Kinder und Kirche statt Kriegshandlungen

Die Liste der Spitzenreiter an den Kinokassen in Russland für das Wochenende vom 6. bis 9. Juni gibt eine Antwort auf die Frage nach den Vorlieben des russischen Publikums.

Filme „Major Grom: Das Spiel“, „Neposluschniki“ sowie „Manjunja“: Spitzenreiter an den Kinokassen in Russland Anfang Juni.
(Foto: Trailer „Neposluschniki“)

Ein gutes Bild und, wo nötig, eine beeindruckende Computergrafik sind noch lange keine Garantie für den Erfolg beim Publikum. So haben zum Beispiel viele patriotische Filme trotz anständiger Budgets keine großen Kasseneinnahmen erzielt. Der Film „Rufzeichen ‚Passagier‘“ beispielsweise, der dem Krieg im Donbass gewidmet ist, spielte an seinem ersten Wochenende im März 57 Millionen Rubel (etwa 600.000 Euro) ein, was einige Filmkritiker als Misserfolg bezeichneten. Im Vergleich dazu erzielte der Superheldenfilm „Major Grom: Das Spiel“, der auf russischen Comics basiert, an seinem ersten Wochenende ein Einspielergebnis von 163 Millionen Rubel (fast 1.716.000 Euro).

Filme mit Vorgeschichte kommen beim Publikum immer gut an

Anfang Juni gehörte „Major Grom: Das Spiel“ zusammen mit „Neposluschniki“ (ein Wortspiel: dieser Titel setzt sich aus den Wörtern neposluschnyje (Widerspenstige) und posluschnik (Novize) zusammen) und „Manjunja: Abenteuer in Moskau“ zu den drei umsatzstärksten Filmen in den russischen Kinos. Dieser Erfolg beim Publikum ist sehr aufschlussreich und völlig vorhersehbar.

Manjunja
Glückliche Kindheit zu den Sowjetzeiten. Suene aus „Manjunja“
(Foto: Yellow, Black and White)

Alle drei Filme haben ihre Vorgeschichte. Das ist etwas Bewährtes und Vertrautes, das die russischen Zuschauer gerne mögen. Wer das tolle autobiografische Buch von Narine Abgaryan über ihre Kindheit nicht gelesen hat, muss die Fernsehserie „Manjunja“ oder den Film 2023 über die Neujahrsabenteuer dieses Mädchens gesehen haben. Dasselbe gilt für „Major Grom“: sehr populäre Comics, dann ein erfolgreicher Film 2021 und ein Film 2023 über die Kindheit des Protagonisten. Ebenso ist die Geschichte von „Neposluschniki“ dem Zuschauer vertraut. Im Jahr 2022 kamen gleich zwei Filme dieser Reihe in die Kinos, und in diesem Jahr beschlossen die Produzenten, diesen Erfolg zu festigen. Sie haben ihr Ziel nicht verfehlt.

Das Thema zählt

Diese Filme treffen auch thematisch ins Schwarze. Zum Beispiel das Interesse an der sowjetischen Vergangenheit. Wenn es um schwierige Zeiten geht (Krieg, Nachkriegszeit, Rückkehr zu einem friedlichen und ruhigen Leben), ist immer Platz für Heldentum. Wenn die späte Sowjetzeit Thema ist, geht es bei vielen Menschen um deren eigene unbeschwerte Kindheit oder die ihrer Eltern. „Manjunja“ ist eine Hymne an eine solche Kindheit. Gleichzeitig ist es ein sehr lustiger und freundlicher Film. Eine echte Familienkomödie.

Major Grom
Major Grom mit seinen Kollegen ist immer bereit, die Stadt zu retten.
(Foto: Central Partnership)

Es ist an der Zeit, Filme über die Umerziehung von Bloggern, die die Grenzen des Erlaubten überschritten, und Banditen in den Mauern des Klosters, in einer separaten Kategorie zuzuordnen. Wenn früher der wichtigste positive Held der russischen Filme und TV-Serien oft ein Mann in Uniform mit Epauletten war, müssen jetzt Militärs, Polizeibeamte und Mitarbeiter von Spezialdiensten einen ernsthaften Wettbewerb mit einem Mann in einer Soutane aushalten. In diesem Sinne ist die Popularität von „Neposluschniki“ verständlich.

Familienkino vs. Schrecken des Krieges

Und auch der Superheld ist in Russland kein ganz gewöhnlicher Superheld. Schließlich verfügt Major Grom über keinerlei Superkräfte. Kein Kostüm, kein Batmobil. In Wirklichkeit ist Grom ein ganz normaler Mann, ein ganz normaler Polizist. Nur ehrlich und prinzipientreu. Das reicht aus: Das Bild eines positiven Mannes in Uniform, auch wenn er Jeans und Lederjacke bevorzugt, funktioniert auf jeden Fall. Aber das gilt nur, wenn ein solcher Held den Frieden der Einwohner von St. Petersburg schützt; Menschen in Tarnkleidung im Donbass haben eine andere Wirkung auf den Zuschauer. Das russische Publikum will unbeschwertes Familienkino, nicht die Schrecken des Krieges. Dies bestätigten auch die Einspielergebnisse des Wochenendes vom 13. bis 16. Juni. Der britische Animationsfilm „10 Lives“ war der Spitzenreiter an den Kinokassen. Alle lieben Katzen (und nicht nur sie), sogar Superhelden können mit animierten Tieren nicht mithalten.

Igor Beresin

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