Sauber muss es sein. Nett das Personal. Dazu ortskundig. Im Zentrum soll es liegen. Gesellig und dennoch ruhig, um sich nach langer Anreise mit 30 Kilo auf dem Buckel erholen zu können. Und trotz allem bezahlbar bleiben. Das ideale Hostel.
Vom Hostel zum „Hoscar“-Preisträger
Geht es nach dem Buchungsportal Hostelworld, existiert es tatsächlich. Auf abertausenden Nutzerbewertungen basierend wurde ausgerechnet ein russisches Hostel zur nationalen, kontinentalen und globalen Superlative gekrönt: das Soul Kitchen Hostel. Dabei räumte es in gleich fünf Kategorien sogenannte „Hoscars“ ab: Bestes Personal, Bester Service, Bestes Hostel Russlands, Bestes Hostel Europas und Bestes Kleines Hostel der Welt. Der Preisverleiher proklamierte das Soul Kitchen unlängst zur „neuen Generation von Hostels“.
Konzept: Fusion aus Hostel und Hotel
„Der Clou besteht in der Kombination aus dem sozialen Faktor eines Hostels und der Privatsphäre eines Hotels“, erklärt Inhaberin Ljubow Sorokina. 2012 gründete die Ur-Petersburgerin das Soul Kitchen zusammen mit ihrem Mann. Seitdem wurde es jährlich von Hostelworld ausgezeichnet, bisher insgesamt 19 Mal. Dabei fehlten Sorokina anfangs jegliche Mittel. Es gab nur einen Geschäftsplan, gleichzeitig die Diplomarbeit der studierten Tourismusmanagerin. Ein Makler erkannte das Potential, half bei der Gründung eines ersten Hostels nahe des Moskauer Bahnhofs. Die Anteile wurden verkauft, vom Erlös das Soul Kitchen gegründet.
Hostel mit Geschichte: Von Kaufmannshaus zur Kommunalka
Das Hostel selbst liegt in malerischer Lage am Mojka-Kanal unweit vom Newskij Prospekt und der Gorochowaja-Straße mit ihren zahlreichen Pubs und Restaurants. Zur Eremitage sind es zu Fuß knapp zehn Minuten. Das im 18. Jahrhundert im Neobarockstil erbaute Haus gehörte einst dem Kaufmann Lipin. Nach der Revolution wurde es zur Kommunalka, von der die Fliesen und der Boiler in der Küche erhalten blieben.
Der Rundgang nach dem Hostel-Check-in gleicht einem Theaterbesuch: Neben zehn Zimmern und 71 Betten auf 600 Quadratmetern gibt es zwei geräumige Gemeinschaftszimmer, eine große Couch, einen Kicker-Tisch, Plattenspieler, Büchertauschregal sowie einen Balkon mit Blick auf die Ponte Rouge. Außergewöhnlich, doch nützlich in der Regenhauptstadt sind die elektronischen Schuhtrockner, die den Gästen neben Schirmen frei zur Verfügung stehen. Aufdrucke an den großen Fenstern in den Zimmern mit Kanalpanorama erzählen von der Stadtgeschichte. Und im Frühjahr wird ein weiterer Flügel eröffnet – mit zusätzlich 200 Quadratmetern und 36 Betten.
Hinter 9,9 von 10 Hostelworld-Punkten steckt kein Hacker.
Guter Service, gute Babuschka
Hinter 9,9 von 10 Hostelworld-Punkten steckt kein Hacker, wie ein Besuch des „Backpacker-Edens“ zeigt. Die jungen Mitarbeiter sind hilfsbereit, sprechen fließend Englisch und haben immer einen Ausgehtipp parat – selbst, wenn man die Stadt schon ein bisschen kennen sollte. Auffallend ist, neben dem Service, die Sauberkeit. Um die sorgt sich eine „Babuschka“. Sie putzt das Nest mit vollem Körpereinsatz, backt jeden Morgen leckeren Kuchen – was will man mehr?
Selbst Artemij Lebedew findet es cool
„Die Atmosphäre ist sehr offen, ich habe echt viele neue Leute kennengelernt. Trotzdem kann man sich immer zurückziehen“, erzählt Malte Engelhardt. Der Hamburger ist für einen Monat zum Sprachkurs in die Stadt gekommen. „Es macht ja schon Spaß, einfach nur durch das Hostel zu laufen. Der Chill-Faktor ist da“, so Ran Takus ho aus Japan, zurzeit auf Weltreise. Selbst der Designer und Blogger-Pionier Artemij Lebedew findet es cool. Auf seinem Blog lobt er das Soul Kitchen überschwänglich als „bestes Hostel der Welt“.
Teurer als „Piter“, aber nicht als Europa
Am Ende bleibt nur noch die Frage nach dem Preis. Zwar sind 15 Euro die Nacht für das Bett im Achterzimmer mehr als doppelt so teuer wie der städtische Schnitt, doch trotzdem noch europäisches Mittelmaß. „Das Hostel an sich ist ja schon eine Reise nach Russland wert – dafür gebe ich gern ein paar Euro mehr aus“, erklärt Graham Lawson aus Dublin. Also: „Let me sleep all night in your Soul Kitchen“, wie es einst „The Doors“ besangen.
Christopher Braemer