S7: Weniger Moskau, mehr Sibirien

S7 ist eine der größten russischen Fluggesellschaften und hat ihren Sitz in Sibirien. Dort soll künftig auch verstärkt der Schwerpunkt des Geschäfts liegen. Die Präsenz in Moskau wird verringert. Grund sind die wachsende Rolle des Regionalverkehrs und die Sanktionen.

Auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo sind die Flieger von S7 nicht zu übersehen. (Foto: Tino Künzel)

So lesen sich heute Erfolgsmeldungen: Russlands größte private Fluggesellschaft S7 verzeichnete im vergangenen Jahr ihre größten Zuwächse auf innersibirischen Strecken. Zwischen Nowosibirsk und Pewek stieg das Passagieraufkommen um das Neunfache, auch die Ziele Gorno-Altaisk, Barnaul, Anadyr und Nadym legten dreistellig zu.

Selbst Vielflieger und Russlandkenner dürften zumindest mit einigen dieser Namen leicht überfordert sein, geschweige denn sie ohne Weiteres auf der Karte verorten können. Aber die Zeiten, in denen sich alles mehr oder weniger Relevante im russischen Luftverkehr in Moskau abspielte, sind offenbar vorbei.

S7, hervorgegangen aus der Fluggesellschaft Sibir mit Sitz in Nowosibirsk, berichtete noch im vorigen Herbst, am Drehkreuz Nowosibirsk mittlerweile etwa genauso viel zu verdienen wie in Moskau-Domodedowo. Dort prägten die grünen Flieger der Airline bisher das Bild.

Mehr als 400 Beschäftigte von Neuausrichtung betroffen

Doch nun will S7 etwa 15 Prozent seines Personals in Moskau abbauen und sich stattdessen stärker auf seine Standorte Nowosibirsk und Irkutsk fokussieren. Nach Medienberichten sind 250 Flugbegleiter und 160 Piloten betroffen. Angestrebt wird offenbar ihre Weiterbeschäftigung an den sibirischen Drehkreuzen, sofern die Bereitschaft zum Umzug besteht. Ansonsten soll das Unternehmen auch einem Wechsel der Mitarbeiter zu anderen Fluggesellschaften nicht im Wege stehen, heißt es.

Hintergrund des Vorgehens ist zum einen die wachsende Bedeutung des Regionalverkehrs. 2022 wurde erstmals die Hälfte aller Inlandsflüge unter Umgehung von Moskau abge­wickelt. Gleichzeitig verlor Moskau auch wegen der Sperrung des EU-Luftraums für russische Flugzeuge erheblich an Bedeutung: Nicht nur brach damit der Auslandsverkehr insgesamt ein, auch der Transit zwischen Europa und Asien fiel weg.

Passagierminus in Domodedowo und Wnukowo

Das schlägt sich in den Bilanzen der Moskauer Flughäfen Domodedowo und Wnukowo deutlich nieder. Während Scheremetjewo seine Vormachtstellung dank der Aero­flot-Gruppe verteidigt und für das vergangene Jahr ein Plus von 29  Prozent beim Passagieraufkommen gegenüber 2022 meldete, stand für Domodedowo ein Rückgang um 6  Prozent und für Wnukowo von 11  Prozent zu Buche. Damit schob sich der St. Petersburger Flughafen Pulkowo (+12 %) erstmals auf Platz zwei in Russland vor. Nowosibirsk (+20 %) liegt auf Rang 6, Irkutsk (+44 %) auf Rang 12.

S7 profitiert einerseits von den Entwicklungen auf dem russischen Markt, wird andererseits aber auch ausgebremst. Die Fluggesellschaft betreibt derzeit 95 Flugzeuge mit einem Durchschnittsalter von 10,3 Jahren, alle stammen sie aus westlicher Produktion. Die 39 Airbus A320 und A321 sind mit Triebwerken des US-Herstellers Pratt & Whitney bestückt. Wegen der Sanktionen können sie im Fall des Falles nicht repariert werden, weder in Russland noch im „befreundeten Ausland“.

„Zeit, nach Hause zu kommen“

S7 habe deshalb diesen Winter 13 Maschinen am Boden lassen müssen, hieß es in russischen Medien. Im Mittelpunkt der Personalkürzung beziehungsweise -umverteilung stehen insofern die Crews, die bisher Airbus geflogen haben. Sämtliche Flugzeuge des Typs Embraer E170, des kleinsten Jets in der Flotte, wurden schon nach Sibirien verlegt. „Es wird Zeit für uns, nach Hause zu kommen, nach Nowosibirsk“, sagte S7-Miteigentümerin Tatjana Filewa im vorigen Jahr.

Tino Künzel

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