So schmeckt Biologie

Im Frühjahr hat Jekaterina Aljochina ihr Restaurant Biologie am Stadtrand von Moskau eröffnet. Nun gab es vom „Guide Michelin“ bereits einen Stern dafür. MDZ-Autorin Anna Finkenzeller hat Russlands erste Sterneköchin getroffen.

Das Restaurant Biologie gehört nun zur Gastronomie-Elite. (Foto: Biologie)

In Moskau kann man bekanntlich ausgezeichnet essen. Dafür, dass das gleich doppelt stimmt, sorgte unlängst der Restaurantführer Michelin. Er verlieh seine begehrten Sterne erstmals auch in Russland und zeichnete gleich neun Moskauer Restaurants mit mindestens einem Stern aus. Auf der Liste stehen einige bekannte Adressen – und ein Lokal, das nicht nur wegen des deutsch klingenden Namens aus der Reihe fällt. Das Biologie ist Russlands einziges Sternerestaurant, in dem mit Jekaterina Aljochina eine Frau Chefköchin ist. In der männerdominierten Spitzengastronomie ist das alles andere als selbstverständlich. Aber die heutige Sterneköchin passt auch sonst nicht in Raster. Vor fünf Jahren stand sie überhaupt zum ersten Mal selbst in einer Profiküche.

Mit Eisbein und Wurst ging es los

Angefangen hat Aljochina beruflich ganz woanders, nämlich als Imageberaterin in der Politik. Doch als ihr Mann ins Restaurantgewerbe einstieg, wechselte sie mit 25 Jahren ebenfalls in die Branche. Ihr erstes Projekt hieß Linderhof, ein Bierrestaurant mit deutscher Küche am Lomonossow-Prospekt. „Wir hatten Eisbein, Schweinehaxe und natürlich Wurst“, erzählt sie. Hochschwanger habe sie auf der Baustelle des künftigen Lokals gearbeitet, allen Ratschlägen der männlichen Kollegen, doch bis nach der Geburt zu pausieren, zum Trotz. In den zwölf Jahren unter ihrer Führung baute sie Linderhof zu einer Kette aus, ohne aber in der Küche zu arbeiten.

Auf einer Reise nach Rom erlebte Aljochina in einem Zwei-Sterne-Restaurant zum ersten Mal gehobene Gastronomie – und war fasziniert. Anschließend gründete sie das Kop Team, ein Restaurant im Moskauer Stadtbezirk Koptewo. Als sie dort keinen guten Koch fanden, beschloss sie, das Handwerk selbst zu erlernen. Nach einer professionellen Ausbildung an der prestigeträchtigen Kochschule Ragout in Moskau übernahm sie im Kop Team den Posten der Chefköchin. „Es war ein winziges Lokal, das Platz für 15 Gäste hatte, eine gute Übung für mich“, erinnert sie sich.

Praktikum? Niemand in Russland wollte sie

Ausgeruht hat sie sich darauf nicht. Um sich kulinarisch weiterzuentwickeln, bewarb sie sich bei diversen Restaurants um ein Praktikum. Zunächst ohne Erfolg: „Niemand in Russland hat mich mit Anfang vierzig genommen. Man fand es komisch, dass eine gestandene Managerin Köchin werden will.“ Erst als sie vor zwei Jahren an Elena Arzak, Inhaberin des gleichnamigen Drei-Sterne-Restaurants Arzak im spanischen San Sebastian, schrieb, klappte es. Heute bezeichnet sie diese Station als die wichtigste Erfahrung ihrer gastronomischen Karriere, einen Wendepunkt.

Holte einen Stern vom Restauranthimmel: Jekaterina Aljochina (Foto: Biologie)

Von einem Freund erfuhr sie in dieser Zeit, dass es im Dorf Iljinskoje nahe Moskau ein freies Objekt gebe, das sich für einen Gastronomiebetrieb eigne. Die Gestaltung des anfangs komplett leeren Gebäudes nahm Jekaterina Aljochina selbst in die Hand. „Ich war Architektin und Malerin, alles, was Sie hier sehen, ist mein eigenes Design.“ Im März war Eröffnung. Aber warum der deutsche Name Biologie? „Weil er gut klingt. Jeder kann die Bedeutung sofort verstehen.“

Im Labor wird mit Zutaten experimentiert

Der Name ist allerdings auch Programm. Direkt neben dem Restaurant befindet sich das sogenannte Labor. Hier experimentiert die Sterneköchin mit ihrem Team an ausgefallenen Zubereitungsarten saisonaler Zutaten, die nicht nur gut schmecken, sondern auch besonders bekömmlich sein sollen. Das bringt spannende Gerichte hervor: Rote-Beete-Appetizer, Raviolo mit dreierlei Fisch, eine besondere Variation der Suppe Borschtsch mit einer Brühe aus Ochsenschwänzen oder Brot aus Kartoffelresten.

Ein Blick ins Lokal von Jekaterina Aljochina (Foto: Biologie)

Außerdem arbeitet sie daran, ihre Küche komplett ohne Abfall zu betreiben. Mit Leidenschaft spricht sie über eine Hefe, die die Zersetzung des Biomülls verbessert, der wiederum als Dünger im hauseigenen Kräutergarten eingesetzt wird. Im Restaurant gibt es einen Schmelzofen, in dem sie aus alten Glasflaschen Dekoration und Skulpturen herstellt. Für diesen Ansatz der Kreislaufgastronomie hat sie von Michelin neben dem klassischen roten Stern auch einen grünen Stern für Nachhaltigkeit bekommen.

Die meisten Gäste kommen immer wieder

Was ist Jekaterina Aljochina für eine Chefin? Ksenija arbeitet im Service, die beiden kannten sich schon vorher von einem anderen Projekt. Von der Atmosphäre im Biologie ist sie begeistert. Aljochina gehe nicht nur mit Produkten und Ressourcen schonend um, sondern auch mit Menschen. Mitarbeiter seien nicht einfach Arbeitskraft, sondern praktisch Familie.

Wer Jekaterina Aljochina in ihrem Restaurant beobachtet, sieht immer wieder, wie sie an einem der Tische steht und lange mit den Gästen spricht. Das habe sich einfach so ergeben, sagt sie. 90 Prozent der Klientel seien Stammgäste. „Wir haben genau das Publikum, das wir wollen“, erklärt sie, „Menschen, die uns unterstützen. Gestern haben wir von einem Gast einen Tisch bekommen. Er hat im Gespräch mitgehört, dass wir zu wenig Tische haben, und angeboten, uns einen zur Verfügung zu stellen.“ Diese enge Beziehung zu den Gästen sei einzigartig. „Ich bin jetzt seit 20 Jahren im Restaurantgeschäft und erlebe so etwas zum ersten Mal.“

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