Per Netz zum Buch

Sie war fasziniert von den packenden Lebensgeschichten: In ihrem Roman „Die Stille bei Neu-Landau“ erzählt die russlanddeutsche Schriftstellerin Katharina Martin-Virolainen über das tragische Schicksal der sogenannten Schwarzmeerdeutschen. Das Geld für das Buch hat sie in einer Crowdfunding-Kampagne im Internet selbst gesammelt.

Katharina Martin-Virolainen /Foto: Ksenia Soldatenko

Dass am Schwarzen Meer in der Ukraine bis Ende der 1940er Jahre auch Deutsche gelebt haben, ist vielen eher unbekannt. Wie kamen Sie auf die Idee zu einem Buch über die Schwarzmeerdeutschen?

Ich habe vor ein paar Jahren angefangen, im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit Lebensgeschichten von Russlanddeutschen zu sammeln. Da ist bisher schon so einiges zusammengekommen und manche Sachen packen einen einfach so sehr, dass man sich da ziemlich reinsteigert. Eine Lebensgeschichte einer Familie von Schwarzmeerdeutschen hat mich dabei besonders mitgenommen. Das war eine der krassesten Geschichten, die ich je gehört habe – eigentlich wirklich hollywoodreif. Die Familie hatte mir aber verboten, diese Geschichte für eine damalige Ausstellung zu verwenden. Aber mich hat sie einfach nicht losgelassen. Und ich dachte mir: Irgendwas muss man damit machen. In der Literatur ist man ja so frei, dass man das so umformen kann, dass nicht mehr nachverfolgbar ist, wem das eigentlich passiert ist.

Wie kamen die Deutschen überhaupt an die Ufer des Schwarzen Meeres?

Katharina die Große wollte das große russische Reich besiedeln und hat 1763 ein Manifest erlassen und Europäer ins Land eingeladen. Es sind aber überwiegend Deutsche gekommen. Und von denen haben sich auch welche um Odessa und auf der Krim angesiedelt. Diese wurden im Zweiten Weltkrieg dann von der deutschen Wehrmacht nach Deutschland gebracht oder vom Sowjetregime deportiert. Sie durften auch nicht zurückkehren. Einige wenige kamen zwar dennoch wieder, als der Krieg vorbei war. Heute gibt es aber keine deutschen Siedlungen mehr.

Während viele russlanddeutsche Autoren über fehlende staatliche Unterstützung klagen, haben Sie für Ihr Buch 5000 Euro durch eine Crowdfunding-Kampagne gesammelt. Wieso?

Genau aus diesem Grund: Es gibt kein Geld. Und ich wollte die Geschichte unbedingt machen und habe mich gefragt: Wie gehe ich das an? Normalerweise hätte ich das Manuskript, wenn es fertig ist, bei einem Verlag eingereicht. Die kucken sich das an, ob es passt oder nicht. Das kann klappen oder auch nicht und man muss schon mal drei bis fünf Jahre warten. Irgendwelche Förderung gibt es nicht. Und da ich selbst schon mal zwei Crowdfunding-Projekte unterstützt hatte dachte ich: Warum nicht? Verlieren kann ich nichts. Ich kann es versuchen.

Wie sind Sie vorgegangen?

Ich hab mir erst mal angeschaut, wie man so was überhaupt macht, habe mein Vorhaben auf einer Internetseite beschrieben, ein kleines Video dazu gemacht und hab das dann einfach mal rausgehauen.
Außerdem haben Sie auch auf Facebook aktiv die Werbetrommel gerührt. Was haben Sie noch getan, um Aufmerksamkeit zu erregen?

Ganz wichtig war der persönliche Kontakt. Ich habe gezielt Leute angeschrieben, mich ausgetauscht, jede Nachricht beantwortet und mit vielen Menschen telefoniert und geskyped. Ich wollte jeden mitnehmen.

Sehr geholfen hat auch, dass meine Facebook-Beiträge weitergeteilt wurden. Außerdem habe ich zwei Leseproben angekündigt. Die kamen dann bei 1000 Euro und bei 2000 Euro. Damit die Leute, die vielleicht ein bisschen skeptisch sind, mal reinlesen können und sehen können, ob ihnen gefällt, was ich schreibe.

Welche Reaktionen gab es auf Ihr Projekt?

Ich habe viel Unterstützung und Rückmeldungen bekommen. Nicht nur aus Deutschland – sondern auch aus Russland und Amerika. Das hat mich sehr gefreut und gepuscht, dass ich das jetzt auch wirklich durchziehen muss. Generell war es sehr aufwendig. Ich musste viel Aufklärungsarbeit leisten, damit die Leute verstehen, wofür das Geld verwendet wird. Gerade Ältere wussten oft überhaupt nicht, was Crowdfunding ist. Dabei war gerade bei Ihnen die Bereitschaft groß, mich zu unterstützen. Eine Oma wollte mir sogar Geld in einem Briefumschlag schicken. Durchschnittlich haben die Leute 25 Euro gespendet – es gab aber auch mal 500 Euro als Freibetrag.

Das Gespräch führte Birger Schütz.

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