Junges altes Gotteshaus

Vor 200 Jahren wurde im Moskauer Stadtzentrum die Kathedrale St. Peter und Paul eingeweiht. Während sich die Gasse, in der der Bau steht, kaum verändert hat, gilt das für die Kirche und ihre Gemeinde nicht. Beide er- und überlebten zwei Weltkriege, den Großen Terror unter Stalin und gottlose Jahre.

St. Peter und Paul
Gemeinsames Abendmahl zur Feier des Jubiläums © Jelisaweta Axjonowa

Im historischen Stadtviertel Kitaj-Gorod, in dem das lutherische Gotteshaus steht, wirkt die Kathedrale St. Peter und Paul ein wenig exotisch. Denn ihre gotische Turmspitze überragt all die orthodoxen Kirchen in der Umgebung. Über eben jene Spitze „stolperte“ Alexej Orlow vor drei Jahren. „Ich habe eine Zahnklinik gesucht, die Adresse ins Navigationsgerät meines Autos eingegeben und das führte mich genau hierhin. Ich ging rein und blieb“, erzählt Orlow, der nach diesem verhinderten Arztbesuch ein aktives Mitglied der Gemeinde wurde. Gemeinsam mit 500 weiteren Gemeindemitgliedern sorgt er unentgeltlich dafür, dass in der Kirche alles funktioniert, dass die Räumlichkeiten für den Gottesdienst vorbereitet werden, die Kinder nicht zu spät zur Sonntagsschule kommen und die Bedürftigen Essen und Kleidung erhalten. So war es jedoch nicht immer.  

Die lutherische Kirche in der Starosadskij-Gasse entstand 1817. Die relativ wohlhabende Gemeinde der Stadt kaufte damals das Anwesen der Adelsfamilie Lopuchin. Mit Geldern des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und Unterstützung des Zaren Alexander I. wurde das Haus zu einer Kirche, 1819 erfolgte die Weihung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen jährlich 17 000 Besucher in die Kirche – hauptsächlich Deutsche, Litauer, Esten, Finnen und Schweden, die in Moskau lebten. In der Sowjetunion wurden zunächst die Wertsachen aus dem Gotteshaus entwendet, bevor es ganz geschlossen wurde. Pfarrer Alexander Streck wurde 1936 verhaftet und später erschossen. Aus der Kirche wurde das Kino „Arktika“, anschließend das Filmstudio „Diafilm“. Noch heute kommen frühere Mitarbeiter aus Nostalgie in die Starosadskij-Gasse. 

1941 verstummte St. Peter und Paul. Die Orgel, viele Jahre Begleiterin der Gottesdienste, sollte nach Nowosibirsk gebracht werden. Doch auf dem Weg gen Osten ging das Instrument verloren. Als in den 1950ern auch noch die Turmspitze abgenommen wurde, erinnerte kaum noch etwas daran, dass sich in diesem Gebäude einst Lutheraner versammelten. Erst 1991, als die neue russische Regierung begann, Gotteshäuser an Religionsgemeinschaften zurückzugeben, erinnerte man sich an die Kathedrale. 

Nach der Rückgabe dauerte es mehr als 20 Jahre, bis die Kirche in neuem Glanz erstrahlte und die Gemeinde wieder mit Leben gefüllt war. „Es gibt noch viele weiße Flecken. Die Arbeiten an der Wiedererrichtung des Baudenkmals gehen weiter. Aus den Archiven erfahren wir mehr über frühere Gemeindemitglieder“, erklärt Erzbischof Dietrich Brauer. „Wir würden auch gern mehr von dem errichten, was verloren gegangen ist, wie das Pfarrhaus und die Sonntagsschule. Perspektivisch wollen wir ein Altersheim oder Asyl und mehr Räumlichkeiten für die wohltätige Arbeit haben. Wir sind aber noch mit der Restaurierung von dem beschäftigt, was schon steht. Dazu noch Missionsarbeit. Wir haben also Arbeit ohne Ende.“  

Die Kathedrale steht heute allen offen, Gläubigen wie Nichtgläubigen. St. Peter und Paul ist nicht nur ein Raum für Gebete, sondern auch für Konzerte bekannter Organisten aus aller Welt. Diese neue Orgel, ein Geschenk des Donskoj-Klosters, ist es auch, die den 21-jährigen Küster Wladislaw Telegin in Kirche und Gemeinde gebracht hat. „Ich bin als Kind mit meinem Großvater zu einem Konzert gekommen. Ich wollte einfach Musik hören. Als ich älter wurde und mich auf die Suche nach mir selbst begab, bin ich hier gelandet.“ Telegin ist für die Jugendarbeit in der Gemeinde und die technischen Aspekte der Gottesdienste verantwortlich. Und er hat die Schlüssel für alle Räume, kommt überall rein. Manchmal ist der junge Mann auch eine Art Auskunft für die Besucher der Kathedrale, denn Telegin weiß alles über St. Peter und Paul.

Ljubawa Winokurowa

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