Auf Ihrer Webseite schreiben Sie, dass für Sie „als Tochter von Russlanddeutschen die Überwindung der deutschen Teilung nicht nur ein Meilenstein deutscher Geschichte ist, sondern auch ein Teil der Geschichte Ihrer Familie“. Wie wichtig ist es für Sie, dass Ihre Eltern Russlanddeutsche sind?
Es spielt für mich eine sehr große Rolle, selbst in meiner Arbeit. Als Sozialpolitikerin habe ich mich in den letzten Jahren insbesondere um den Härtefallfonds für Spätaussiedler bemüht. Ich weiß sehr genau aus vielen Gesprächen, wie wichtig die Bekämpfung der Altersarmut für die Russlanddeutschen ist und wie wenig die SPD-geführte Bundesregierung die Anliegen der Russlanddeutschen beachtet hat. Meine russlanddeutschen Wurzeln sind für mich ein sehr bedeutender weiterer Ansporn, hier aktiv zu werden.
Sehen Sie sich selbst als Russlanddeutsche?
Meine Eltern sind Russlanddeutsche und ich bin in der russlanddeutschen Gemeinschaft aufgewachsen. Dieser Teil meines Lebens und meiner Familiengeschichte ist für mich sehr wichtig und hat mich sehr stark geprägt.
Vy govorite po-russki? [Sprechen Sie Russisch?]
Da, koneschno! [Ja, sicher!]
Wer waren Ihre Eltern, die die Sowjetunion in Richtung DDR noch vor der Massenumsiedlung verließen?
Mein Vater hat in der Sowjetunion als Journalist bei einer deutschsprachigen Zeitung gearbeitet. Damit hatten es meine Eltern nicht leicht und sie entschieden sich, die UdSSR in Richtung DDR zu verlassen.
Durch die Wand
Und dann ging es für Ihre Eltern in die BRD. Warum?
Weil meinen Eltern sehr schnell klar wurde, dass die DDR auch ein Unrechtsstaat war. Sie wollten, dass ihre Kinder in Freiheit aufwachsen können.
Um auf Ihre zitierte Aussage zurückzukommen: Glauben Sie, dass Deutschland die Teilung des Landes überwunden hat?
In den vergangenen 34 Jahren haben wir in Deutschland sehr große Fortschritte bei der Überwindung der Teilung gemacht. Gerade hier in Berlin merken wir, dass wir eine geeinte Stadt sind. Und oft liegen die Unterschiede mehr zwischen der Innenstadt und dem Stadtrand als zwischen ehemaligem Osten und Westen.
Klar ist aber auch, dass wir bei der Vollendung der Einheit noch nicht da sind, wo wir hinwollen. Oft habe ich das Gefühl, dass es immer noch an Verständnis zwischen den Lebensgeschichten von Ost und West mangelt. Das ist eine Frage von Bildung, aber auch weiterhin gezielter Politik, die darauf ausgerichtet ist, die Teilung zu überwinden.
Wenn es eine Familieneigenschaft ist, Hindernisse zu überschreiten und Mauern niederzureißen, welche Mauern würden Sie gerne durchbrechen?
Von meiner Familie habe ich erfahren, was man mit Einsatz und harter Arbeit erreichen kann. Und im Laufe meines Lebens konnte ich damit so manche Mauer überwinden, die sich mir in den Weg gestellt hat, in meiner Ausbildung, aber auch ganz konkret in der Politik. In meiner Arbeit als Abgeordnete habe ich vor allem mit sozialpolitischen Themen zu tun. Hier ist mir insbesondere das Thema Chancengerechtigkeit und der Einsatz gegen Kinderarmut sehr wichtig. Hier sind noch verschiedene Mauern zu durchbrechen.
Weg in die Politik
Wie kam es dazu, dass Sie sich entschieden haben, Politikerin zu werden?
Ich war schon immer sehr an Politik interessiert. Der Auslöser, der mich auch zum politischen Engagement brachte, war der „Fall Lisa“ vor einigen Jahren. Dort konnte man sehen, welche gravierenden Effekte Desinformation haben kann und wie die AfD diese Geschichte genutzt hat, um ihre Lügengeschichten zu verbreiten. Das wollte ich nicht akzeptieren und entschloss mich, in die CDU einzutreten. 2020 wurde ich gefragt, ob ich für den Deutschen Bundestag kandidieren möchte. Diese einmalige Gelegenheit habe ich mir nicht entgehen lassen.
In Russland sagt man: Es ist ein schlechter Soldat, der kein General sein will. Was sind Ihre Ambitionen in der Politik?
Meine Ambition ist es, dass ich eine gute Abgeordnete bin und die Interessen der Wählerinnen und Wähler vertrete. Ich will eine Anwältin der Menschen in meinem Wahlkreis und darüber hinaus sein. Das ist für mich bereits die höchste Würde, die man in einer Demokratie erreichen kann.
Stimmen Sie der allgemeinen Aussage zu, die in den deutschen Medien zu finden ist, dass Spätaussiedler apolitische Menschen sind, die für Propaganda empfänglich sind?
Es stimmt, dass Russlanddeutsche im Schnitt leider seltener ihr Wahlrecht gebrauchen als der Bundesdurchschnitt. Ich würde aber vehement widersprechen, dass Spätaussiedler apolitische Menschen sind. Meine Erfahrung ist, dass auch unter Russlanddeutschen ein hohes Interesse an verschiedenen politischen Themen besteht.
Wir brauchen aber definitiv mehr Russlanddeutsche, die sich auch politisch engagieren. Aktuell haben gerade einmal drei Bundestagsabgeordnete einen russlanddeutschen Hintergrund. Das muss noch deutlich mehr werden. Fast fünf Millionen Menschen in Deutschland haben russlanddeutsche Wurzeln. Natürlich hat die Politik die Aufgabe, ihre Themen, ihre Sorgen und Wünsche zu beachten. Das sehe ich auch als Teil meiner Arbeit an.
Sicherheit als Ziel
Auf Ihrer Webseite werden drei Hauptthemen für Sie als Politikerin hervorgehoben. Eines davon ist die Sicherheit in Europa. Es ist klar, dass die CDU bald viel mehr Hebel in der Hand haben wird, um die Politik zu bestimmen. Wofür sollten diese Möglichkeiten Ihrer Meinung nach genutzt werden?
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wissen wir, dass Sicherheit und Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit mehr sind. Gemeinsam mit unseren Partnern stehen wir in der Verantwortung, dass in Europa nicht mehr das Recht des Stärkeren gilt. Das bedeutet für uns auch, dass wir mehr für unsere Sicherheit tun müssen. Hier ist die Devise: Deutschland muss kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.
Viele Menschen, sowohl in Russland als auch in Deutschland, haben den Glauben daran verloren, dass sich die Dinge in absehbarer Zeit zum Besseren wenden können. Glauben Sie an einen Wandel zum Besseren?
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit einem Regierungswechsel unter Führung der CDU die Verhältnisse in Deutschland deutlich verbessern können. Denn wir brauchen einen Politikwechsel, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Migration und in der inneren und äußeren Sicherheit. Wenn wir die Wahl gewinnen, werden wir diesen Politikwechsel starten. Klar ist aber auch: Wir werden diesen Politikwechsel auch beginnen müssen. Deutschland verträgt keine weiteren Jahre des politischen Stillstands.
Das Interview führte Olga Martens.