Im Osten viel Neues

Die MDZ-Kolumne der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, geschrieben von Matthias Schepp. Diesmal zu Wladiwostok und der geopolitischen Kräfteverschiebung in Fernost.

Matthias Schepp, Vorstands­vorsitzender

Matthias Schepp, Vorstands­vorsitzender

Wer sich russischen Schriftstellern anvertraut, muss den Fernen Osten des größten Flächenstaates der Erde seit jeher für einen eher beklagenswerten Landfleck ohne große Perspektiven halten. Anton Tschechow schildert Ende des 19. Jahrhunderts die Klagen des Bürgermeisters von Wladiwostok über das „unfreundliche Wetter“, nur um dann das Leben am Amur, dem Grenzfluss zu China, mit den Worten zusammenzufassen: „Ich fühle mich, als sei ich nicht in Russland.“

Der sowjetische Schriftsteller Walentin Pikul hielt kurzerhand fest: „Wladiwostok ist das Ende der Welt.“ Das mag richtig gewesen sein, als zwischen der Sowjetunion und China Eiszeit herrschte und am Grenzfluss Amur ein Krieg der beiden Großmächte drohte. Heute aber gewinnt Russlands Ferner Osten beständig an Bedeutung. Über den Amur, mit 4000 Kilometer der zehntgrößte Strom der Erde, werden schon heute große Warenströme abgewickelt. Russlands Ferner Osten, eine Region knapp doppelt so groß wie Indien, setzt auf den Export in die benachbarten asiatischen Staaten und hofft darauf, dass über sie bald ein Teil der Warenströme von China nach Europa gelangt.

Die russische Regierung hat deshalb vor vier Jahren ein eigenes Ministerium mit der Entwicklung der Region betraut, in Wladiwostok eine hochmoderne Universität und ein Konferenzzentrum aus dem Boden gestampft. Seit zwei Jahren findet dort im Herbst ein großes Wirtschaftsforum statt.

In diesem Jahr wurden 214 Absichtserklärungen und Verträge im Gesamtwert von umgerechnet mehr als 25 Milliarden Euro unterzeichnet, die meisten von Unternehmen aus China, Japan und Korea. An einem 5-Milliarden-Euro-Düngemittelwerk in Kosmino beteiligen sich die japanische Firma Toyo Engineering Corporation und das koreanische Unternehmen Hyundai. Für 1,7 Milliarden Euro baut ein russisch-chinesisches Gemeinschaftsunternehmen eine Erdölraffinerie am Amur.

Präsident Wladimir Putin nutzte das Wirtschaftsforum, um auf dem Weg zum G-20-Treffen in China Hof zu halten. Das Gefühl, „international isoliert“ zu sein, wird ihn nicht beschlichen haben. Die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye umschmeichelte ihn, weil sie auf Russlands Wohlwollen im Konflikt mit Nordkorea hofft. Der japanische Premierminister Shinzō Abe überschlug sich förmlich in seinem Werben, obwohl sich auch Japan den Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat. Abe stellte sein Acht-Punkte-Programm zur Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen in den Mittelpunkt seiner Rede und nannte Putin wahlweise beim Vornamen oder meinen „lieben Freund“.

Auch für deutsche Unternehmen ergeben sich in der aufstrebenden Region nicht wenige Chancen. Im Anschluss an das Wirtschaftsforum war die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) deshalb mit einer Delegation deutscher Unternehmer in der Region unterwegs, darunter Maschinenbauer, die Commerzbank und die Logistiker von DB Schenker. In Komsomolsk am Amur besichtigten wir die Fabrik, die den Superjet baut und trafen einen ebenso jungen wie energischen Bürgermeister. Den Weg von Wladiwostok nach Chabarowsk legten unser AHK-Bevollmächtigter für den Fernen Osten, Jaroslaw Kotyk und Generaldirektor von Schenker AO, Aivars Taurins lieber im Auto als im Flieger zurück. Ihr Gesamteindruck: Im Osten tut sich was. Im Osten viel Neues!

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