Eine Instanz zeitgenössischer Kultur

Mitte April feierte die „Goldene Maske“ Jubiläum. In den vergangenen Jahren entwickelte sich das Festival zum bedeutendsten Theaterwettbewerb Russlands und findet auch international Beachtung. Doch um diesen Status zu erreichen, musste die „Goldene Maske“ magere Jahre überstehen und viel Kritik einstecken. Aber eines hat sich seit dem ersten Jahr nicht geändert. Ein Überblick.

Goldene Maske

Große Bühne bei der 25. Verleihung der „Goldenen Maske“ © Dmitrij Dubinskij/ Solotaja Maska

Ungewisser Anfang

Heute ist die „Goldene Maske“ eines der größten Theaterfestivals und genießt internationales Renommee. In Russland gilt der Preis als höchstmögliche Auszeichnung. Dass es so weit kommen würde, war im Premierenjahr nicht absehbar.

Eigentlich sollte die „Goldene Maske“ in einem kleinen Rahmen stattfinden, nur in der Moskauer Theaterlandschaft. Der Schauspieler Michail Uljanow, damals Vorsitzender des russischen Theaterverbandes, beschrieb das Festival auf einer Pressekonferenz 1994 als einen unabhängigen und undotierten Berufspreis „von Kollegen für Kollegen.“

Die Anfangsjahre aber waren überschattet von Kritik am Auswahlverfahren der Jury und der Preisträger. Die Finanzierung war minimal, Sponsoren kaum zu finden. Die ehemalige Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit Natalja Nikolajewa errinnerte sich auf „afischa.ru“: „Auf dem Weg zur Arbeit ging ich zum Blumenladen in der Metro – wir brauchten Blumen für die Verleihungszeremonie. Ich erzählte ihnen vom Preis, so bekamen wir kostenlos Blumen für die Preisvergabe.“ Doch die harte Arbeit des damals aus gerade einmal zehn Personen bestehenden Teams lohnte sich, das Theaterfestival begeisterte immer mehr
Menschen.

Heute gibt es keine Geldsorgen mehr: Die Gesamtausgaben im Jahr 2018 beliefen sich auf 250 Millionen Rubel (3,5 Millionen Euro). Finanziert wurde das durch Ticketverkäufe (13 Prozent), Sponsorengelder und staatliche Zuwendungen.

Die „Maske“ und die Kritik

Skandale und Unstimmigkeiten gab es immer wieder. 2015 kritisierte der stellvertretende Kultusminister Wladimir Aristarchow das Festival 2015. Die „Goldene Maske“ unterstütze Aufführungen, die „offensichtlich russophobe Elemente enthalten, der Geschichte unseres Landes Verachtung entgegenbringen und bewusst den moralischen Rahmen überschreiten“, so Aristarchow. Oft wurde auch die Fokussierung auf Moskau und St. Petersburg bemängelt. Manche Kritiker gingen so weit, der „Goldenen Maske“ ihre landesweite Bedeutung abzusprechen.

Große Empörung gab es auch, als  bekannt wurde, dass sich das Kulturministerium in die Bildung des Expertenrats, der über die Preisvergabe entscheidet, eingemischt hatte. Im April 2016 einigten sich der russische Theaterverband sowie das Ministerium auf eine neue Regelung zur Organisation und Preisvergabe.

Von besonderer Aussagekraft war 2018 die Auszeichnung des unter Hausarrest stehenden Regisseurs Kirill Serebrennikow für die beste Opernregie – ein Zeichen für künstlerische Freiheit und gegen restriktive Kulturpolitik.

Auch 2019 wurde Serebrennikow erneut ausgezeichnet – für die beste Regie und das beste Ballett. Dieses Mal konnte der Regisseur, gerade aus dem Hausarrest entlassen, die Würdigung persönlich entgegennehmen.

Die „Maske“ als  Kulturinstanz

Doch all die Schwierigkeiten konnten dem Renommee der „Goldenen Maske“ nichts anhaben. Im Jubiläumsjahr 2019 besuchten etwa 50 000 Zuschauer über 150 Vorstellungen in Moskau. Mehr als 40 Theater traten in den Wettbewerb um eine der prestigeträchtigen Masken.

Das Programm ist mittlerweile so vielfältig wie das Theater selbst. Klassisches Theater, Ballett, zeitgenössischer Tanz, Musical und Puppenspiel – alles hat einen Platz bei der „Goldenen Maske“. Im Jubiläumsjahr wurden die Gewinner in 42 Kategorien geehrt. Dazu gab es noch persönliche Auszeichnungen.

Trotz aller Skandale und Neuerungen: Eines hat sich in den letzten 25 Jahren nicht geändert. Der Gewinn einer der begehrten Masken bringt keine Prämien oder Geldpreise ein, sondern nur Prestige und Anerkennung „von Kollegen für Kollegen.“

Nikolaus Michelson

Stimmen zur Maske

Dmitrij Wolkostrelow, Regisseur der unabhängigen Theatergruppe „Post“, Sankt Petersburg

Der Preis ist einmalig und der wichtigste in ganz Russland. Unsere Theater-Community versteht sich als eine verschworene Einheit. Im Land hat sich vieles verändert und soweit ich das mitbekomme, ist in den Reden der Preisträger und Nominierten immer häufiger das Wort „Freiheit“ zu hören.

Leonid Leontjew, Schauspieler am Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater in Moskau

Die „Goldene Maske“ bedeutet für mich, dass die Russen ihre eigene Kultur anerkennen. Es ist nicht so, dass die moderne Kunst in Russland im Untergrund verschwindet, sondern sie entwickelt sich allmählich. Ich selbst gehöre zum Ensemble des Tanztheaterstückes „Minus 16“, das für die „Goldene Maske“ im Bereich Zeitgenössischer Tanz nominiert ist (Anm.d.Red. Das Stück erhielt eine der Masken.).

Anton Chitrow, Theaterkritiker und Autor

Die „Goldene Maske“ ist das einzige Festival, auf dem man in Erfahrung bringen kann, was in der Theaterszene des Landes passiert. Das macht es so einmalig. Ich war schon sehr oft auf dem Festival. Jede Preisverleihung ist anders. Viele der Stücke, die ausgezeichnet werden, entsprechen meinem ästhetischen Empfinden, andere wiederum weniger.

Aufgezeichnet von Anna Akopowa

Die goldene Maske

 

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