Gorbatschow räumt Fehler ein

Michail Gorbatschow ist inzwischen 90 Jahre alt. Politisch spielt er in Russland schon lange keine Rolle mehr, genauer gesagt seit dem Augustputsch 1991. Kein Wunder, dass er dazu in diesen Tagen oft gefragt wird.

Michael Gorbatschow ist von den handelnden Personen des Putsches auf beiden Seiten als einziger noch am Leben. Auch sein Gegenspieler Jelzin, wie Gorbatschow 1931 geboren, ist schon lange tot. Er starb 2007. (Foto: Jewgenij Bijatow/RIA Novosti)

Abgeschottet von der Welt sitzt Michail Gorbatschow in den Augusttagen vor 30 Jahren in seinem Sommerdomizil in Foros auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. In Moskau rollen zu der Zeit Panzer durchs Stadtzentrum. Mit einem Putsch, der in der Nacht zum 19. August 1991 beginnt, versuchen Funktionäre aus dem inneren Kreis um den Kremlchef, den Zerfall der Sowjetunion zu verhindern. Die Atommacht scheint führungslos. Der Staatsstreich scheitert. Gorbatschow kehrt am 22.  August 1991 von der Krim nach Moskau zurück. Doch wenig später sind er und das kommunistische Imperium Geschichte.

Auf die Tage, die damals die Welt in Atem hielten, schaut der 90-jährige Gorbatschow in Moskau gelassen zurück. „Es zeigt, dass ich schwach bin. Ich habe keinem von ihnen den Kopf abgehauen“, sagt er über die „Verräter“ von damals. „Die Folgen ihrer riskanten Handlungen haben sich als katastrophal für das ganze Land erwiesen.“

Die Unzufriedenheit im Land über Gorbatschows Politik der Perestroika ist zu der Zeit groß. Das Land versinkt in Schulden, der für den Haushalt der Rohstoffgroßmacht wichtige Ölpreis ist im Keller. Die drei baltischen Staaten haben sich schon losgesagt von der UdSSR. Weitere Unionsstaaten drohen, dem Beispiel zu folgen. Er und seine Familie hätten am „Rande des menschlich Erträglichen“ gelebt, schreibt Gorba­tschow in einem neuen großen Aufsatz für das außenpolitische Portal Globalaffairs.ru.

Gorbatschow erzählt auch in einem Gespräch mit dem Dokumentarfilmer Vitaly Mansky, dass er den Zerfall eines der größten und mächtigsten Länder der Erde nicht gewollt habe. „Ich hätte es verhindern können. Das hätte ich machen müssen“, sagt er in dem Streifen „Gorbatschow. Paradies“ (bei Arte online). In dem intimen Porträt betont der Friedensnobelträger aber auch, er bereue nicht, auf blutige Gewalt für den Machterhalt verzichtet zu haben.

Jelzin „impertinente Person“

In Moskau ist zu der Zeit Boris Jelzin als machtbewusster Politiker auf der Bühne, der sich gegen Gorbatschow und die Kommunisten positioniert. Er hätte Jelzin, „eine impertinente Person“, verjagen sollen, meint Gorbatschow heute. Jelzin habe nicht Wort gehalten, sich für den Erhalt der Sowjetunion einzusetzen. „Er und sein Umfeld haben die Union ihrem unbändigen Streben geopfert, selbst im Kreml zu regieren.“ Nach rund 70 Jahren hörte die Sowjetunion auf zu existieren.

30 Jahre nach diesen historischen Ereignissen macht die Mehrheit der Russen Gorbatschow weiter für den Zusammenbruch der Sowjetunion verantwortlich. Das geht aus einer Umfrage des staatlichen russischen Meinungsforschungsinstituts Wziom hervor. 67 Prozent der in einer repräsentativen Studie Befragten bedauern demnach aktuell auch den Zerfall des Imperiums, darunter viele junge Menschen. Befragt zu ihren Gefühlen ob des Endes der UdSSR nennen viele Trauer, Enttäuschung, Verärgerung und persönliche Kränkung.

„Diesen Prozess des Zerfalls aufzuhalten, war unmöglich. Das ist die Logik der Geschichte“, meint der Politologe Andrej Kolesnikow von der Denkfabrik Moskauer Carnegie-Center. Zwar sähen Geheimdienstler in Russland in solchen Fällen stets die USA als Strippenzieher hinter den Kulissen. Sie glaubten nicht an eine eigene Kraft des Volkes. Es gebe aber beim Zerfall von Imperien eine eigene Dynamik, stellt er fest.

„Demokratie einzig richtiger Weg“

Im heutigen autoritären politischen System unter Präsident Wladimir Putin seien Modernisierung, Demokratisierung und Liberalisierung wie unter Gorbatschow unmöglich, meint Kolesnikow. „Damit Veränderungen beginnen können, müssten der erste Mann im Staat und sein engster Kreis abtreten.“ Das Beispiel Gorbatschows schrecke die aktuellen Machthaber ab, Reformen anzugehen. Nach Jelzins Rücktritt in der Nacht zum Jahr 2000 habe Putin beinahe sofort damit begonnen, Russland einzufrieren. Nur ein neuer Gorbatschow könne das ändern.

Der Filmemacher Mansky sagt im Gespräch mit Gorbatschow in seiner Dokumentation, dass Russland unter Putin heute wieder eine „Diktatur“ sei. Der frühere sowjetische Präsident, der einst mit seinen Reformen und seiner Politik von Glasnost dem Land und dem Ostblock samt DDR beispiellose Freiheiten brachte, glaubt nach seinen Worten aber auch weiter fest an eine Demokratiefähigkeit Russlands. Die Menschen wollten keine Rückkehr zur früheren Ordnung, sagte er Mitte August in Moskau aus Anlass des Jahrestags des Putsches. „Ich glaube, dass der demokratische Weg für die Entwicklung Russlands der einzig richtige ist, weil das Land nur so vorankommen und jedwede Probleme lösen kann.“

Ulf Mauder (dpa)

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