Lockere Daumenschrauben

Es scheint, als könne man in Russland schnell mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Und wer vor Gericht steht, den erwarten oft hohe Strafen. Denn die Gesetzgebung ist sehr streng und die Justiz zumeist unnachgiebig. Doch es gibt auch Fälle, in denen mögliche Strafen herabgesetzt werden.

Gesetz

Russische Richter gelten als unnachgiebig. © Alexej Danitschew/ RIA Novosti

Drogenbesitz

Bei Drogen kennen russische Gerichte kaum ein Pardon. Über 15 000 Menschen sind allein 2017 wegen Drogenbesitzes zu Haftstrafen verurteilt worden. In den ersten fünf Monaten 2018 kamen 6000 weitere hinzu. Verurteilt wurden all diese Menschen nach Artikel 228 des Strafgesetzbuches, der den Erwerb und den Besitz von Drogen in großen Mengen ohne das Ziel des Weiterverkaufs regelt. Große Mengen sind in Russland aktuell 100 Gramm Marihuana, 25 Gramm Haschisch und fünf Gramm Kokain. Darauf steht laut aktueller Rechtsprechung eine Haftstrafe von drei bis zehn Jahren.

Im Oktober 2018 reichte die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung Tatjana Moskalkowa einen Gesetzesvorschlag ein, der  nicht nur die Senkung der Haftstrafen auf zwei bis fünf Jahre vorsieht, sondern auch mehr Möglichkeiten einräumt, die Haftstrafe auszusetzen, damit sich die Betroffenen in Therapie begeben können. In der Erklärung des Entwurfes heißt es, dass die aktuelle Gesetzgebung lediglich dazu führe, dass die Polizei eine hohe Erfolgsquote im Kampf gegen die Drogen vorweisen könne, das eigentliche Problem, die Verbreitung, aber nicht bekämpft würde. Das scheint auch das Innenministerium verstanden zu haben. Denn zur Überraschung vieler stimmte es Moskalkowas Entwurf zu.

Seit Anfang Februar tagt nun eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Innenministeriums, des Inlandsgeheimdienstes FSB und der Generalstaatsanwaltschaft. Diese prominente Besetzung ist für russische Experten ein Zeichen, dass das Vorhaben tatsächlich umgesetzt wird.

Likes und Kommentare

Wie gefährlich ein Kommentar, ein Like oder das Teilen eines Bildes im Internet sein können, mussten viele Russen in den vergangenen Jahren am eigenen Leib erfahren. Denn damals rollte eine Welle von Gerichtsverfahren durch das Land, die Menschen nach dem Artikel 282 des Strafgesetzbuches (Aufruf zu Hass und Erniedrigung der Menschenwürde, auch bekannt als „Extremismus“-Artikel) verurteilte. Den Betroffenen erhielten teilweise Gefängnisstrafen zwischen zwei und drei Jahren.

Nachdem Aufmerksamkeit und Kritik in der Öffentlichkeit immer größer wurden, reagierten Kreml und die Duma. Entkriminalisiert sind Likes und Kommentare zwar nicht, aber der Strafbestand wurde Ende 2018 vom Strafgesetzbuch in das Ordnungswidrigkeitsgesetzbuch herabgestuft. Und das sogar rückwirkend. Konkret bedeutet dies, dass Betroffenen bei der ersten Anklage nur noch Strafen zwischen 10 000 (135 Euro) und 20 000 Rubel  (270 Euro) anstatt 300 000 bis 500 000 Rubel (4000 bis 6700 Euro) drohen. Auch die mögliche Gefängnisstrafe beträgt statt der ursprünglichen zwei bis fünf Jahre nur noch 15 Tage. Duma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin versuchte den Schwenk zu rechtfertigen, indem er darauf hinwies, dass die Gesetzgebung im Online-Bereich noch sehr jung sei und man aus der richterlichen Praxis lerne.

Schmiergelder

Wer in Russland ein Geschäft machen will, erreicht dies oft nur mit Schmiergeld. Im Korruptionsindex von Transparency International belegte das Land 2018 den unrühmlichen 138. Platz. Umso erstaunlicher erscheint es, dass im Jahr 2015 die Mindeststrafen für die Zahlung und die Annahme von Bestechungsgeldern (Artikel 290 und 291 des Strafgesetzbuches) bedeutend herabgesetzt wurden. Wer seitdem maximal 25 000 Rubel (340 Euro) animmt, muss nur noch eine Strafe in der zehnfachen Höhe der angenommen Summe zahlen. Zuvor musste man das 25-Fache aufbringen. Auch der Zahlende kommt besser weg. Statt der 15-fachen Summe wird von ihm nur noch die fünffache verlangt. Entgegenkommen zeigt der Staat seit 2015 bei der Frist der freiwilligen Zahlung. Die wurde nämlich von 30 auf 60 Tage verlängert.

Die „Rossijskaja Gaseta“ sprach damals davon, dass die Gesetzesänderung nicht als Zugehen auf die Schmiergeldzahler zu verstehen sei, sondern der Justiz mehr Zeit geben solle, um die Strafen einzutreiben. Auch der Vertreter des Präsidenten in der Duma Garri Minch begründete den Schritt mit der Ineffektivät der Strafeintreibung. So sei nur jede dritte Strafe vollstreckt worden. Das Problem der Korruption wurde indes nicht angegangen. Im weltweiten Vergleich ist Russland seitdem sogar zurückgefallen.

Daniel Säwert

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