Mit Gott gegen Darwin

Dass sich Evolutionstheorie und Schöpfungslehre schlecht vertragen, führt Anhänger von klaren Verhältnissen immer wieder in Versuchung, Verbote der einen oder anderen Art zu fordern. Das jüngste Beispiel dafür kommt aus Russland. Was hier ins Visier gerät, liegt in Zeiten „traditioneller Werte“ auf der Hand.

Naturforscher von Weltrang: der Brite Charles Darwin (1809-1882). 1859 erschien sein Buch „Die Entstehung der Arten“. (Foto: Wikimedia Commons)

Muslim Chutschijew ist nicht der bekannteste Name in der russischen Politik, aber auch kein unbeschriebenes Blatt. Der 53-jährige Tschetschene assistiert seit dem Frühjahr Premier Michail Mischustin in regionalen Fragen. Davor war der frühere Bürgermeister von Grosny sechs Jahre Regierungschef von Tschetschenien.

Jetzt dürfte Chutschijew seinen Bekanntheitsgrad auf einen Schlag gesteigert haben, indem er etwas sagte, das man so nicht alle Tage hört. Auf der ersten Zusammenkunft des „Gesamtrussischen Elternkomitees“ sprach er sich dafür aus, Darwins Evolutionstheorie aus dem schulischen Lehrplan zu verbannen. Mit diesem Anliegen wandte er sich an Bildungsminister Sergej Krawzow.

„Das weiß jeder“

Seinen Vorstoß begründete Chutschijew damit, dass die Evolutionstheorie falsch sei, „das weiß jeder“. Sie stehe im Widerspruch zur Religion und zur religiösen Erziehung und sei der „erste Schritt zur geistigen Zersetzung der Kinder“.

Dem Politiker zur Seite sprang Konstantin Malofejew, dem der Internet-TV-Kanal „Zargrad“ gehört. Der Kanal nennt sich „konservativ“, wird aber oft aber auch als „nationalistisch“ und „ultrarechts“ bezeichnet. Mit den Worten des Unternehmers und Milliardärs steht das russische Bildungssystem vor der Wahl, was Fünftklässler glauben sollen – „dass sie Gottes Ebenbild sind oder Primaten mit aufrechtem Gang“. Wohin Letzteres führe, könne man am „verrückt gewordenen Westen“ sehen. „Wenn wir keine solche Zukunft für unsere Kinder wollen, dann  ist es an der Zeit, das Schulprogramm zu ändern“, so Malofejew.

„Von Anfang an unmoralisch“

Auch von der Russisch-Orthodoxen Kirche kam erwartungsgemäß Unterstützung. Fjodor Lukjanow, Vorsitzender der Patriarchenkommission für Familie, Mutterschaftsschutz und Kindheit, sagte RIA Nowosti, Darwins Evolutionstheorie führe Kinder in die Irre. Sie sei „von Anfang an unmoralisch“, weil sie die Menschheit zu „Waisen“ mache und in ihr die Existenz eines Schöpfers des Universums nicht vorgesehen sei.

Auch nicht fehlen durfte bei dem Thema die Stimme des Abgeordneten Witali Milonow, der für „Einiges Russland“ in der Staatsduma sitzt. Gegenüber „Ostoroschno Media“ erklärte er, Russen, Belarussen, Russlands Freunde und Verbündete seien ganz gewiss Gottesgeschöpfe. Er „teile“ aber die Meinung von Darwin zumindest in Bezug auf einige andere Völker: „Polen, Esten und Letten stammen sicher von Makaken, Affen und Regenwürmern ab.“

„Einfach Fakten“

Der russische Biologe Alexander Pantschin nennt die Diskussion derweil „Blödsinn“. Der Online-Zeitung „Podjom“ sagte er, wissenschaftliche Erkenntnisse könnten ja wohl kaum eine „geistige Zersetzung“ bewirken. „Das wäre genauso, als würde man behaupten, das Gravitationsgesetz sorge für geistige Zersetzung, oder die Gleichung 2+2=4. Das sind doch einfach Fakten jenseits eines vernünftigen Zweifels.“ Werde der Darwinismus aus den Schulbüchern entfernt, dann seien „alternativen Theorien“ Tür und Tor geöffnet. „Zum Beispiel könnte man erzählen, dass Krankheiten dadurch entstehen, dass wir nicht genug gebetet haben.“

Laut Verfassung ist Russland ein säkularer Staat, in dem Staat und Kirche getrennt sind. Doch in den letzten Jahren wird die Orthodoxie zunehmend als Staatsreligion begriffen und der Einfluss der Kirche wächst.

Tino Künzel

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