Gummistiefel statt Waffeleis

Sommer, Sonne, Sonnenschein? Von wegen! Die Moskauer erleben in diesem Jahr den kältesten Sommer seit sechs Jahrzehnten. Auch im Handel macht sich das schlechte Wetter bemerkbar. Doch nicht alle Gewerbetreibenden klagen.

Schirm und warme Jacke: Der Verkauf der Herbstkollektion beginnt in diesem Jahr früher als sonst. /Foto: twitter.com

Morgendliche Temperaturen nur knapp über der 10-Grad-Marke, stundenlange Regenschauer und eine graue Wolkendecke über dem schier unendlichen Häusermeer: Der Moskauer Sommer fiel in diesem Jahr über lange Strecken außergewöhnlich kühl aus, nur selten werden die fröstelnden Hauptstädter von ein paar wärmenden Sonnenstrahlen verwöhnt. Erst Ende August kehrte der Sommer mit Kraft in die Hauptstadt zurück. Schuld an dem zuvor dominierenden Schmuddelwetter war ein ausdauerndes Nordatlantiktief, das seit Julibeginn immer wieder große Regenmassen auf die Metropole niedergehen liess.

Zahlen im Verkauf sinken


Doch nicht nur die Hauptstadt bibberte, weite Teile Zentralrusslands warenvon der Kältewelle betroffen. Und dies hat für Einzelhändler nun auch ganz konkret spürbare Folgen. Denn die Nachfrage nach Sommerbekleidung ist stark zurückgegangen. Dies meldete die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“. Demnach seien die Verkaufszahlen allein im Juli im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 19 Prozent gesunken.

Besonders die Verkäufe von Sandalen seien stark eingebrochen, informierte das Online-Modehaus La Moda. Rund ein Drittel weniger Sommerschuhe als sonst habe man abgesetzt. Auch bei typischer Sommerbekleidung wie Shorts, T-Shirts und Tops ist die Nachfrage um rund 27 Prozent gesunken. Der Umsatz bei Badehosen und Kleidern ging um ein Fünftel zurück.

Der Umsatz bleibt stabil

Allerdings sind die Einbrüche im Textilbereich bisher mit keinen finanziellen Verlusten verbunden. Denn die Russen griffen in diesem Jahr schon früh nach Pullovern, Jacken und anderen warmen Textilien aus den Herbstkollektionen, erläutert Ksenija Rjasowa, Präsidentin des Internethändlers Finn Flare, im Gespräch mit „Wedomosti“. Dies gleiche die Ausfälle aus dem schwachen Sommergeschäft weitgehend aus. Auch ein Sprecher des traditionsreichen Moskauer Kaufhauses ZUM bestätigt den Trend, so „Wedomosti“. Demnach hätten die Kunden bereits einen Monat früher als üblich mit dem Kauf von warmen Sachen und festen Herbstschuhen begonnen. So seien beispielsweise die Verkaufszahlen von festen Männerschuhen um die Hälfte gestiegen. Mäntel, Jacken und Sweatshirts verzeichneten einen Zuwachs von 30 Prozent.

Noch höher sind allerdings die Zuwächse im Online-Verkauf: Hier stieg die Nachfrage um 72 Prozent, hieß es vom ZUM. Einen für die Jahreszeit eher unüblichen Rekord verzeichnete darüber hinaus der russische Internetgroßhändler Wildberries, welcher den Verkauf von Gummistiefeln um das Fünffache steigern konnte.

Weniger Eis und Bier


Aber nicht nur in der Textil- und Schuhbranche machen sich die kühlen Temperaturen bemerkbar. Auch Produzenten von typischen saisonalen Lebensmitteln sind betroffen. So habe das Wetter einen direkten Einfluss auf die Verkaufszahlen von Speiseeis, zitiert die „Wedomosti“ einen Handelsvertreter aus der Branche. Bis Anfang Juli habe man in diesem Jahr weniger als die Hälfe des üblichen Umsatzes erzielt. Überlicherweise erzielen die Eisproduzenten in den vier Monaten zwischen Mai und August mehr als die Hälfte ihres jährlichen Umsatzes.

Ähnliche Nachrichten kommen von den Getränkeproduzenten. Zwischen Ende Juni und Mitte Juli habe sich der Bierverkauf allein im zentralen Föderationsbezirk, einem der acht russischen Großkreise, um das Zweifache verringert, meldete der Finanzdienstleister Ofd.

Bei nichtalkoholischen Getränken fallen die Rückgänge allerdings weniger stark aus: Hier erwarten die Hersteller für den Juli Verkaufsrückgänge von bis zu 10 Prozent bei Mineralwasser und dem traditionellen russischen Getränk Kwas. Die gesunkene Nachfrage sei allerdings nur zum Teil auf die niedrigen Temperaturen zurückzuführen, erklärte Maxim Nowikow, Präsident des russischen Verbandes der Hersteller alkoholfreier Getränke und Mineralwasser, im Gespräch mit der Zeitung. Wegen der Fußballweltmeisterschaft sei die Nachfrage im vergangenen Jahr vielmehr außergewöhnlich hoch gewesen.

Kaum Besserung in Sicht

Der Ansturm auf warme Jacken und Gummistiefel könnte sich indes fortsetzen. Denn eine Besserung ist beim Wetter vorerst nicht in Sicht. Auch die zweite Hälfte des Sommers soll unterkühlt und verregnet ausfallen, warnten Meteorologen der Russischen Akademie der Wissenschaften. Demnach könne sich das Dauertief über Moskau noch eine ganze Weile halten. Grund dafür sei der immer langsamere Austausch von Luftmassen infolge der Klimaerwärmung, so die Wissenschaftler. Hochs oder Tiefs würden immer öfter für längere Zeit auf einer Stelle stehen und damit das Wetter einer Region nachhaltig prägen. In der Folge würden Perioden längerer Kälte – aber auch Hitze – künftig noch zunehmen.

Birger Schütz

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