Fall Walijewa: Die letzte Entscheidung von Olympia 2022

Die Anhörungen vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) im Dopingfall Kamila Walijewa sind abgeschlossen. Das Urteil wird wohl erst im neuen Jahr verkündet. Schlimmstenfalls droht dem 17-jährigen Eiskunstlaufstar das Karriereende.

Kamila Walijewa bei ihrem ersten Start in der neuen Saison beim russischen Grand Prix in Kasan (Foto: Tatarstan.ru)

Es ist schon wieder passiert. Bei ihrem Spätstart in die neue Saison, der vierten Station des russischen Grand Prix, wurde Kamila Walijewa in ihrer Heimatstadt Kasan nur Vierte, obwohl sie nach dem Kurzprogramm noch in Führung gelegen hatte. Damit wiederholte sich ein Szenario, das bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking Zuschauer und Experten aus aller Welt in Atem gehalten hatte. Keine Entscheidung war im Februar des vorigen Jahres mit so viel Spannung und gemischten Gefühlen verfolgt worden.

Doping ein unglücklicher Zufall?

Walijewa, damals erst 15, galt als absolutes Ausnahmetalent, eine der komplettesten Eiskunstläuferinnen der gesamten Sportgeschichte. Angereist als frischgebackene Europameisterin, gewann sie auch prompt Gold mit der unter neutraler Flagge angetretenen russischen Mannschaft und schien auch für den Sieg im Einzelwettbewerb prädestiniert. Doch dann platzte mitten in die Spiele hinein die Nachricht, dass Walijewa anderthalb Monate vorher bei den Russischen Meisterschaften positiv auf das Präparat Trimetazidin getestet worden war. Das hatte nun ein Dopinglabor in Stockholm nachgewiesen.

Im russischen Lager rang man nach einer Erklärung. Von Vorsatz könne keine Rede sein, hieß es schließlich, das Ganze könne höchstens ein Unfall gewesen. Walijewas Opa nehme ein Herzmittel ein, in dem Trimetazidin enthalten sei, man habe wohl aus demselben Glas getrunken.

Wada beantragt lange Sperre

Die Eisprinzessin wurde unter Berücksichtigung ihres Alters, der unklaren Umstände, der geringen Menge des gefundenen Mittels und von dessen zweifelhaftem Nutzen im Eiskunstlauf sowie der Tatsache, dass der positive Befund sich auf die Russischen Meisterschaften beschränkte, nicht von den Spielen ausgeschlossen, sondern durfte unter Vorbehalt weitermachen. In der Damen-Kür verlor sie jedoch die Nerven und stürzte nach gewonnenem Kurzprogramm noch auf Platz vier ab. Die Medaillen im Teamwettbewerb sind bis heute vakant.

Doch nun werden Entscheidungen fallen. Als die russische Anti-Doping­agentur Rusada Anfang des Jahres von einer Sperre absah, zog die Welt-Anti-Dopingagentur Wada vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS). Sie fordert, Walijewa für vier Jahre zu sperren. Das wäre gleichbedeutend mit einem Karriereende. Selbst bei einer Zwei-Jahres-Sperre, wie sie die Internationale Eislauf-Union (ISU) will, dürfte die Laufbahn beendet sein.

Nach den Anhörungen Ende September und Anfang November wird das Urteil voraussichtlich Anfang 2024 verkündet. Walijewa hilft nur ein Freispruch. Selbst im Fall von Fahrlässigkeit droht ihr auch noch die Aberkennung aller Titel seit der positiven Probe.

„Wir sind selbst schuld“

Mit einem glimpflichen Ausgang scheint selbst die dreifache russische Paarlauf-Olympiasiegerin Irina Rodnina nicht zu rechnen. Die heutige Parlamentsabgeordnete schimpfte gegenüber Sport24, die Version mit dem Glas sei ein „Märchen“ und „Quatsch“, das glaube kein Mensch. „In der Sache Walijewa sind wir selbst schuld“, so Rodnina. Man habe „unfreundlichen Staaten die Möglichkeit gegeben, auf unsere Fehler hinzuweisen“.

Tino Künzel

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