Putin ruft Weltmächte 75 Jahre nach Jalta zu neuem Gipfel auf

Vor 75 Jahren beschlossen die Alliierten auf der Krim-Konferenz im Badeort Jalta die Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Kremlchef Wladimir Putin würde gern - wie einst Stalin - die Weltmächte zu einem Gipfel zusammenbringen. Eine wichtige Zusage hat er schon.

Seit 2015 erinnert das Denkmal von Surab Zereteli an die Konferenz von 1945. (Foto: Alexander Iwanow/ wikicommons)

Im Liwadija-Palast in Jalta auf der Halbinsel Krim ist die Erinnerung an das wichtigste Treffen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen Hitler bis heute lebendig. Exponate in den Sälen erzählen davon, wie Sowjetdiktator Josef Stalin, US-Präsident Theodore Roosevelt und Großbritanniens Premier Winston Churchill vor 75 Jahren in dem Schwarzmeer-Kurort die Nachkriegsordnung festlegten. Eine neue Weltordnung mit den UN und dem Weltsicherheitsrat, der Entnazifizierung und Aufteilung Deutschlands. Eine riesige Skulptur erinnert an das Treffen vom 4. bis 11. Februar 1945, das in die Geschichte als die Krim-Konferenz von Jalta einging.

Das Monument mit Churchill, Roosevelt und Stalin erinnert an das weltberühmte Foto der Jalta-Konferenz. Es sollte hier eigentlich nie stehen. Die Ukraine weigerte sich einst, die Arbeit des russisch-georgischen Künstlers Surab Zereteli aufzustellen. Aber nach der russischen Annexion der Krim 2014 fand das Denkmal doch Platz auf dem Gelände des Palasts, der einst der Zarenfamilie als Sommerresidenz diente.

Russland unterstreicht seine Befreierrolle

Zum 75. Jahrestag der Jalta-Konferenz hat Russland bisher geheime Dokumente und Fotos zu dem Weltereignis freigeben. Sie geben Einblicke vor allem in die Organisation, den Ablauf und in Sicherheitsfragen des Treffens. Zu sehen ist die Ausstellung aber für kaum jemanden. Seit die EU und die USA Russland wegen der Annexion mit Sanktionen bestraft haben und die Ukraine vor Reisen auf die Halbinsel warnt, ist westliches Publikum hier rar geworden.

Russland nutzt den Jahrestag der Jalta-Konferenz, um an die Rolle der Sowjetunion bei der Befreiung Europas vom Faschismus zu erinnern. Damals hatte die Rote Armee gerade das Konzentrationslager Auschwitz befreit, als die Alliierten in Jalta das Kriegsende vorbereiteten. Am 9. Mai will Kremlchef Wladimir Putin den Sieg der Sowjetunion über Hitler in Moskau mit der größten Militärparade der russischen Geschichte begehen – mit Staats- und Regierungschefs aus aller Welt.

„In Jalta wurde der Grundstein für die Entnazifizierung Deutschlands, für die Reparationen und vor allem für eine neue Weltordnung nach dem Krieg gelegt, die bis heute nachwirkt“, sagt der Forscher Matthias Uhl am Deutschen Historischen Institut in Moskau. Stalin habe vorausschauend darauf bestanden, dass die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats – neben der damaligen Sowjetunion, heute Russland, den USA und Großbritannien sind das Frankreich und China – ein Vetorecht haben bei großen Entscheidungen.

Geschickter Schachzug Putins

Vor allem China und Russland machen davon immer wieder Gebrauch, um Vorstöße des Westens zu stoppen. Putin hält nun die Zeit reif dafür, angesichts der Vielzahl internationaler Probleme die Weltmächte erneut zu einem großen Gipfel an einem Tisch zu bringen. Mit dem Vorschlag überraschte er die Weltöffentlichkeit, als er beim Holocaust-Gedenken im Januar in Yad Vashem in Israel auftrat. Dort wurde der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedacht.

Inzwischen hat Putin nach Kremlangaben die Einladungen an die vier Atommächte mit Vetorecht im Sicherheitsrat verschickt – und wartet auf Zusagen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron befürwortete den Gipfel prompt. Auch auf China kann sich Russland verlassen. Offen ist aber, wie US-Präsident Donald Trump und Großbritanniens Premier Boris Johnson den Vorschlag aufnehmen. In westlichen Diplomatenkreisen ist jedenfalls von einem geschickten Schachzug Putins die Rede. Es sei schwierig, das einfach ins Leere laufen zu lassen – angesichts der Vielzahl von Krisen.

Putin sieht sein Land mit Blick auch auf die Rolle Russlands in den Kriegen in Syrien und Libyen längst wieder als feste Macht auf der Weltbühne. Ein Gipfel der Fünf soll diesen Anspruch festigen – und womöglich auch neue atomare Abrüstungsinitiativen anstoßen, nachdem Verträge zwischen Moskau und Washington aus dem Kalten Krieg einer nach dem anderen aufgelöst werden.

Russland will die mutipolare Welt

Die Initiative Putins für ein „neues Jalta“ solle Spielregeln festlegen für die internationale Politik und Globalisierung, schreibt der Moskauer Politologe Dmitri Jewstafjew in dem Expertenportal Eurasia.Expert. Russland sehe, dass „die Grundlagen des internationalen Rechts und des Systems der internationalen Beziehungen zerstört werden“. Das Land wolle daher als „Großmacht“ den Prozess hin zu einer multipolaren Welt aktiv mitgestalten.

Historiker Uhl hält ein solches Format der Weltmächte an einem Tisch für ein überholtes Modell aus dem 20. Jahrhundert. „Es ist kaum vorstellbar, dass so etwas heute noch funktioniert. Wenn es um große Atommächte geht, müsste auch Indien mit dabei sein. Und es gibt ja andere Gruppen wie die G20, die internationale Fragen lösen sollen“, sagt Uhl. Sicher sei aber, dass ein Tagungsort Jalta nicht machbar sei – wegen der Krim-Annexion. „Und auch eine Befreier-Rolle Russlands gibt es heute nicht mehr.“

Ulf Mauder (dpa)

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