Mehr Respekt für den russischen Staat bitte!

Wer sich für Russlands Staat einsetzt, wird bestenfalls als gehirngewaschen, in der Regel aber als hinterhältig und manipulativ vorgestellt. Wer sich auch dabei ertappt, ist von unserem Autor eingeladen, sich seiner "mentalen Dehnübung" anzuschließen.

Karl Wilhelm Diefenbach Per aspera ad astra

Detail aus dem Fries „Per aspera ad astra” des deutschen Ur-Hippies Karl W. Diefenbach (1851-1913).

Einen verkürzten Muskel sollte man dehnen, mit einer Bewegung des Körpers, die ihrerseits eine Übertreibung darstellt und nicht lange ausgehalten wird. Das Folgende ist so eine Dehnung der krampfhaften Missachtung des russischen Staats.

Das Symptom: Der anrüchige Staat

Dass er kein gesundes Verhältnis zum russischen Staat hat, bemerkte der Verfasser dieser Zeilen im Gespräch mit einem Redakteur eines der staatlich gesponserten russischen Auslandsmedien. Er ertappte sich dabei, dem intelligenten jungen Mann zu versichern, dass er auf dessen Arbeit im Interesse des Staats nicht herab­blicke: „Kein Grund, sich dafür zu schämen“. Dergleichen würde er niemals gesagt haben, wenn es sich bei dem Staat zum Beispiel um Deutschland handelte oder wenn es um die Arbeit für ein profit­orientiertes Unternehmen ginge. In dieser auf den ersten Blick harmlosen Episode wird ein Misstrauen speziell gegen den russischen Staat sichtbar, das nachdenklich macht.

Jenes „Kein Grund, sich dafür zu schämen“ offenbart nämlich die Wirksamkeit der fortdauernden Diskreditierung von allem und jedem, der mit dem russischen Staat in einem Boot sitzt. Sie versteckt sich ja keineswegs: Der russische Staat wird gerne als nicht legitim und sogar als verbrecherisch dargestellt, als Privatsache von Präsident Putin und seinen Freunden. In dieser Perspektive erhält alles Russisch-Staatliche einen anrüchigen Anstrich: Nach innen scheint er nur noch zu Repressionen fähig, nach Außen nur zu Aggressionen. Diese negative Aura greift auf die Diener speziell dieses Staates über: Polizisten sollen gierig und eine Bedrohung sein, Richter willenlose Vollstrecker und Beamte insgesamt korrupt. Wer sich für diesen Staat einsetzt, wird bestenfalls als gehirngewaschen, in der Regel aber als hinterhältig und manipulativ vorgestellt. Wer meint, dass diese Kampagne gegen die russische Staatlichkeit zu offensichtlich und er selbst dagegen immun ist, sollte bei sich auf Momente wie jenes „Kein Grund, sich dafür zu schämen“ achten und sich die Diagnose stellen: Ich werde in meinem Urteil dem russischen Staat nicht gerecht.

Therapie: Unauslöschlich und siegreich

Ein Staat kann aber nicht anrüchig sein, höchstens einzelne Entscheidungen seiner Diener. Um den abhandengekommenen Respekt vor dem russischen Staat zu kompensieren und diese mentale Verkürzung zu dehnen, sollte man sich seine Großartigkeit vor Augen halten.

Russlands Staat hält den größten Teil Eurasiens und über hundert Völker zusammen, mit einer gemeinsamen Sprache, Währung und Gesetzbarkeit. Er dient auch der gesamten Menschheit, indem er sich um große Teile ihres Planeten kümmert, auf denen wegen des harschen Klimas keine eigene Staatlichkeit entstehen kann. Ein gesamtrussischer Staat ist daher mindestens für unser Eurasien, das ohne ihn im Chaos versinken würde, ein Segen.

Der russische Staat ist das schlechthin Unauslöschliche. Keine politische Struktur von globaler Bedeutung hat so schwere Krisen und Metamorphosen überstanden wie die staatliche Macht, die Russland zusammenhält. Und der russische Staat ist durch seine Geschichte auf das Siegen verpflichtet. Zu unfassbar sind die Opfer, die er sich in seinen Krisen hat erbringen lassen – eine Niederlage wäre für diesen Staat ein Frevel gegen die eigene Geschichte. Dieser Staat ist weit mehr als die Vertretung seiner Bürger. Unauslöschlich und siegreich, ist er das wahre Subjekt der russischen Geschichte. Er steht nicht nur über seinen Bürgern, sondern auch über der Politik, dem Kreml und jedem Präsidenten. Sie alle sind nicht seine Herren, sondern seine Knechte. Unauslöschlich und siegreich fordert er alles von ihnen, damit sie nicht als diejenigen in die Geschichte eingehen, die diesen russischen Gott auf Erden an die Wand gefahren und befleckt haben   – vor allem verbietet er ihnen waghalsige Entscheidungen und kriegerische Abenteuer, den hitlerdeutschen Wahnsinn, alles auf eine Karte zu setzen und mit dem Untergang zu spielen. Das Wesen des unauslöschlichen und siegreichen russischen Staats ist konservativ. Im ganz Großen und Ganzen kann man ihm daher vertrauen.

Wieso sollte es also ein Grund zum Schämen sein, sich für die Interessen des russischen Staats einzusetzen? Nach dieser mentalen Dehnübung fragt man sich in der Tat: Ja, wieso eigentlich?

Bojan Krstulovic

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