
Sie sind ausdauernd, leise und vergleichsweise günstig in Anschaffung und Betrieb. Kampfdrohnen sind für viele Militärs seit Jahren das Mittel, wenn es darum geht, gezielte Luftanschläge auszuführen. Zuletzt mussten die Armenier im Krieg um Berg-Karabach erkennen, dass die unbemannten Flugobjekte die Waffe der Stunde und wohl auch der Zukunft sind. Viele Experten gehen davon aus, dass Aserbaidschan vor allem dank des Einsatzes türkischer Bayraktar-Drohnen von Armeniern besetzte Gebiete zurückerobern konnte.
In Moskau wurde der aserbaidschanisch-türkische Erfolg durchaus als Warnsignal wahrgenommen. Stammt doch die unterlegene armenische Luftabwehr aus russischer Produktion. Und mehr noch. Seit 2019 besitzt auch die Ukraine Bayraktar-Drohnen, mit denen sie den Separatisten im Osten des Landes etwas entgegensetzen möchte. Damit es aus russischer Sicht nicht dazu kommt, haben die Militärs bereits reagiert und die Luftabwehr mit dem hochmodernen System Panzir-SM verbessert. Dieses soll Objekte wie Drohnen viel genauer erkennen als seine Vorgänger. Die Armenier mussten sich noch mit einer Luftabwehr aus sowjetischer Produktion verteidigen.
Drohnenrevolution verschlafen
In demselben Maße wie Russland seine Luftabwehr gegen moderne Waffen auf Vordermann bringt, hinkt es bei der Entwicklung von Kampfdrohnen hinterher. Dabei wurden bereits in der Sowjetunion unbemannte Flugobjekte konstruiert und auch eingesetzt. Doch während insbesondere die USA und Israel die Technik weiterverfolgten, verlor man in Moskau das Interesse an der Waffe der Zukunft. „Russlands Militärs haben genau wie die politische Elite erfolgreich die Drohnenrevolution verschlafen und sind sich unerwartet Ende der 2000er der Bedeutung des Systems bewusst geworden“, erklärt Denis Fedutinow, Chefredakteur des Magazins „Bespilotnaja awiazija“ beim Nachrichtenportal „Gazeta.ru“. Erst spät hat das russische Militär eigene Drohnenprogramme angestoßen, dafür gleich fast ein Dutzend.
Dennoch: In Sachen militärische Drohnen spielt Russland nicht in der ersten Liga. Zwar besitzt die Armee bereits hunderte Flugkörper, doch dabei handelt es sich fast ausschließlich um Aufklärungsdrohnen wie dem „Arbeitspferd“ Orlan-10. Die gerade mal 1,80 Meter lange und 3,10 Meter breite Drohne kann dafür Kriegseinsätze vorweisen – in Syrien und vor Kurzem auch auf armenischer Seite in Berg-Karabach.
Mittlere und schwere Drohnen fehlen
Was fehlt, sind indes mittlere und schwere sowie strategische Aufklärungsdrohnen, weist Konstantin Makienko, stellvertretender Direktor des Zentrums für Analyse von Strategien und Technologien bei „Gazeta.ru“ auf das Hauptproblem der Luft- und Weltraumkräfte hin. Ende August konnte schließlich der Hersteller Kronstadt auf der Militärschau Armija-2020 eine Einigung mit dem Verteidigungsministerium über die Lieferung von Orion-Drohnen verkünden. Diese sollen sowohl aufklären, als auch Bomben abwerfen können. Bereits im Oktober wurden die ersten drei Exemplare übergeben. Mit 1000 Kilogramm Abfluggewicht und einer Bombenlast von 200 Kilogramm ist die Orion aktuell das größte unbemannte Fluggerät der russischen Streitkräfte.
Die Beschaffung hat jedoch einen Haken. Denn noch werden weder die Motoren noch die dazugehörigen Bomben in Serie hergestellt. Da es in Russland schlicht an Erfahrung fehlt, solch kleine Antriebe zu bauen, laufen die ersten Orion mit österreichischen Motoren. In einem Interview mit „Bespilotnaja awiazija“ erklärt Lew Finkelberg vom Baranow-Institut für Flugmotorenbau das Problem. In den 1990ern habe es keine Nachfrage nach derlei Motoren gegeben, weshalb das Wissen nach und nach verloren ging. Nach jetzigen Stand könne man in drei bis vier Jahren mit einem russischen Produkt rechnen, so Finkelberg.
Staatliche Forschung bringt kaum Ergebnisse
Auffallend ist, dass in Russland bisher ausschließlich private Drohnen-Konstruktionen erfolgreich waren. Durch die Projekte des Verteidigungsministeriums zieht sich hingegen eine Spur von Rückschlägen und Skandalen. Die Entwicklung der bis zu fünf Tonnen schweren Altair-Drohne beispielsweise derart nach hinten los, dass das beauftragte Unternehmen in Kasan die Produktion nach Jekaterinburg verlegen und die Unternehmensspitze vor Gericht erscheinen musste.
Seit Jahren tüftelt auch Suchoi an einer Drohne. Mit der Erfahrung aus dem Bau von Kampfjets versprechen die Konstrukteure, eine der größten, schnellsten und am besten getarnten Flugobjekte herzustellen. In zwei Jahren soll die 20 Tonnen schwere S-70 „Ochotnik“ in Serie gehen. Ob es so weit kommt, kann niemand sagen. Denn angesichts der jahrelangen Verzögerungen dürfe man sich bei den Fristen nicht selbst belügen, warnt Fedutinow.
Daniel Säwert