutschland
Die Entscheidung der deutschen Seite, den Petersburger Dialog einzustellen, kann nur Bedauern hervorrufen, welche Beweggründe auch immer dazu geführt haben. Natürlich ist Abbauen leichter als Aufbauen, aber es erfordert doppelte Kraft, zerstörte Brücken neu zu errichten. Verloren gegangenes Vertrauen zwischen Deutschen und Russen wiederherzustellen, ist keine leichte Aufgabe.
Mit der Plattform verlieren die Zivilgesellschaften Russlands und Deutschlands einen wichtigen Kanal offizieller Kontakte, der von führenden Experten sowohl staatlicher Strukturen als auch von NGOs genutzt wurde. Wenn man heute auf die Tätigkeit des Petersburger Dialogs zurückblickt, dann muss man seine herausragende und hochproduktive Rolle beim zivilgesellschaftlichen Dialog konstatieren. Den Teilnehmern hat er ermöglicht, konstruktive Lösungen zu entwickeln und so die Bemühungen von Ministerien und Behörden in den bilateralen Beziehungen effektiv zu ergänzen. Davon zeugt allein die Tatsache, dass sage und schreibe zehn Arbeitsgruppen auf ständiger Basis tätig waren, was in vielen Fällen zu praktischen Ergebnissen führte, wie beispielsweise bei den Arbeitsgruppen „Wissenschaft und Bildung“, „Kultur“ oder „Medien“.
Bleibt zu hoffen, dass die in langjähriger, aufwendiger Arbeit entstanden Kontakte zwischen den deutschen und russischen Teilnehmern im Namen des gesunden Menschenverstands erhalten bleiben. Wie die russische Seite des Forums offiziell auf der russischen Webseite des Petersburger Dialogs mitteilt, setzt sie ihre Arbeit in einem neuen Format fort. Dazu werden zu gegebener Zeit weitere Informationen öffentlich gemacht.
Barbara Lachhein
Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsch-Russische Begegnung Essen
Aufgewachsen mit den Kindheitserzählungen der Eltern, die von Krieg, Vertreibung und Flucht handelten, wurde etwas sehr deutlich: Manche Erlebnisse lassen sich verdrängen, vergessen – diese nie.
Unter den Bedingungen von Globalisierung, Digitalisierung und Vernetzung verbreiten sich Nachrichten darüber, wo Waffen ihr Unheil anrichten, in Sekundenschnelle. Immer verbergen sich dahinter traurige Schicksale. Essen nimmt seit vielen Jahren Menschen aus Kriegsgebieten auf. Bürger helfen, hören zu, versuchen zu verstehen.
Letztlich brauchen wir Frieden, damit das Leben, das Mütter schenken, ein erfülltes ist, damit unsere Kinder die Welt sorgenfrei entdecken können. So denken auch viele Menschen in Essens Partnerstadt Nischni Nowgorod. Deshalb halten wir als Gesellschaft für Deutsch-Russische Begegnung die Kontakte zu den Bürgern in Nischni Nowgorod, deshalb unterstützen unsere Mitglieder ukrainische Flüchtlingskinder in Essen.
Tino Künzel