Solarstrom für entlegene Dörfer: TecDAX-Unternehmen liefert nach Sibirien

In Russland wird bisher nur ein winziger Anteil des Strommixes mit Sonnenenergie erzeugt. Doch ausgerechnet in abgelegenen sibirischen Dörfern kommt Solartechnik verstärkt zum Zuge. Auch das deutsche TecDAX-Unternehmen SMA Solar Technology verkauft seine Wechselrichter dorthin. Wie es dazu kam, erzählt Sales Manager Jan Stottko im Interview mit GTAI.

Solaranlage in dem kleinen südsibirischen Ort Elbesa, der weniger als 50 Einwohner hat (Foto: Alexander Patrin/RIA Novosti)

In welchem Segment des russischen Solarmarktes ist SMA aktiv?

In Sibirien gibt es viele Dörfer, die nicht an das Stromnetz angeschlossen sind. Dort sorgen Dieselgeneratoren für den Strom. Die werden nun vielerorts zu hybriden Anlagen umgerüstet: Diesel und Solar.

Das rechnet sich?

In den Sommermonaten kann Solarenergie den Strombedarf der Dörfer vollständig decken. Mit den Dieselgeneratoren produzieren Sie Strom für einen Preis zwischen 30 und 40 Eurocent pro Kilowattstunde. Mit den Solaranlagen sind Sie da natürlich deutlich drunter. Innerhalb von fünf bis sechs Jahren amortisiert sich die Investition.

Trotzdem klingt das nach einer kleinen Nische. Wie viele Dieselgeneratoren gibt es denn in Russland?

Experten von der Universität Tomsk, mit denen ich mal gesprochen habe, gehen von rund 30.000 aus. Eine Zahl im niedrigen fünfstelligen Bereich halte ich für realistisch.

Wie sind Sie an die Aufträge gekommen?

Durch Zufall, Kontakte und viel Engagement. Eine jakutische Firma hat mal an unsere Zentrale geschrieben, weil sie ein Produkt von uns hatten und es nicht funktionierte. Ich bin dann dort hingefahren und habe den Wechselrichter zum Laufen gebracht. Dadurch haben wir einen Kontakt zu dem jakutischen Energieversorger Sachaenergo aufgebaut. Wenn man einen Endkunden hat, der unsere Lösung versteht, ist das schon mal gut.

Aber der Energieversorger bestellt nicht direkt bei Ihnen?

Nein. Er gibt einem Unternehmen den Auftrag, eine Ausschreibung für ein neues Projekt zu schreiben. Und wir sprechen dann mit diesen unabhängigen Planern.

Und in der technischen Dokumentation der Ausschreibung wird dann ein Wechselrichter nahegelegt, dessen Standards dem Produkt von SMA sehr ähnlich sind?

Ja. Das wird teilweise sehr detailliert ausgeschrieben, so dass eigentlich nur ein Produkt darauf passen kann. Das funktioniert in Deutschland auch so. Wenn man will, dass die Produkte eingeplant werden, muss man mit den richtigen Menschen sprechen.

Was muss ein Wechselrichter können, um in der sibirischen Provinz zu funktionieren? Ist ein besonderer Schutz vor Kälte vonnöten?

Nein, das würde teuer und kompliziert. Man muss auf das Prinzip „Keep it simple, sexy, stupid“ setzen. Elektronik wird deshalb im Regelfall in Container eingebaut, in denen die Temperaturen für den Betrieb der Technik sichergestellt sind – man vermeidet, sie ungeschützt aufzustellen. Wenn ich im Hybrid-Business bin, habe ich Anlagen, die wirklich remote sind. Man kann zwar lokal Leute ausbilden, aber wenn etwas Komplizierteres kaputtgeht, muss immer ein Spezialist kommen. Und die sind dann in der Regel mehrere tausend Kilometer entfernt.

Man braucht ein einfaches Wartungskonzept?

Ja. Bei großen Batteriespeichern kommt man um das zentrale Wechselrichtersystem nicht herum. Man kann da bisschen gegensteuern mit Ausbildung und Ersatzteilpaketen. Man kann auch an der Redundanz weiterarbeiten. Das wird gern gemacht. Im Zweifelsfall muss es dann eben einen Workaround geben, aber den gibt es eigentlich immer.

Die Dieselgeneratoren?

Ja, genau.

Welche Qualität hat das Stromnetz in den Dörfern?

Wenn man es mit Deutschland vergleichen würde, wäre es nicht gut. Man darf aber nicht vergessen: Auch bei solchen Anlagen gibt es in Russland Qualitätsnormen. Die Elektroversorger sind verpflichtet, diese Normen einzuhalten. Weil die Dörfer zu Sowjetzeiten deutlich größer waren, ist das Stromnetz oft noch auf die doppelte bis dreifache Bevölkerungszahl ausgelegt. Die Übertragungskapazität ist daher kein Problem.

Bekommen Sie etwas von Korruption auf dem russischen Markt mit?

Wir haben immer mal wieder ein unlauteres Angebot erhalten. Wir sollten etwa im Vorhinein Geld bezahlen, um einen Auftrag zu bekommen. Das ist nicht mit unserer Compliance kompatibel. Von so etwas lässt man die Finger. Es ist eine Straftat und man bekommt den Auftrag trotzdem nicht.

Man kann auch ohne Bestechung erfolgreich sein?

Natürlich. Es gibt viele staatliche Institutionen und Energieversorger, mit denen man sauber arbeiten kann.

Inwiefern ist Ihr Geschäft von Sanktionen betroffen?

Wir brauchen von den Abnehmern eine Gewährleistung, dass unsere Technik nicht auf die Krim, ans Militär oder an den Öl- und Gassektor geliefert wird. Dafür ist es wichtig, lange und vertrauensvolle Beziehungen zu den Kunden zu haben. So wissen wir auch wirklich, wo unsere Produkte hingehen.

Das Interview führte Lukas Latz (GTAI).

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