Neue patriotische Erziehung

Die Erziehung an Russlands Schulen soll patriotischer werden, schlägt der Bildungsminister vor. Dafür erhält er viel Zustimmung, Einige Regionen wollen nun auch den Lokalpatriotismus stärken.

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Stechschritt mit Flagge in einer Schule in Sotschi (Foto: Nina Sotina/ RIA Novosti)

Als der chinesische Basketballspieler Yao Ming einst nach seinem amerikanischen Lieblingslied gefragt wurde, antworte er: „die Nationalhymne“. Schließlich wird die vor jedem Spiel in den USA gespielt. Vom Patriotismus in den USA begeistert, schlug der ehemalige Bildungsminister und heutige Präsidentenberater Wladimir Medinskij vor, das Erziehungssystem aus den Staaten in Russland zu übernehmen. Von der Regierung wurde Medinskij für nicht zuständig erklärt, die Idee, den Patriotismus in Schulen voranzutreiben, fand aber Gefallen. „Mit Blick auf die aktuellen historischen Ereignisse und globale Bedrohungen, mit denen unser Land konfrontiert ist, erhält die Erziehung der heranwachsenden Generation strategische Bedeutung und wird zum Garant der nationalen Sicherheit“, sagte der aktuelle Bildungsminister Sergej Krawzow Mitte April.

Hymne am Wochenanfang

Wie genau Krawzow sich die neue Erziehung vorstellt, verkündete er ein paar Tage später. Ab dem kommenden Schuljahr, das am 1. September losgeht, soll jeden Montag die Flagge gehisst und die Hymne gesungen werden. Für den Vorschlag erhielt Krawzow viel Zuspruch. „Ja, das ist sehr richtig und notwendig. Es muss aber mit Würde gemacht werden“, sagte Präsident Wladimir Putin und unterstrich, dass die Prozedur der Bedeutung von Flagge und Hymne gerecht werden muss.

Außerdem sollen sich die Schüler demnächst jedes Jahr mit den Staatssymbolen auseinandersetzen. Nach dem Unterricht plant Krawzow sogenannte „Gespräche über das Wichtige“, bei denen Lehrer den Schülern „über grundlegende aktuelle Ereignisse“ berichten sollen. Das mache man, damit die Kinder „im Informationskrieg nicht allein gelassen“ werden. Der Bildungsminister hat zudem die Gründung neuer Kindervereinigungen im Sinn. Kinder, „die in verschiedenen Bereichen erfolgreich sind“, sollen in Fahnengruppen, einer Art Elitegruppe, vereint werden. Es sei sehr wichtig, die nützliche Erfahrung der eigenen Vergangenheit zu nutzen, betonte Krawzow.

Kritik am Geschichtsunterricht

Die Vergangenheit hat es dem Bildungsminister besonders angetan. Einer der Kernpunkte der neuen patriotischen Erziehung ist der Geschichtsunterricht ab der ersten Klasse. „Wir unternehmen alles, damit das historische Gedächtnis erhalten bleibt“, heißt das im Sprech von Krawzow. Dabei gibt es durchaus Zweifel, dass das so funktionieren kann. „Der Unterricht wird sehr primitiv sein. Selbst in der Sowjetunion hat der Geschichtsunterricht in der vierten und nicht in der ersten Klasse begonnen. In der dritten Klasse kamen noch ein paar Erzählungen über Helden wie Alexander Newski und Dmitrij Donskoi im Lesekurs hinzu. Aber doch nicht in der ersten Klasse, wenn die Kinder erst Lesen lernen!

Und wer wird das machen? Geschichtslehrer können mit so jungen Schülern nicht arbeiten, das ist ein anderes Fachgebiet. Grundschullehrer sind gelinde gesagt keine Geschichtskenner. Noch eine Frage: Als Ersatz wofür? Man kann die Kinder nicht noch mehr fordern, sie sind bereits überlastet. Hier geht es nur um eine frühe ideologische Indoktrination. Der Effekt wird sehr klein sein, das ist der Aufwand nicht wert,“ kritisiert ein Moskauer Geschichtslehrer beim Bildungsportal „Mel“ die Pläne.

Während der Geschichtsunterricht noch überarbeitet werden muss, ist man mit dem Singen schon weiter. Schon im April hissten die ersten Schulen die russische Trikolore und stimmten die Hymne an. Zeitgleich meldeten mehrere Republiken eigene Ansprüche an. In Baschkirien und Tatarstan will man auch die eigenen Hymnen erklingen lassen. „Wenn in der Republik die russische Hymne gespielt wird, muss danach die tatarische folgen“, sagte Rkail Sajdullin, Mitglied des Komitees für Bildung, Wissenschaft und Kultur des tatarischen Staatsrats der „Iswestija“.
Jetzt sind erst einmal die Flaggen- und Wappenhersteller gefragt. Bis 2024 müssen sie die landesweit 33 000 Schulen mit Russlands staatlichen Attributen versorgen.

Daniel Säwert

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