Seit dem Wahlkampf des neuen US-Präsidenten Donald Trump sind sie in aller Munde, auch in Russland: die virtuellen Politiker, also die zunehmenden Aktivitäten von Beamten, Diplomaten und Regierenden im Internet und den Sozialen Netzwerken. Aber: Als noch vor dem 8. November 2016 das große Stirnrunzeln darüber begann, wieso denn nun dieser Trump seine Wahlsprüche zuerst twitterte, noch bevor er sie irgendwo offiziell aussprach, da war dasselbe Vorgehen für einige Politiker in Russland schon Gang und Gäbe, wenigstens für Einzelne. Und diese Einzelnen teilten sich dann auch die einzelnen Netzwerke relativ gleichmäßig untereinander auf.
Best of russisch Social Media
So wird die russlandweite Twitter-Bestenliste der Politiker beständig von Premier Dmitrij Medwedew angeführt. Er berichtet in dem Kurznachrichtendienst vor allem über Regierungssitzungen, Feiertage, aber postet auch regelmäßig Blümchen, Pilze oder Urlaubserinnerungen. Dabei folgen seinem russischen Profil schon allein knapp 5,5 Millionen Nutzer.
С праздником весны, дорогие женщины! Счастья и любви! https://t.co/IAOXO4SsW8 pic.twitter.com/wGytXQhMMq
— Дмитрий Медведев (@MedvedevRussia) March 8, 2017
Zuletzt war er mit Präsident Putin auf einem Arktis-Gletscher – auch davon ist ein Schnappschuss zu sehen:
Вместе с Владимиром Путиным побывали сегодня на Земле Франца-Иосифа pic.twitter.com/IA0YbWkke7
— Дмитрий Медведев (@MedvedevRussia) March 29, 2017
Hier feierte er in Krasnojarsk den Studententag:
Всем студентам веселого праздника! https://t.co/rrEZpdqMQf pic.twitter.com/LXsks1MUtY
— Дмитрий Медведев (@MedvedevRussia) January 25, 2017
Die Facebook-Hitliste führt die Pressesprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, an. Ihren Text- und Foto-Beiträgen über aktuelle Ereignisse, Diskurse oder auch Einzelheiten ihrer ständigen Dienstreisen folgen rund 330 000 Accounts.
Hier will sie Blümchen und Geschenkchen von Serbiens Außenminister erhalten haben:
А ещё думаю: зачем мне Министр иностранных дел Сербии прислал на днях шерстяные митенки, весна же? А тут вон она чем обернулась в Москве – метель. Дачич молодец, как чувствовал )))
Опубликовано Марией Захаровой 31 марта 2017 г.
Hier werden Diskussionen geführt oder eine schmachtende Verehrung der Blondine zelebriert.Was sie manchmal gar selbst provoziert:
Такого оригинального и неожиданного признания в любви у меня ещё не было. Тайный поклонник, спасибо! До слез! ❤️😘😹
Опубликовано Марией Захаровой 29 марта 2017 г.
Sie stellt mit ihrem Profil – augenscheinlich gewollt – ein unterhaltsames Gegengewicht dar zu den komplizierten diplomatischen Aufgaben ihres Chefs Sergej Lawrow.
Hier postete sie ein Bild von Lawrows Geburtstagsparty – auf Dienstreise:
День рождения С.Лавров отмечает в отличной компании и на высоте )))
Опубликовано Марией Захаровой 21 марта 2017 г.
Das Oberhaupt der russischen Kaukasus-Republik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, ist der Star von Instagram unter den russischen Politikern.
Er postet regelmäßig Fotos und vor allem Videos, in denen er sich neben Soldaten der örtlichen Spezialeinheiten als starker Führer im Kampf gegen Terroristen oder mit seinen Töchtern als stolzer Papa inszeniert.
Von seinem Profil gibt es sogar eine englische Version. Insgesamt erreicht er damit um die drei Millionen Benutzer.
Oppositioneller Bart
Aber: Noch viel aktiver sind natürlich die Oppositionellen. Allein Alexey Nawalnys You-Tube-Kanal hat schon 8,5 Millionen Zuschauer.
Zuletzt sorgte der russlandweit bekannte Urban-Blogger Warlamow mit einer Meldung für Furore, dass der beliebte Satire-Twitter-Account „Usy Peskowa“ („Peskows Bart“), ohne das seinem Publikum mitgeteilt zu haben, den Besitzer gewechselt habe. „Peskows Bart“ hat bislang immer betont kremlkritisch, aber mit humoristischen Spitzen die aktuellen Nachrichten kommentiert. Nun habe sich, so Warlamow, deren Format hin zu PR für einzelne Politiker entwickelt. Er weist auch darauf hin, dass hinter solchen Internet-Accounts mittlerweile auch viel Geld steckt. Und natürlich Einfluss und damit Macht. Und das haben auch die großen Parteien erkannt.
Kopfweh, geh‘ offline!
Und doch ist es ein einheitliches Konzept, das Russland hier noch zu fehlen scheint. Allein die Frage, ob diese Accounts privat oder öffentlich geführt werden, ist nicht immer klar. Nahezu wöchentlich folgt eine Gesetzesinitiative zum Social-Media-Verhalten der russischen Staatsdiener auf die nächste. Seit Jahren werden Stimmen laut, wenigstens Beamten und Politikern die Nutzung ausländischer Netzwerke zu untersagen. Bislang ohne Folgen.
Im Januar hieß es, dass sich Staatsdiener für ihre Online-Aktivitäten rechtfertigen sollten. Laut dem Arbeitsministerium soll ab 1. April. Nun titelten russische Zeitungen, die Regierungspartei „Einiges Russland“ wolle online aktiver werden. Zuletzt zitierte Duma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin etwa 30 Abgeordnete ein, die in Blogs oder Netzwerken präsent sind. Seine Message: Seid aktiv im Netz! Aber „verantwortungsbewusst“ mit sensiblen Informationen.
Peggy Lohse