Gebaut von Russen für Russen

Mit viel Prominenz und großer Show hat Mercedes-Benz Anfang April sein erstes Werk in Russland eröffnet. Der Stuttgarter Autobauer profitiert dabei von massiven Vergünstigungen. Russische Kunden haben hingegen vorerst nichts von einem Mercedes „Made in Russia“.

Mercedes

E-Klasse-Modelle aus dem Werk „Moscovia“ © Igor Beresin

Hip-Hop-Reime, elektronische Beats und eine fulminante Lichtshow mit dem bekanntesten Stern der Automobilwelt in der Mitte.  Modern und zukunftsorientiert präsentierte sich Mercedes bei der Eröffnung seines ersten russischen Pkw-Werkes „Moscovia“ in den Birkenwäldern von Solnetschnogorsk, 40 Kilometer vor den Toren Moskaus.

Eine Verbindung mit Vergangenheit

Mercedes und Russland, das passe zusammen, erklärte Mercedes-Chef Dieter Zetsche in seiner Eröffnungsrede. Und tatsächlich scheinen die Russen seit Beginn der Automobilgeschichte eine besondere Beziehung zum schwäbischen Auto zu haben. Schon Zar Nikolaj II. begab sich in einem Mercedes auf Reisen. Auch nach der Oktoberrevolution war ein Mercedes das Auto für besondere Persönlichkeiten. So erhielt die erste Frau im Weltall Walentina Tereschkowa für ihre Leistung einen Benz geschenkt. Schauspieler und Sänger Wladimir Wyssozki besaß gleich zwei Autos aus Stuttgart, die jedoch beide in Unfällen zerstört wurden. Geschätzt wurden die Limousinen aus Stuttgart auch im Kreml. Vor allem der Autonarr Leonid Breschnew ließ sich gerne mit Familie und Gästen vor seinem Mercedes ablichten. Und noch bis 2017 diente ein Pullmann-Mercedes dem aktuellen russischen Präsidenten Wladimir Putin als Dienstwagen, woran dieser bei der Eröffnung von „Moscovia“ erinnerte.

Das „Moscovia“-Werk ist ein weiteres Beispiel für die Lokalisierung ausländischer Produktion in Russland. Es passe in die Strategie des Autobauers, dort zu produzieren, wo die Kunden seien. Davon würden sowohl Mercedes als auch Russland profitieren, so Zetsche.

Lokalisierung bereits in China erfolgreich

„Moscovia“ soll für beide Seiten ein Gewinn sein. Die erste Eröffnung eines Werkes eines namhaften ausländischen Unternehmens seit 2014 ist für die russische Regierung ein politisches Signal gegen die Isolierung. Und Mercedes, das seinen Absatz in Russland in den letzten zehn Jahren auf knapp 38 000 Fahrzeuge verdoppeln konnte, erhält die Möglichkeit, mit der Produktion „Made in Russia“ seine Spitzenposition unter den Premiumherstellern hierzulande auszubauen. Als Vorbild für dieses Vorhaben gilt China. Nachdem das Stuttgarter Unternehmen im Reich der Mitte die Strategie „Made in China, Made for China“ einführte, stiegen die Verkäufe dort 2018 um elf Prozent.

In „Moscovia“ ist zunächst eine Jahresproduktion von 25 000 Fahrzeugen der E- und G-Klasse geplant. Diese sollen ausschließlich auf dem russischen Markt verkauft werden. Die Premium-Modelle der S-Klasse werden weiterhin aus Deutschland importiert.

Die Idee eines russischen Werkes ist bei Mercedes nicht neu. Bereits 2013 wurden erste Überlegungen angestellt. Doch im Zuge der Wirtschaftssanktionen und des einbrechenden Automarktes in Russland verschwanden die Pläne wieder in der Schublade. Bis im Jahr 2017 ein Sonderinvestitionsvertrag mit dem Moskauer Gebiet abgeschlossen wurde. Dieser garantiert Mercedes von 2019 bis 2029 umfangreiche Steuersenkungen und -befreiungen und macht die Stuttgarter gleichzeitig zu einem russischen Hersteller.

Das Werk ist lukrativ

Als lokalisierter Autobauer sind damit auch die Türen für mögliche lukrative Staatsaufträge geöffnet. Auch wenn insbesondere dieser Punkt immer wieder als Grund für das Werk „Moscovia“ genannt wird, bleiben bei russischen Experten Zweifel bestehen. Denn auch der öffentliche Sektor unterliege Schwankungen und Gelder werden aktuell eher gekürzt, so Kirill Jakowenko, Analyst der Unternehmensgruppe Alor, gegenüber dem Online-Nachrichtenportal Gazeta.ru. Auch der ehemalige Russland-Chef von Mercedes Jan Madeja erklärte bereits 2014 in einem Interview, dass man den Anteil der Staatsaufträge nur mit drei Prozent
beziffere.

Fehlende Staatsaufträge wird Mercedes verkraften können. Auch mit dem Fokus auf den privaten Automarkt wird sich die Investition in das Werk „Moscovia“ für die Stuttgarter schnell bezahlt machen. Davon ist Kirill Jakowenko überzeugt. Gegenüber Gazeta.ru erklärte er, dass die ausgehandelten Konditionen des Sonderinvestitionsvertrages es Mercedes ermöglichen, seine Ausgaben von 250 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren wieder einzuspielen. In den folgenden fünf Jahren Vertragslaufzeit werde das Unternehmen dann steuerfreie Gewinne einfahren, so Jakowenko.

Trotz aller Euphorie bei Vertretern von Politik und Wirtschaft wird sich für die Kunden von Mercedes nichts ändern. Denn Preissenkungen sind trotz der lokalen Produktion nicht geplant. „Den Preis bestimmen Angebot und Nachfrage, die Politik der Konkurrenz und andere Faktoren, nicht aber die Lokalisierung“, heißt es dazu aus der Presseabteilung.

Daniel Säwert

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