Flugzeuge im Takt wie Linienbusse

Mit dem Bus über abenteuerliche Bergstraßen, Flugzeuge im Pendelverkehr wie Minibusse – das vom Hochgebirge geprägte Tadschikistan hat eine ganz eigene Verkehrsgeschichte. Michail Densch­tschik aus Krasnodar hat sie mit heimischen und russischen Fachleuten erforscht. Anfang 2021 soll dazu ein Buch erscheinen. Wir haben mit ihm gesprochen.

Verkehr in Tadschikistan: Trolleybus in Duschanbe, 1960er Jahre
Bushaltestelle in Tadschikistans Hauptstadt Duschanbe, Ende der 1960er Jahre (Foto: Bildband „Duschanbe“, 1979)

Herr Denschtschik, Sie haben bereits ein Buch über Nahverkehr in Russland herausgegeben. Warum jetzt Tadschikistan?

Das hat durchaus persönliche Gründe. Ich habe in meiner Kindheit in Kulob im heutigen Tadschikistan gelebt. Mein Vater war damals Offizier bei der sowjetischen Armee. Zudem ist diese Region bei Bus- und Bahn-Fans praktisch noch komplett unbekannt. Wir hoffen, dass wir diese Lücke schließen können.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Kindheit dort?

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Busse in Kulob und auf der Landstraße nach Duschanbe. Das war die verrückteste Straße, bedrohlich und malerisch zugleich, so etwas habe ich in meinem Leben nie mehr gesehen. Doch am häufigsten haben wir das Flugzeug nach Duschanbe genommen. Die waren wie Minibusse unterwegs, mehrere Dutzend Flüge am Tag.

Wie ist das Buch entstanden, wer hat daran mitgearbeitet?

Es wurde von Sergej Tarchow, Professor an der Moskauer Staatsuniversität, und mir konzipiert. Er ist Verkehrshistoriker und verbrachte eineinhalb Jahre mit der Recherche, durchforschte Zeitungen ab den 1920er Jahren. Außerdem war mein Freund Oleg Bodnja beteiligt. Mit Informationen von vor Ort halfen uns unter anderem Dmitrij Merslow, der oft in Tadschikistan auf Reisen war, die Hobbykollegen Marat Usmanow und Yusuf Chodschajew sowie Abdulchair Aijew, der lange Direktor des TrolleybusBetriebs in Duschanbe war.

Flugzeuge in Chorugh
Flugzeug als Alltagsverkehrsmittel: zwei Jak-40 in Chorugh (Foto: Sammlung der Autoren)

Wo haben Sie all die Fotos gefunden?

Bei Privatleuten, in Zeitungen sowie in Archiven in Tadschikistan und Russland. Wir haben zum Beispiel Fotos von Flugzeugen in den 1930er Jahren bekommen, die noch nie veröffentlicht wurden. Und Amateuraufnahmen von deutschen Reisenden aus den 1980er Jahren.

In Moskau wurde der Trolleybus in diesem Jahr abgeschafft. Wie ergeht es ihm in Duschanbe?

Der Trolleybus in Duschanbe wurde 1955 eingeführt und wurde zu Sowjetzeiten ständig ausgebaut. Ende der 1980er Jahre gab es 13 Linien und über 250 Fahrzeuge. Nach 1991 begann sich der Zustand zu verschlechtern, doch die örtlichen Behörden gaben alles, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Im Jahr 2005 erhielt die Stadt schließlich 100 neue Trolleybusse, fast der gesamte Fuhrpark konnte erneuert werden. Momentan gibt es in der Stadt nur fünf Linien. Das liegt aber daran, dass derzeit große Bauarbeiten stattfinden. Danach werden die Oberleitungen in der Regel wiederhergestellt. Das rechne ich der Stadtverwaltung hoch an.

Gab es noch weitere Trolleybus-Netze in Tadschikistan?

Ja, von 1970 bis 2010 existierte eines in Chuschand. Dort gab es sogar eine 15 Kilometer lange Überlandlinie in die Nachbarstadt Ghafurow. Heute hat die Stadt moderne Dieselbusse.

Wie sieht es in den kleineren Städten des Landes aus?

Im Buch beschreiben wir mehrere geplante Trolleybus-Netze, deren Bau teils sogar begonnen wurde, aber unvollendet blieb. Heute gibt es leider in allen Städten außer Duschanbe und Chuschand nur Minibusse.

Das Buch ist im Gegensatz zu Ihrem Werk über Russland thematisch weiter gefasst. Was erwartet die Leser?

Wir beleuchten die Geschichte des öffentlichen Verkehrs in Tadschikistan ab dem Jahr 1928, als die ersten Busse zum Einsatz kamen. Wir behandeln auch den Eisenbahn- und Flugverkehr seit dieser Zeit sowie andere Verkehrsmittel.

Welche gibt es denn noch?

In Duschanbe gab es ab 1984 eine Seilbahn. Wir wissen, dass sie Anfang 2010 nicht mehr in Betrieb war, aber kennen das genaue Datum ihrer Schließung nicht. Um 1982 befand sich in Chuschand eine weitere in Bau. Sie sollte über den Fluss Syrdarja führen, wurde allerdings nie fertiggestellt. Zu unserer Freude erfuhren wir, dass dort 2019 eine neue Seilbahn eröffnet wurde.

Haben Sie Pläne für weitere Bücher?

Oleg Bodnja hat ein kleines Büchlein über „Trolleybus-Züge“, also gekuppelte Trolleybusse, fast fertiggestellt. Außerdem hoffe ich, dass wir weiter mit Sergej Tarchow zusammenarbeiten können. Er hat phänomenale Kenntnisse und eine einzigartige Materialsammlung. Er hat über jede Stadt und jede Republik der ehemaligen UdSSR etwas Interessantes zu erzählen.

Die Fragen stellte Jiří Hönes

Das Buch erscheint voraussichtlich im Januar 2021. Der Verlag nimmt Vorbestellungen an.

Verkehr in Tadschikistan: die Seilbahn in Duschanbe
Die Talstation der Seilbahn in Duschanbe, 1985 (Foto: Postkartenverlag „Plakat“)
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