Gul heißt Blume

Sprachbarrieren, prekäre Arbeitsbedingungen und Wohnungsnot: Die Situation tadschikischer, usbekischer und kirgisischer Arbeitsmigrantinnen in Russland ist schwierig. Informationen oder Beratungsstellen sind rar. Auf den Vorschlag von einer Mutter mit Migrationshintergrund wurde in St. Petersburg nun die mehrsprachige Zeitung „Gul“ gegründet, welche praktische Alltagstipps und Orientierung bei juristischen Fragen gibt. Im Interview erklärt die 24-jährige Redakteurin Ajim Baky aus Kirgistan, wie das ehrenamtliche Projekt Frauen aus Zentralasien stärken will.

Passkontrolle: Eine Alltagsszene aus dem Leben zentralasiatischer Arbeitsmigranten in einer Illustration der Zeitung „Gul“. /Foto: Safira Chijobowa

Ajim, warum liegt euer Fokus auf Zentralasien?
Viele Migranten aus den zentralasiatischen Ländern arbeiten in Russland. Wir informieren über Migrationsrecht, wie eine Wohnung gemietet wird, wie man offiziell Arbeit findet, welche Dokumente vorhanden sein müssen, wenn Migranten von der Polizei angehalten werden, und geben andere praktische Hinweise. Unser thematischer Schwerpunkt liegt auf Menschenrechten und Geschlechtergleichstellung. Unsere Zielgruppe sind Frauen aus Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan, die in Russland arbeiten. Wir schreiben alle Artikel in vier Sprachen: Usbekisch, Tadschikisch, Kirgisisch und Russisch.

Wer gehört zu eurem Team?
Wir sind ein internationales Team. Die Koordinatorinnen Ekaterina und Julia Alimowa sind beide aus St. Petersburg. Letztere hat auch die Zeitung gegründet. Safina Chijobowa schreibt, illustriert und übersetzt alle Artikel in die tadschikische Sprache. Ich kümmere mich um das Design und das Layout der Zeitung. Es gibt noch weitere Frauen mit Migrationshintergrund, die Artikel schreiben, sie übersetzen oder „Gul“ austeilen. Wir begrüßen daher immer Mädchen oder Frauen mit einem Migrationshintergrund aus Zentralasien, die Interesse haben, an unserer Zeitung mitzuwirken.

Wie wählt Ihr eure Themen für die Artikel aus?
Manchmal treffen wir uns zum Brainstorming, oder jemand möchte seine persönliche Geschichte oder Erfahrung teilen. Das Ziel von „Gul“ ist es, Frauen über ihre Rechte zu informieren, sie zu bilden und zu schützen. Zum Beispiel war eine unserer Autorinnen in einer von Gewalt geprägten Beziehung und sie schrieb über ihre Erfahrungen, um anderen Frauen in ähnlichen Situationen zu helfen. Wir versuchen, über häusliche Gewalt zu informieren und darüber, wie Frauen erkennen können, dass ihnen familiäre Gewalt widerfährt. Außerdem geben wir Ratschläge darüber, wie tragische Konsequenzen vermieden oder verhindert werden können. Wir konzentrieren uns auf die Probleme von Frauen, weil Frauen aus Zentralasien angreifbar sind; manchmal wissen sie nicht einmal etwas über ihre eigene Gesundheit. Es ist uns sehr wichtig, Frauen aus diesen Ländern zu informieren, denn wir fühlen und wissen, dass es nötig ist.

Wieso heißt die Zeitung „Gul“?
In den Turksprachen bedeutet „Gul“ Blume. Für uns ist die Blume ein Symbol für Weisheit, Stärke und spirituelle Schönheit. Die Blume wächst und überwindet alle Hindernisse in der Welt genauso wie Frauen in Zentralasien, welche dazu erzogen werden zu schweigen. Sie leben oft mit vielen Einschränkungen und Ängsten, streben aber nach Gleichheit, freier Wahl, einer Stimme und Respekt.

Wie verbreitet ihr eure Zeitung?
Wir verteilen die gedruckte Version unserer Zeitung in St. Petersburg in der Nähe vom Migrationszentrum und anderen Orten, wie Märkten oder Botschaften, wo wir viele Frauen mit einem Migrationshintergrund aus Zentralasien antreffen können. Außerdem veröffentlichen wir die Webversion von „Gul“ in den sozialen Medien. Insgesamt kommt unsere Zeitung einmal im Monat heraus. Eine Zeit lang haben wir Zuschüsse von Institutionen und Spenden erhalten. Im Moment haben wir jedoch ernste finanzielle Schwierigkeiten und suchen nach möglichen Mitteln. Wir möchten unbedingt weiterschreiben, daher sind wir immer offen für eine mögliche Zusammenarbeit mit anderen Organisationen oder Spendern. „Gul“ ist die erste und einzige Zeitung ihrer Art in Russland. Ich hoffe, wir werden die finanziellen Schwierigkeiten überwinden und unsere Arbeit in Zukunft weiterführen.

Das Interview führte Karina Turan.

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