Putins Plan platzt

Zwischen Realität und Erwartungen: Bis 2020 sollte die russische Wirtschaft mit einem anspruchsvollen Konzept modernisiert und die Bürger am Wohlstand beteiligt werden. Doch das Vorhaben lässt sich so nicht halten.

Am Schwächeln: Die russische Wirtschaft wächst langsamer als geplant. /Foto: ekonomri.ru

Die Armut halbieren, kräftige wirtschaftliche Zuwächse, Investitionen in Bildung und Gesundheit: Die Ziele, die sich Moskau mit der „Konzeption der sozioökonomischen Entwicklung Russlands bis 2020“ setzte, klangen anspruchsvoll. Innerhalb von zwölf Jahren sollte die Ökonomie des Riesenlandes umgekrempelt werden und die Bürger vom Fortschritt profitieren.

Optimismus aus einem anderen Jahrzehnt

Doch zum Ende des Jahres läuft die Frist aus – und Russland wird an den meisten selbst gesetzten Zielen vorbeischrammen. Dies zeigt eine aktuelle Untersuchung der Wirtschaftszeitung „RBK“. Das auch als Putins Plan bekannt gewordene Konzept wurde 2008 in einem völlig anderen wirtschaftlichen Umfeld verabschiedet. Jährliche Zuwachsraten von sieben Prozent waren die Regel, von Sanktionen noch keine Rede. Auch nach der Weltfinanzkrise 2008 rechnete das Wirtschaftsministerium noch mit einer Rückkehr zu starkem Wachstum. „Es war ein optimistisches Konzept, das von der Geschichte des vorangegangenen Jahrzehntes ausging“, verdeutlicht Natalija Orlowa, Chefökonomin der russischen Alfa-Bank im Gespräch mit „RBK“. Bis 2010 wollte Russland unter die Top 5 der stärksten Volkswirtschaften vorstoßen. Dafür ging man von jährlichen Zuwächsen von rund 6,5  Prozent aus. Mit den Gewinnen sollte die rohstoffabhängige Wirtschaft zu einem konkurrenzfähigen Modell mit Innovationen und Hightech umgebaut werden. Davon hätte vor allem die Bevölkerung profitiert. Der Putin-Plan sah ein Wachsen der Einkommen um bis zu 72 Prozent bis zum Jahr 2020 vor. Damit verbunden: eine Halbierung der Armutsquote auf rund sechs Prozent und mehr Wohnungen. Zudem wollten die Planer mehr ins Humankapital investieren: So sollten beispielsweise jeweils bis zu sechs Prozent des BIP in Bildung und Gesundheit gesteckt werden.

Der lange Schatten der Weltfinanzkrise

Es kam anders: Russland blieb bei fast allen Parametern hinter den Vorgaben zurück. Grund dafür seien vor allem die Nachwirkungen der Weltfinanzkrise 2008, sind sich Experten einig. „Vor dem Hintergrund der Krise und der Sanktionen hat sich die Situation völlig verändert“, erklärt Jekaterina Trofimowa, Chefin der Russland- und GUS-Abteilung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte gegenüber „RBK“. „Objektiv gesehen, war es wenig wahrscheinlich, den Plan umzusetzen.“ Allerdings seien die westlichen Sanktionen nach der Krim-Krise nur zum Teil schuld an der Entwicklung und wirkten sich mit einem Minus von höchstens 0,3 Prozent aus. Die größte Fehleinschätzung betrifft die Konjunktur. So wird das real verfügbare Bruttoinlands­produkt in der Zeit zwischen 2008 und 2020 – anders als vorgesehen – nur um rund sechs Prozent steigen. Ursprünglich waren bis zu 66 Prozent vorgesehen. Auch die real verfügbaren Einkommen wuchsen nicht um die prognostizierten 72 Prozent – sondern sinken seit der Ukraine-Krise. Noch kritischer sieht es bei der Bekämpfung der Armut aus: Mit gegenwärtig 12,7 Prozent liegt die Armutsquote um nur 0,7 Prozentpunkte niedriger als im Jahr 2007. Auch beim Humankapital blieb Russland hinter den Vorgaben zurück. Statt den vorgesehenen sechs Prozent werden nur 3,7 Prozent des BIP in die Bildung investiert. Bei der Gesundheit sind es statt 5,5 nur 2,9 Prozent.
Präsident Wladimir Putin hat angesichts des sich abzeichnenden Scheiterns die meisten Vorgaben bereits in „Nationale Projekte“ überführt, die gezielt Schlüsselbereiche bis 2024 fördern. Dass diese Zeitspanne genügt, bezweifeln Kritiker.

Birger Schütz

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