Gefährlich für alle: Moskaus Taxifahrer arbeiten oft unter dubiosen Umständen

Taxifahren ist beliebt in Moskau. Der große Konkurrenzkampf lässt die Preise fallen. Leidtragende sind die Fahrer, die kaum etwas verdienen.

Taxi

Ein Taxifahrer wartet auf den nächsten Fahrgast. /Foto: RIA Novosti

Am 16. Juni verlor ein aus Kirgistan stammender Taxifahrer auf der Iljinka-Straße im Moskauer Zentrum die Kontrolle über sein Fahrzeug und raste in eine Menschengruppe. Dabei wurden acht Menschen verletzt. Darunter waren drei mexikanische Fußballfans, die zur Fußball-Weltmeisterschaft nach Russland kamen. Das Großevent und die ausländischen Besucher sorgten dafür, dass der Vorfall auch im Ausland Beachtung fand. Beim Verhör offenbarte der junge Fahrer, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls bereits seit 20 Stunden hinter dem Steuer saß. Als es ein paar Tage später in Sotschi zu einem ähnlichen Unfall kam, bei dem zwei Menschen starben, warf dies endgültig die Frage nach den Arbeitsbedingungen der Fahrer auf.

Taxifahren ist populär in Moskau. Es ist günstig, ein Auto stets in ein paar Minuten zu haben und nachts ist es oft die einzige Möglichkeit nach Hause zu kommen. Dmitrij Pronin, stellvertretender Vorsitzender der Abteilung für Transport der Stadt Moskau, sagte gegenüber „Rossijskaja Gaseta“, dass jeden Tag in Moskau 760 000 Menschen mit dem Taxi unterwegs seien, das ist jeder 15. Einwohner. Die Beliebtheit der Taxen hat Gründe.

Die Taxidichte ist unglaublich hoch

So fand eine Untersuchung des Analysezentrums der russischen Regierung vom Februar diesen Jahres heraus, dass zwischen 2014 und 2017 Taxen erheblich zugängiger wurden. Außerdem sank in diesem Zeitraum der Durchschnittspreis für eine Fahrt um 35 Prozent, was vermehrt zu kurzen Taxifahrten führte. Damit wurde das Taxi auch zu einer Konkurrenz für den öffentlichen Nahverkehr.

Dementsprechend hoch ist die Taxidichte, in Moskau beträgt sie 7,36 pro 100 000 Einwohner, nur St. Petersburg kann mit ähnlich vielen Taxen aufwarten. Im Rest Russlands liegt die Verfügbarkeit von Taxen zwischen 1,8 und 3,9 Fahrzeugen pro 100000 Einwohner.

In Moskau gibt es 47 031 registrierte Taxifahrer, von denen 26 414 freiberuflich tätig sind. Hinzu kommt eine große Zahl der 55 000 Taxifahrer aus dem Moskauer Umland, die täglich in der Stadt unterwegs sind.

Die Personenbeförderung per Taxi ist also ein großes Geschäft, in dem es um hohe Summen geht und gutes Geld verdient werden kann. Das gilt jedoch in der Regel nicht für die Fahrer, von denen man erwartet, dass sie einen nach einem schweren Arbeitstag oder einer langen Partynacht sicher nach Hause bringen.

Bei einer Heimfahrt in einer Freitagnacht kommen wir mit unserem tatarischen Fahrer Damir Achmetschin ins Gespräch. Der Fall des jungen Kirgisen hat ihn betroffen gemacht. Er ist froh, dass sich jemand für ihn und seine Arbeitsbedingungen interessiert und möchte unbedingt, dass die Menschen davon erfahren.

Ausreichend Geld zu verdienen ist fast unmöglich

Als Taxifahrer etwas zu verdienen sei quasi unmöglich, legt Damir los. Er hat noch Glück, dass er wenigstens seine Arbeitszeiten selbst bestimmen kann. In der Regel fährt er am Morgen los und muss laut seinem Arbeitsvertrag zwischen 10 und 12 Stunden arbeiten. Und alle verlangen Geld von ihm. Für das Auto muss er jeden Tag 1500 Rubel (18 Euro) Miete zahlen, ebenso viel geht fürs Tanken drauf. Und für jedem Auftrag streicht Yandex eine Vermittlungsgebühr von 23 Prozent ein.

Um zu überleben muss er weitere 1500 Rubel täglich verdienen. Das bedeutet für ihn, dass sich ein Fahrauftrag eigentlich erst ab 300 Rubel (4 Euro) lohnt. Auch dann muss er noch auf 20 Fahrten pro Schicht kommen. Bei dem Einkommen zahle ich nicht mal Steuern, erklärt Damir lachend. Oft will er nicht schlafen gehen, wenn er an dem Tag kein Geld verdient hat. Also fährt er manchmal auch völlig übermüdet Gäste durch die Stadt, versucht aber dennoch regelmäßig Pausen einzulegen.

Die Fahrer gehen oft ein Risiko ein

Damir ist sich bewusst, dass er damit sein eigenes Leben und das seiner Fahrgäste riskiert. Er macht sich viele Gedanken darüber, was dabei alles passieren könnte. Von seinem Gehalt, das 30 000 Rubel (370 Euro) im Monat beträgt, kann man sich in Moskau keine Wohnung leisten. Also bleibt nur ein Wohnheim. Er hatte sich das anders vorgestellt, als er aus seiner tatarischen Heimat nach Moskau kam. Er dachte es würde sich lohnen, in Moskau läge doch das Geld auf der Straße, hieß es immer.

Aber dieses Geld bleibt ein Traum. Yandex plane so, dass die Fahrer nichts verdienen können. Man arbeite einfach nur auf Verschleiß. Diese Beschwerde wird von vielen Taxifahrern erhoben. Damir bezeichnet das Taxi-System in Moskau offen als Ausbeutung. Aber er weiß nicht, wo er sonst hingehen sollte. Auf der Baustelle sei man als Mensch noch weniger wert.

Marktführer Yandex weist derweil alle Verantwortung für die schlechten Arbeitsbedingungen von sich. Zwar versprach man bereits vor einem Jahr, die Fahrer auf ihre Müdigkeit hin zu überwachen, geschehen ist jedoch noch nichts.

Damir will es in der nächsten Woche erst mal bei einer anderen Firma versuchen. Dort stehen bessere Autos zur Verfügung. Mit denen hofft er auf höhere Erlöse, um so vielleicht ein wenig Geld zu verdienen.

Daniel Säwert

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