Schachkoryphäe Karkjakin auf neuem Spielfeld

Sergej Karjakin (34) war einst drauf und dran, der nächste russische Schachweltmeister zu werden, verlor 2016 aber das Finale gegen den Norweger Magnus Carlsen. In letzter Zeit macht Karjakin vor allem mit antiwestlicher Rhetorik von sich reden. Neuerdings vertritt der Großmeister die Krim – wo er geboren wurde – im Födera­tionsrat. Einige Auszüge aus seinen Reden und Interviews.

Sergej Karjakin in einem Sweatshirt mit der Aufschrift „Putins Mannschaft“ auf der Brust (Foto: Grigori Syssojew/RIA Novosti)

Europa degradiert total, Amerika auch, vielleicht nicht ganz so sehr. Ich sehe nur Negatives in der EU und den USA. Was uns betrifft, so denke ich, dass die Sonderoperation uns den notwendigen Schub verleiht, um menschlich zu bleiben und Abstand zu wahren zu den Schrecken, die dort passieren.

Wenn die Ukrainer das Wort „Russland“ hören, dann verlieren sie augenblicklich die Fassung. Irgendetwas Ernsthaftes mit ihnen zu besprechen, hat keinen Sinn.

Viele von euch haben gestern vermutlich die Nachricht gesehen, dass ich für internationale Schachwettkämpfe gesperrt wurde (der Weltverband FIDE sperrte Karjakin 2022 wegen seiner demonstrativen Befürwortung der „militärischen Sonderoperation“ für ein halbes Jahr – d. Red.), weil mein Standpunkt dem Standpunkt der Mehrheit in Russland entspricht. Ich stehe hinter unserem Volk, hinter unserem Staat, hinter unserem Präsidenten. Dafür wurde ich von der Teilnahme an internationalen Turnieren ausgeschlossen. Aber ich bereue nichts. Mir ist eure Unterstützung, euer Engagement viel wichtiger.

Unter diesen demütigenden Bedingungen sollte Russland in Paris (bei den Olympischen Spielen – d. Red.) mit keinem Sportler vertreten sein, schon aus Prinzip. Ich selbst verzichte auf die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen, bis ich wieder unter russischer Flagge antreten kann und jegliche Diskriminierung ausgemerzt ist.

Dass die Auswahlmannschaften von Russland und Belarus ausgeschlossen sind (von Olympia 2024 – d. Red.), betrachte ich als wahres Verbrechen gegen den Sport. Denn alle Auseinandersetzungen zwischen Schachspielern sollten am Brett entschieden werden.

Die Olympiade hat noch nicht einmal angefangen, doch es gibt schon zuhauf Klagen über Diebstähle, ungenügendes Essen, fehlende Klimaanlagen, Betriebsstörungen im öffentlichen Nahverkehr …

All das (der „Schmutz“ bei der Eröffnungsfeier – d. Red.) zeugt von der Degradierung der Spiele seit 2014. Die Menschheit muss diesem Wahnsinn ein Ende bereiten und zu Schönheit und Anmut zurückkehren (schaut noch mal die Eröffnungsfeier von Sotschi). Wie der Premierminister von Ungarn, Viktor Orban, richtig gesagt hat: Auf der Erde gibt es nur zwei Arten von Menschen – Männer und Frauen, alle anderen märchenhaften Wesen können sich auf andere Planeten verziehen.

Ich habe nicht vor, mir diese Olympiade anzuschauen. Wie auch die Mehrheit der Russen, interessiert sie mich nicht. Gut, dass die Spiele nicht im nationalen Fernsehen gezeigt werden. Gut, dass die ganze Welt gesehen hat (bei der Eröffnungsfeier – d. Red.), in welchen Abgrund wir mit voller Absicht gerissen werden sollen. Und warum dagegen gekämpft werden muss.

Ich hoffe sehr, dass nach dem organisatorischen Fiasko von Paris alternative olympische Spiele veranstaltet werden. Nicht hier und heute, aber in absehbarer Zukunft. Das wäre richtig, denn der Sport muss unpolitisch sein. Außerdem gibt es doch hervorragende Vereinigungen wie etwa die BRICS-Staaten. Viele Länder sind uns freundschaftlich gesinnt und könnten sich anschließen, damit Olympische Spiele stattfinden, bei denen tatsächlich die Besten gewinnen.

Ich werbe schon seit mehreren Jahren in der Öffentlichkeit für die Idee der Schaffung einer alternativen internationalen Schachorganisation anstelle der FIDE. Einer Organisation mit den Flaggen und Hymnen aller Mitgliederländer, in der gleiche Möglichkeiten für alle garantiert sind und die Sieger nur auf sportlichem Wege ermittelt werden und nicht im Ergebnis der Intrigen von Funktionären, hat doch die FIDE ihre Losung „Gens una sumus“ (Wir sind eine Familie) endgültig diskreditiert.

Ich habe mich an Roskomnadsor (die staatliche Medienaufsicht – d. Red.) gewandt, denn wir können nicht hinnehmen, dass in den russischen sozialen Netzwerken und auf den audiovisuellen Plattformen bis heute ukrainischer Con­tent zu finden ist, dessen Autoren unsere Gesetze verletzen und die Terroristen der ukrainischen Armee finanzieren.

Die BRICS-Spiele waren ein guter Anfang. Solche Turniere richten wir auf höchstem Niveau aus. Das ist bereits seit den Olympischen Winterspielen von Sotschi 2014 bekannt. Wir machen das besser, als es die Franzosen bei ihrer Olympiade gemacht haben.

Zusammengestellt von Tino Künzel

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: