Russland-Experte Rahr legt ersten Thriller vor

Die Prophezeiungen des Nostradamus, eine Familiengeschichte zwischen Ost und West und ein entschlüsselter Präsident: In „2054 – Putin decodiert“ begibt sich Alexander Rahr auf eine literarische Spurensuche nach Russlands Zukunft. Die MDZ hat ihn dazu befragt.

In seinem Roman hat Alexander Rahr auch die Geschichte seines Vaters verarbeitet. /Foto: Alexander Rahr

Herr Rahr, nach neun Sachbüchern überraschen Sie mit einem Roman. Wie kam es dazu?

Ich hatte Lust auf was Neues und wollte mir die Freiheit gönnen, einfach aus der Seele rauszuschreiben und Dinge zu machen, die ich bisher nicht machen konnte. Ich war ja früher in einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut tätig und da hätte es nicht so gut ausgesehen, wenn ich einen Thriller geschrieben hätte. Die Leute hätten mich wahrscheinlich nicht ernst genommen.

Der Titel klingt mysteriös: Warum wird Putin erst 2054 decodiert und was erfährt der Leser dabei?

Ich habe zwei Erzählstränge eingebaut: Im Hauptteil beschreibe ich das Russland, welches nach dem Kommunismus wiedererstanden ist, mit seinen ganzen Facetten. Von den 90er Jahren, als es mit dem Westen eng kooperierte über die völlige Entfremdung bis hin zum zweiten Kalten Krieg. Ich vergleiche diese kurze Epoche aber auch mit der Zeit vor 500 Jahren, als Russland nach dem Abschütteln des tatarischen Jochs (Anmerk. d. Red.: Ab Mitte des 13. Jhds. wurde Russland über 200 Jahre von mongolischen Feudalherren beherrscht) in derselben Situation war, und der Versuch im Westen anzukommen, scheiterte. Ich versuche zu zeigen, wie Russland immer Teil eines anderen Europas gewesen ist, mal eine Verbindung zu Westeuropa fand – und dann diese Verbindung wieder riss. Warum das so ist, versuche ich zu klären, durch eine Handlung, die im Jahr 1554 beginnt. Der rote Faden wird erst nach 500 Jahren entworren, nämlich im Jahre 2054. Deshalb ist das Datum so gewählt worden.

Sie greifen auch auf mystische Elemente wie die Weissagungen des Nostradamus zurück. Warum?

Um die Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden! Ich musste eine Klammer finden, um einen Erzählstrang aufzubauen, der über 500 Jahre eine gewisse Logik bekommt. Mein Ziel war es nicht, Nostradamus zu heroisieren oder seine Weissagungen zu entziffern. Sie spielen in meinem Buch eine sekundäre Rolle. Aber sie helfen, die verschiedenen Zeitspannen miteinander zu verbinden.

Was sagen Sie Kritikern, denen das dennoch zu esoterisch ist?

Zu Nostradamus kann ich nur eins sagen: Das ist eine Figur, die sehr polarisiert. Ich habe aber eine bestimmte Erinnerung an ihn und die geht zurück in die 80er Jahre. Damals war Gorbatschow an der Macht und die Welt war im Umbruch. Da haben wir uns an der Münchener Uni mit einem Professor bekannte Prophezeiungen – unter anderem auch von Nostradamus – einfach so aus Jux und Tollerei angeschaut. Da habe ich das erste Mal gelesen, dass er das Ende der Sowjetunion auch vorausgesehen hat. Beim Schreiben habe ich mich daran erinnert. Deshalb ist Nostradamus in dem Buch aufgetaucht.

Ihr Vater – der exilrussische Journalist Gleb Rahr – ist als Person im Buch zu erkennen. Wie viel Familie steckt in der Geschichte?

Natürlich ist ein großer Teil der Familiengeschichte drin. Figuren wie mein Großvater und Vater stehen für eine ganze Generation sehr aktiver und engagierter Politemigranten. Im Kalten Krieg waren sie sehr wichtige und willkommene Gesprächspartner westlicher Regierungen und Geheimdienste. Die mischten mit! Die wollten ein Russland frei vom Kommunismus. Ich beschreibe das, um nachher den großen Sprung zu machen, in das Jahr 1991. Viele Menschen, die zuvor die Sowjetunion bekämpft hatten, waren nicht zufrieden mit
dem Russland, das in den 90er Jahren und Nuller Jahren erschien – und nicht zur Demokratie fand. Ich versuche, Personen gegeneinander zu stellen, die dieses Russland begrüßten oder ablehnten.

In den vergangenen Jahren ist es ruhiger um Sie in den deutschen Medien geworden. Warum?

Bei uns ist die Medienlandschaft – und ich sage das mit Bedauern – sehr polarisiert und ideologisiert. Es gibt nur ein Narrativ. Man muss auf der Seite der guten, richtigen, westlichen Werte stehen. Wenn man auch nur anfängt, mal aus russischer Sicht zu argumentieren, und sagt, dass in Russland andere, konservative Werte herrschen, wird man dämonisiert. Für mich ist das fragwürdig. Ich glaube, man sollte Ländern, die nicht diesen westlichen demokratischen Weg gehen, anders begegnen. Ich stehe jedoch weiter dazu, bin da aber leider ziemlich oft auf einsamem Posten.

Bleiben Sie der Roman-Form auch weiterhin treu?

Das muss der Leser entscheiden! Ich bin da absolut offen. Ich möchte nicht pathetisch klingen, aber wenn er mein Buch interessant findet, werde ich mich um eine Fortsetzung bemühen.

Das Gespräch führte Birger Schütz.

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