Feldherr Suworow als Held eines Animationsfilms

Vor 77 Jahren, Ende Juni 1945, wurde zum fünften und letzten Mal in der russischen Geschichte der höchste militärische Rang des Generalissimus verliehen – an Joseph Stalin. Als Trickfilmfigur ist er kaum vorstellbar. Für die Kinoleinwand animiert wurde aber jetzt der vierte Generalissimus Alexander Suworow. MDZ-Redakteurin Olga Silantjewa hat sich „Suworow. Die große Reise“ mit ihrer Familie angesehen.

Alexander Suworow: immer auf der Höhe / Kinopoisk

 „Ein Trickfilm über Suworow? Ist das ein moderner Film?“, fragte mein zehnjähriges Kind, als ich ihm vorschlug, ins Kino zu gehen. Wir waren schon einige Monate nicht im Kino, nachdem die großen amerikanischen Filmstudios vom Verleih ihrer Filme in Russland Abstand genommen hatten. Seitdem hatten wir uns auch keine Ankündigungen von Filmen mehr angesehen.

Aber dann lief Ende April eine große Werbekampagne für den Film „Suworow“ in den Medien an. Dies sei der erste abendfüllende Animationsfilm von „Sojusmultfilm“, dem größten sowjetischen und russischen Trickfilmstudio in den letzten 20 Jahren. Zwei Jahrzehnte balancierte das Studio am Rande des Bankrotts. Aber Mitte der 2010er Jahre erlebte es seine Wiedergeburt und begann mit der Arbeit an „Suworow“. Nun wurde das Ergebnis jahrelanger Arbeit dem Publikum vorgestellt.

„Die Kunst des Siegens“

Nachdem wir uns den Trailer angesehen hatten, sagte meine Tochter: „Ja, ich gehe in den Film.“ Der Trickfilm erinnerte sie an amerikanische Streifen. Wer Alexander Wassiljewitsch Suworow war, wusste sie schon. Sie hatte das Thema vor Kurzem in der Schule behandelt. Im Lehrbuch für den Sachunterricht in der 4. Klasse wird ein wenig über den Generalissimus und sein Werk „Die Kunst des Siegens“ erzählt, das für lange Zeit ein soldatisches Merkblatt  gewesen war.

Der junge Held Grischa / Kinopoisk

Der Film erzählt vom jungen Stallknecht Grischa, der in die Kaufmannstochter Sonja verliebt ist. Diese soll aber mit einem Grafen vermählt werden. Sonja ist natürlich dagegen. Da bekommt der Graf den Einberufungsbefehl zur Armee, die zu dieser Zeit in Italien ist. Zusammen mit Österreich, England, der Türkei und beider Sizilien kämpft Russland gegen Frankreich und befreit die Apenninenhalbinsel. „Ich liebe meine Heimat. Aber so ein Risiko einzugehen, dazu bin ich nicht bereit“, verkündet der Graf. Anstelle des Grafen schickt man den verkleideten Grischa in die Armee zu Suworow. Der berühmte Feldherr wird zum Lehrmeister Grischas, der allmählich an sich zu glauben beginnt. Zum Ende hin erklärt sich Suworow zu Grischas Vater, und der junge Held führt seine Liebste zum Altar.

„Das sind Russen!“

Bei der Überquerung der Alpen kann Grischa zeigen, was in ihm steckt. Der Trickfilm kommt dabei der historischen Wahrheit ziemlich nahe. Die Armee unter Führung Suworows bewegte sich in Richtung Schweiz, um das russische Korps von  Rimski-Korsakow zu unterstützen, das gemeinsam mit den Österreichern im Muotatal gegen die zahlenmäßige Übermacht der Franzosen kämpfte. Suworow nahm den kürzesten, aber weitaus schwierigeren Weg über den Gotthardpass und griff die Franzosen aus einer Richtung an, die sie nicht erwartet hatten – von oben. „Oje, das sind keine Menschen,“ ruft ein französischer Soldat aus. „Natürlich sind das keine Menschen! Das sind Russen!“, antwortet ihm ein Kamerad.

Nach der Überquerung des Passes marschierte die russische Armee auf den Luzerner See zu. Aber hier stellte sich heraus, dass es entgegen der Angaben des österreichischen Stabes (im Film wird er von dem Bösewicht Franz von Weyrother verkörpert) keinen Weg entlang des Sees gibt. Und wieder vollbrachten die Russen das Unmögliche. Sie gingen über Bergpfade und Felsen und dann hinunter ins Tal.

Der Russe Alexander Suworow und der Österreicher Franz von Weyrother / Kinopoisk

Zwei Wege

Von diesem Moment an weicht die Handlung des Films vom wirklichen historischen Geschehen ab. Auf der Leinwand ist der Sieg schon errungen. Die Russen sind froh darüber, dass der Feldzug zu Ende ist und sie nach Hause zurückkehren können. In der Geschichte war alles nicht so rosig. Die Ziele des Schweizfeldzuges waren nicht erreicht worden, die Armee war geschwächt von den langen Überquerungen, und es fehlte ihr an Proviant und Waffen. Trotzdem wurde sie nicht geschlagen.

Für den beispiellos schweren und heldenhaften Feldzug wurde Suworow, der zu diesem Zeitpunkt alle seine sechzig Schlachten gewonnen hatte, von Zar Pawel I. der höchste militärische Rang des Generalissimus der Land- und Seestreitkräfte verliehen. Er war der vierte Feldherr in Russland, der diesen Rang verliehen bekam. Insgesamt waren es in der russischen Geschichte fünf. Der Fünfte war Josef Stalin. Zwei der Generalissimusse, Alexander Menschikow und Herzog Anton Ullrich von Braunschweig, verloren recht schnell diesen hohen Rang wieder.

Kehrseite der Medaille

Pawel I. wollte nach der Alpenüberquerung, so wird es berichtet, eine spezielle Medaille prägen lassen, die auch den Beitrag der Österreicher widerspiegeln sollte. Er wandte sich an Suworow mit der Bitte, Varianten für die Inschrift auf der Medaille vorzuschlagen. Suworow soll ihm folgende Antwort gegeben haben: Die Medaille solle für Russen und Österreicher gleich sein, jedoch sollte auf der russischen Medaille „Gott ist mit uns“ eingestanzt werden und auf der österreichischen „Gott sei mit Euch“ (im Russischen eine Art verbales Abwinken, im Sinne von „Soll Gott euch doch helfen“). Ob das wahr ist oder nicht, wissen wir nicht, aber die Worte „Gott ist mit uns“ erklingen auch im Trickfilm. Sie werden von Rimski-Korsakow ausgesprochen, als er sich an einen russischen Soldaten wendet. „Hab keine Angst. Wie Alexander Wassiljewitsch sagte, wir sind Russen, also ist Gott mit uns!“

Nach diesen Worten wurde mein während des Films vor sich hin dösender Mann wieder munter. Er erinnerte sich daran, wie er als Kind mit den bei Moskau gefundenen Koppelschlössern von Soldaten der Wehrmacht gespielt hatte, auf denen geschrieben stand „Gott mit uns“.

Wir waren also in einem patriotischen Film für die ganze Familie. Und ehrlich gesagt hat er uns gefallen.

Olga Silantjewa

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: