Russlanddeutsch digital

Jugendgruppen verschiedener russlanddeutscher Organisationen trafen sich auf der Nordseeinsel, um ihrer Zusammenarbeit frische Impulse zu geben. Die bunte Liste an Ideen für neue Projekte zeigte ein gemeinsames Leitmotiv.

Junge Russlanddeutsche entwickeln Ideen für die Zukunft.

An der Küste weht ein starker Wind. Der 17-jährige Mischa Fris ist ein wenig verlegen, wenn er Russisch spricht. Die Windböen sind zudem versucht, seine Worte davonzutragen. Zuerst fällt nichts weiter auf, doch der kaum merkliche Akzent verrät, dass er aus Deutschland stammt. Wie oft in solchen Fällen, klingt es sehr charmant. Er erzählt, dass er schon immer nach Russland reisen wollte.

Mischas Familie ist aus Nowosibirsk nach Essen gezogen. „Sein“ Russland – das waren bisher Treffen mit Russlanddeutschen, die aus verschiedenen Teilen Russlands zu Seminaren und Foren nach Deutschland kommen. Seine Freunde und er nehmen jedes Jahr an solchen Veranstaltungen teil. „Wir hören die gleiche Musik, wir haben den gleichen Humor“, so Mischa.

Neue Impulse für Jugendprojekte

Er ist nach Sylt gekommen, um gemeinsam mit anderen die Partnerschaft zwischen russlanddeutschen Organisationen aus Russland und Deutschland weiterzuentwickeln. Diese besteht seit 2007, doch sie braucht neue Impulse.

Teilnehmer sind der Internationale Verband der deutschen Kultur (IVDK), der Jugendring der Russlanddeutschen (JdR), der Jugendund Studentenring der Deutschen aus Russland (JSDR) und die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Die Idee ist, dass die Jugendlichen selbst ein konkretes Szenario für gemeinsame Aktivitäten entwickeln.

Der Impuls zur Förderung von Jugendprojekten geht auf die jüngste Städtepartnerschaftskonferenz in Düren und den Petersburger Dialog zurück. Die Abkühlung der politischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland brachte eine Verschiebung der Prioritäten mit sich, Russland verschwand aus dem deutschen Blickfeld. Die Partnerschaft lebt von früheren Anstrengungen: Seit vielen Jahren hört man die Namen einflussreicher Persönlichkeiten der älteren Generation. Von den Jüngeren ist bislang wenig zu vernehmen.

„Meiner Meinung nach wurde für unsere Partnerschaft in jüngerer Zeit wenig Neues geschaffen. Die deutsche Sprache wird aus unseren Schulen entfernt. Alle Politiker sagen, dass die Russlanddeutschen die Brücken zwischen Russland und Deutschland sind. Wenn wir diese Brücken bauen, kommt uns eine besondere Rolle zu,“ sagt Olga Martens, erste stellvertretende Vorsitzende des IVDK über die Bedeutung des Jugendtreffens.

Alle Wege führen ins Netz

Diese Rolle gewinnt auf Sylt in Brainstormings Konturen. Die jungen Menschen sind eingeladen, in neun Bereichen mitzuwirken: wissenschaftliche Forschung über die Kultur, Geschichte und Literatur der Russlanddeutschen, Jugendunternehmertum, generationenübergreifender Dialog im sozialen Bereich, Medien und Kommunikation, digitale Technologien (Digitalisierung des kulturgeschichtlichen Erbes der Russlanddeutschen), Gesundheit und Sport, eine Zukunftswerkstatt, der Bau eines deutsch-russischen Hauses sowie ein offenes „eigenes Thema“.

Bei der Präsentation haben fast alle Arbeitsgruppen Projekte im Online-Format vorgeschlagen: ein soziales Netzwerk, in dem sich Russlanddeutsche austauschen und kennenlernen können, ein Informationskanal auf YouTube, eine komfortable Version des RusDeutsch-Portals für das Smartphone, die Erweiterung der Kampagne „Lauf für den JdR“ mit Hightech-Anwendungen für Läufer, die Puls, Tempo und Distanz anzeigen. Auch die vorgeschlagenen Offline-Projekte haben eine Fortsetzung im Netz.

Ethnische Kultur und moderner Stil

So kann beispielsweise das Trainingslager für Russlanddeutsche zu einem ganzjährigen Non-Stop-Wettbewerb in Form von von Video-Challenges werden. Egal wie man sich wendet, alle Wege führen ins Netz. Es besteht Nachfrage nach online verfügbarer russlanddeutscher Literatur, nach digitalisierten historischen Dokumenten, nach Online-Konferenzen und Webinaren. Die jungen Menschen wollen all das auf dem Smartphone haben, das für sie ein selbstverständlicher Begleiter im Alltag ist.

Ein weiterer Aspekt, der sich in den Präsentationen deutlich zeigt, ist die Notwendigkeit, ethnische Kultur und modernen Stil zu verbinden. Junge Russlanddeutsche wollen Waren entwickeln – Kleidung und Produkte mit eigenen Symbolen. Sie sind daran interessiert, die Geschichte der Volkstracht zu studieren und ihre Elemente in ihr Aussehen einzubeziehen.

Es scheint, als bestünden die wichtigsten Bedürfnisse der russlanddeutschen Jugend darin, sich rund um die Uhr über aktuelle Ereignisse zu informieren, bequeme Online-Tools zu nutzen und sich für ihre eigene Geschichte und Kultur zu engagieren. Zumindest sieht es im August dieses Jahres auf Sylt so aus. Nun geht es an die Umsetzung.

Anastassija Buschujewa

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