Sieg, Gott, Kinder

Nach wie vor wartet Russland auf sein Referendum. Über diese drei Änderungen werden die Bürger unter anderem abstimmen.

Die Vorschläge zur Änderung der Verfassung umfassten 24 Seiten. (Foto: onf.ru)

Sieg im Großen Vaterländischen Krieg

Senator Alexej Puschkow wollte die Rolle seines Landes als Sieger im Großen Vaterländischen Krieg – dem Verteidigungskrieg der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland – in der Verfassung festschreiben. Der Sieg über Nazideutschland sei „ein grundlegender Moment unserer Geschichte sowie unserer heutigen Existenz“, erläuterte Puschkow in Moskau. Jedoch sei diese Sichtweise angeblich gefährdet. Denn eine Reihe europäischer Staaten versuche angeblich „die Geschichte der Kriegsjahre umzuschreiben, die Rolle der Sowjetunion beim Sieg über den Faschismus umzubewerten und sie für das Entfachen des Krieges verantwortlich zu machen“, erklärte der russische Außenpolitiker Anfang Februar. Mit seinem Vorschlag verwies Alexej Puschkow auf den seit Wochen schwelenden Streit mit Polen, der Ukraine und anderen osteuropäischen Staaten über die Bewertung der sowjetischen Rolle im Zweiten Weltkrieg. Die Initiative wurde unter der Formulierung „Schutz der historischen Wahrheit“ mit in das Gesetzespaket aufgenommen.

Gottesbezug

„Schon in der Hymne gibt es die Zeile ‚Von Gott beschützte heimatliche Erde‘“, erklärte Patriarch Kyrill Anfang Februar. „Warum sollte man das dann nicht auch in unserer Verfassung erwähnen können?“ Denn die Mehrheit der Russen glaube an einen Gott, befand das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Der Glaube sei für die Entwicklung der Persönlichkeit wichtig und habe zudem großen Einfluss auf die gesellschaftliche und politische Moral. Der Geistliche empfahl deshalb: „Lassen Sie uns arbeiten und beten, dass Gott in unserem Grundgesetz erwähnt wird“. Allerdings bezog sich der Patriarch mit seinem Vorstoß nicht ausschließlich auf orthodoxe Christen. „Ich spreche auch über Muslime und viele, viele andere.“ Vertreter der jüdischen und muslimischen Gemeinden unterstützen die Initiative. Kritiker verweisen auf die verfassungsmäßige Trennung von Religion und Staat. Zudem besäßen nicht alle im Vielvölkerstaat ausgeübten Religionen – wie beispielsweise der Buddhismus – einen personalen Gott. Die zur Abstimmung liegende Formulierung stellt den Gottesbezug nun als den „von den Vorfahren weitergegebenen Glauben“ in einen weiten historischen Kontext.

Kinder als Priorität

Dass dem Nachwuchs eine besondere Rolle zukommen müsse, waren sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Verfassungsänderung schnell einig. Immerhin leide Russland unter größeren demographischen Problemen, wie Präsident Putin Anfang des Jahres mit Blick auf die seit Längerem zurückgehenden Geburtenraten erklärte. Das Festschreiben einer Förderung der Familienpolitik per Verfassung sei daher Pflicht. Der Staat müsse die jüngsten Russen nicht nur moralisch unterstützen, sondern auch die entsprechenden Voraussetzungen für ihre physische und intellektuelle Entwicklung garantieren. Streit entfachte sich jedoch an der ursprünglich vorgeschlagenen Formulierung „Kinder sind die wichtigste Errungenschaft der Russischen Föderation“. Die holprige Wendung sei nicht eindeutig genug und lege den unangemessenen Vergleich mit anderen Errungenschaften des Landes nahe, merkten Kritiker an. Im Internet rankten sich derweil Verschwörungstheorien um das Wort „Errungenschaften“, das im Russischen auch als Eigentum übersetzt werden kann. Am Ende folgte die Arbeitsgruppe daher einem Vorschlag ihres Vize-Vorsitzenden Pawel Krascheninnikow, der „Kinder zu einer wichtigen Priorität der staatlichen Politik Russlands“ erklärte.

Birger Schütz

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