Russische Narrative: Weltanschauliches in fünf Zitaten

Noch nie hat die Welt so fragend nach Russland geblickt wie in diesen Zeiten. Die Antworten zu den Motiven der russischen Politik mögen das Ausland ratlos zurücklassen, aber sie zielen ohnehin vor allem auf die eigene Bevölkerung ab und finden dort zweifellos großen Anklang. Auch die nachfolgenden Zitate vom Dezember 2022 stehen für Narrative, wie sie in Russland weit verbreitet sind.

Soldat mit Georgsband und Z auf dem Ärmel: Heldenbildnis in Moskau (Foto: Tino Künzel)

„Entweder wir oder sie“

Was die Frage betrifft, wie das alles enden wird. Ich bin in der Tat zutiefst überzeugt, dass wir Kiew nehmen werden. Nicht befreien. Wir befreien den Donbass. Alles andere werden wir nehmen, wie wir Wien, Berlin und Budapest genommen haben. Das können wir nicht unseren Kindern, unseren Enkeln überlassen. Wenn wir jetzt haltmachen, dann werden wir an unseren westlichen Grenzen ein kolossales, mit Hass und Waffen gespicktes Potenzial haben, das die bloße Tatsache unserer Existenz in Zweifel zieht. Deshalb – entweder wir oder sie.

Mir kam die Idee eines russisch-ukrainischen Krieges früher auch verrückt vor. Ich habe gelacht und Freunden, die davon redeten, gesagt, dass sie Idioten sind. Aber wenn wir uns nun schon auf diesen Kampf eingelassen haben, dann müssen wir ihn auch zu Ende bringen. Deshalb spreche ich von Kiew, wo ich seinerzeit gewohnt habe, als ich in die erste Klasse ging, diese Stadt kenne ich gut. Mit 19 waren meine Frau und ich dort auf Hochzeitsreise. Ich liebe diese Stadt, aber ich werde sie nehmen.

Der frühere Vizepremier und Chef der Weltraumagentur Roskosmos Dmitri Rogosin in der Youtube-Talkshow „Vollkontakt“ des TV-Moderators Wladimir Solowjow

„Keine solche Möglichkeit, sonst …“

Wenn es eine Möglichkeit gäbe, Russland zu zerstören, dann würden sie sie sofort ergreifen.

Wenn es eine Möglichkeit gäbe, alles Öl, Gas, Gold, alle Edelsteine, das gesamte Trinkwasser und überhaupt alles Mögliche auf der Welt in ihren Besitz zu bringen, dann würden sie sie sofort ergreifen.

Wenn es eine Möglichkeit gäbe, die Herrschaft über das Universum zu übernehmen, dann würden sie sie sofort ergreifen.

Nur gibt es zum Glück keine solche Möglichkeit. Sonst würden sie das alles sofort in Angriff nehmen.

Außenamtssprecherin Maria Sacharowa auf Telegram zur Aussage von Karine Jean-Pierre, der Pressesprecherin des Weißen Hauses, man befürworte den Ausschluss Russlands aus dem UN-Sicherheitsrat, sehe aber keine Möglichkeit zur Umsetzung eines solchen Schritts

„Die Ukraine ist ein Teil von uns“

Die (Liberalen) wollen nichts sehen und nichts hören. Ich sage ihnen, wenn ihr mir nicht glaubt, dann fahrt doch selbst dorthin und macht euch euer eigenes Bild. Ich zum Beispiel bin damals in Afgha­nistan gewesen, als man uns bei internationalen Festivals nicht mal die Hand geben wollte. Also habe ich mir selbst angeschaut, was das für ein Krieg ist und wofür. Und jetzt genauso. Ich war vor Ort und ich bin absolut überzeugt davon, dass wir im Recht sind.

Ich bin mir sicher, dass wir siegen werden, weil wir die Wahrheit sagen können. Verstehen Sie, ich bin frei, weil ich die Wahrheit sage. Ich habe Beweise. Sie sind in meinem Telefon, ich habe das mit eigenen Augen gesehen. Ich bin ein Zeitzeuge. Das macht unsere Kraft aus. Dabei genieren wir uns noch, wollen niemanden kränken, niemanden einschränken in seiner Meinungsfreiheit. Bei uns in Russland herrscht eine solche Demokratie, eine solche Toleranz, dass es an der Zeit wäre, damit Schluss zu machen.

Diese Leute (die Russland vorwerfen, die Ukraine überfallen zu haben), betrachten die Ukraine als ein fremdes Land. So als hätten wir Frankreich angegriffen. Doch die Ukraine ist ein Teil von uns. Dort leben Russen, und nicht etwa nur im Donbass, sondern überall. Odessa ist eine russische Stadt, Charkow ist eine russische Stadt. Für mich, für meine Generation stellt sich die Frage überhaupt nicht. Das ist ein Teil unserer Geschichte, unseres Landes. Für die neue Generation mag die Grenze existieren, für uns nicht.

Ich verstehe Putin, der bis zum Letzten gezögert hat, um diese Operation nicht zu beginnen. Und ich glaube, dass auch er nicht mit so einer langen Sonderoperation gerechnet hat. Alle dachten, dass das eine Polizeioperation wird. Keiner hat erwartet, dass 50 Länder – Europa, Australien und Amerika, Kanada – schwere Waffen liefern. Das war eine unangenehme Überraschung für uns. Aber wir sind gestählt. Von den 1000 Jahren unserer Geschichte waren wir 700 Jahre lang in Kriege verwickelt. Wir haben viel Erfahrung bei der Überwindung solcher Invasionen, vom Livländischen Orden bis zu faschistischen Regimen.

Ich wünsche mir, dass die heutige ukrainische Führung kapituliert. Dass alle Faschisten zu ihresgleichen nach Polen verschwinden. Und dass alle gutwilligen Menschen in der Ukraine bleiben und wir gemeinsam mit ihnen die Wunden heilen, sowohl die körperlichen als auch die geistigen. Wir würden mit ihnen eine gemeinsame Sprache finden.

Die Schauspielerin Jelena Drapeko, seit dem Jahr 2000 Abgeordnete der Staatsduma, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei „Gerechtes Russland – Für die Wahrheit“ und Vizechefin des Kulturkomitees, in einem Youtube-Interview

„Wir haben viele Helden“

Helden sind bereit, sich für ihr Vaterland zu opfern, indem sie hilfsbedürftige Menschen beschützen. Wir haben viele Helden in Großbuchstaben. Sie machen uns stolz. Sie sind in unseren Gedanken. Wir eifern ihnen nach. Im faden, vor intellektuellem Verfall ausgetickten Europa und in den dollargefetteten, aber dementen USA gibt es solche nicht mehr. Deshalb sind wir stärker. Deshalb werden wir siegen.

Dmitri Medwedew, von 2008 bis 2012 russischer Präsident und heute stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrats, auf Telegram am „Tag der Helden des Vaterlandes“

„Keiner mag uns – egal“

Wir sind an einer Station namens Konfrontation angekommen. Im kollektiven Westen mag uns keiner und will uns keiner mögen. Aber das kann uns egal sein.

Kremlsprecher Dmitri Peskow auf die Frage eines TV-Korrespondenten, in welche Richtung sich Russland bewege

Zusammengestellt von Tino Künzel

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