Ein Chinese namens Moskwitsch

Am 3. März begann in 11 Städten der Verkauf neuer Autos der russischen Marke Moskwitsch. Die MDZ hat sich den Moskwitsch 3, mit dem die alte Sowjetmarke wiederaufersteht, angeschaut und fast nichts Russisches in ihm gefunden.

Moskwitsch 3 (Foto: AGN Moskwa)

In den ersten Moskwitschs, die 1947 im Moskauer Werk für Kleinwagen vom Band liefen, steckte wenig Sowjetisches. Das waren deutsche Opel. Fast ein Volkswagen in dem Sinne, dass es das erste Auto im Land war, das sich jeder kaufen konnte. Bis 1998 wurden 5 Millionen Moskwitschs hergestellt. Dann sank die Produktion.  2010 wurde in der Geschichte des russischen Automobilbaus unter das Kapitel „Moskwitsch“ der Schlusspunkt gesetzt.

Neue Etappe in der Moskwitsch-Geschichte

Zwölf Jahre später stellte sich heraus: nicht für immer. Nach dem 24. Februar verließ Renault nach vielen anderen Herstellern Russland. Seine Autos wurden in dem Werk produziert, wo man früher den Moskwitsch fertigte. Im Mai 2022 verkündete der Moskauer Oberbürgermeister Sergej Sobjanin, dass er die Entscheidung getroffen habe, das Werk in die Bilanzen der Stadt aufzunehmen und die Produktion von Pkw unter der historischen Marke Moskwitsch wieder aufzunehmen.  Kamaz fungierte als Partner des Projektes.

Im November wurde der neue Moskwitsch 3 vorgestellt, ein Ebenbild des chinesischen SUV JAC JS4. Russisch war daran nur der Namenszug des Moskwitsch. Damals begann im Werk, wo die von Renault kostenlos überlassene Ausrüstung stand, die Endmontage. Man kündigte das Erscheinen der Autos an, neben dem SUV mit Benzinmotor auch das Elektroauto Moskwitsch 3e (3,5 Mio. Rubel, etwa 43 750 Euro). Die Benziner kommen in zwei Varianten: mit Handschaltung (1,97 Mio. Rubel) und mit Automatik (2,035 Mio. Rubel).

„Die Aufgabe für die nächste Zeit wird es sein, die SKD-Montage unter Hinzuziehung örtlicher Zulieferer bis Ende 2023 aufzubauen“, teilte der Minister für Industrie und Handel Denis Manturow über den Pressedienst des Ministeriums mit. „Die nächste Etappe wird die Schaffung einer eigenen universellen Basis für das einheimische Elektroauto sein, dessen Produktion für Ende 2025 geplant ist.“ Das klang nach einem Plan und nach langfristigen Perspektiven. Möglich, dass der Moskwitsch mit der Zeit eigene Züge annimmt, so wie damals, als er sich vom Opel löste.

Gegen Vorurteile

Aber im Moment spielt ausgerechnet die Zeit gegen den Moskwitsch. Erstens kann man es drehen und wenden, wie man will, es ist ein chinesisches Produkt. Und die Qualität der chinesischen Autos lässt zu wünschen übrig. Der Automobilexperte Alexander Surkow spricht in einem Interview für die Analytik-Agentur „Avtostat“ von „einem schlechten Ruf chinesischer Marken hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Gebrauchseigenschaften der Autos“. Das in den 1990ern entstandene Vorurteil „Alles Chinesische ist von niederer Qualität“ beeinflusst bis heute den Verkauf chinesischer Autos. Es muss etwas Zeit vergehen, damit die Fahrer die bisher in Russland noch wenig bekannten Modelle bewerten und sehen können, wie sie sich auf den russischen Straßen verhalten.

Zweitens ist das eine sowjetische Marke. Nicht bei allen ruft das positive Assoziationen hervor. Die Jugend kennt diese Marke überhaupt nicht. Forbes zitiert einen Befragten, dass die Wiederbelebung der Marke aussieht „wie eine Rückkehr in die Sowjetzeit“. „Aber andererseits kannst du es nennen, wie du willst, negative Meinungen gibt es auf jeden Fall“, schreibt die Zeitschrift.

Ein dritter Punkt ist der Preis.  Noch vor einiger Zeit konnte man den Hyundai Creta, der in seiner Ausstattung dem Moskwitsch ähnlich ist, für 1,3 Mio. Rubel kaufen. Und mit verschiedenen Rabatten. Aber der Moskwitsch ist teurer und es gibt keine Rabatte bei den staatlichen Programmen. Dank solcher Programme kann zum Beispiel eine Familie mit zwei oder mehr Kindern beim Kauf eines Autos mit einem Rabatt rechnen. Vergünstigt kann man auch sein erstes Auto kaufen. Das Auto muss dabei auf russischem Boden hergestellt worden sein.

Schlechter Verkauf

Bisher stürzen sich die Russen nicht gerade auf das neue Modell. Nach Informationen von „Avtostat“ wurden in Russland im Februar 57 Moskwitschs verkauft, im Januar, als die ersten Autos dieser Marke an die Autohäuser ausgeliefert wurden, 29. Im Februar wurden nur 7 Moskwitsch 3e verkauft. 40 Prozent des Verkaufs entfielen auf Moskau, 10 Prozent auf St. Petersburg, 7 Prozent auf das Moskauer Gebiet. In den anderen Regionen, wo der Verkauf begann, wurden nur je ein oder zwei Autos an den Mann gebracht.

Wenn die koreanischen und deutschen Autos in die Jahre kommen und wenn der Parallelimport,  also die Einfuhr von Waren ohne Genehmigung des Herstellers, nicht reibungslos funktioniert, werden sich die Käufer möglicherweise dem Moskwitsch zuwenden.


Eindrücke einer Probefahrt

Der Rentner Michail Basanow aus Moskau ist 65 Jahre alt. Sein ganzes Leben hat er als Kraftfahrer gearbeitet, seinen Beruf bereits als Wehrdienstleistender erlernt. Wobei seine Armeezeit übrigens auf die Leipziger Gegend entfallen ist. Zu Sowjetzeiten hatte sich Basanow einen Schiguli gekauft. Warum keinen Moskwitsch? „Na weil die Schigulis besser waren“, begründet er seine Wahl. 1989 überführte man für ihn einen VW aus Deutschland. Danach fuhr er viele Jahre nur diese Automarke. Die letzten zehn Jahre hatte er koreanische Hyundais. Anfangs besaß er einen Solaris, vor drei Jahren wechselte er zum SUV Creta.

Jetzt hat auch der neue Moskwitsch 3 Basanows Neugier geweckt. Angeboten wird der Wagen in elf Moskauer Autohäusern, darunter auch im „Avilon“. Dort hatte Basanow schon seine koreanischen Autos gekauft. Am Telefon sagt ein Händler, der sich als Nikita vorstellt, auf die Frage nach einer Probefahrt: „Wenn Sie wollen, können Sie gleich heute kommen.“

Im Showroom

Im Showroom bei Moskwitsch stehen Audis daneben. Die Auswahl ist groß. Ein Audi A4 kostet hier 5,5 Mio. Rubel (etwa 68 750 Euro), ein Audi A6 9,2 Mio. (11 4700 Euro). Aber keine Kunden. Eine Etage höher gibt es den Aurus zu sehen, ein russisches Auto der Luxusklasse. Diese Marke fährt auch der russische Präsident.

Aurus neben dem Moskwitsch (Foto: Olga Silantjewa)

In der Mitte des Moskwitsch-Showrooms werden die drei verfügbaren Modelle in drei Farben gezeigt (insgesamt gibt es fünf). Man kann sich ein beliebiges auswählen und am gleichen Tag damit fahren. Michail Basanow sucht sich einen roten SUV mit Automatik aus. Der Wagen hat ein stufenloses Getriebe (CVT), eine Klimaautomatik, sechs Lautsprecher, eine Rückfahrkamera mit Touchscreen. Das Auto ist mit einer elektronischen Bremse mit Auto-Hold-Funktion ausgerüstet. Die hinteren Scheiben sind getönt, die Sitze zum Teil aus Leder. Es gibt eine Dachluke.

Im neuen Moskwitsch

„Das ist eine reichhaltige Ausstattung, beinahe luxuriös. Und der Preis von 2,035 Mio. Rubel ist nicht sehr hoch“, findet Michail Basanow. „Der Lada Vesta, also der heutige Schiguli, kostet 2,5 Mio. Ich denke, dass der Moskwitsch bald 3 Mio. kosten wird. Er hat einen großen Kofferraum, aber der Tank ist kleiner als in meinem Creta.“

„Zu viele Optionen“ (Foto: Olga Silantjewa)

„Er fährt sich gut und weich. Innen ist es bequem. Aber es gibt zu viele elektronische Hilfsmittel sogar bei der Grundausstattung“, bemerkt der Fahrer. „Ich habe  Angst  vor zahlreichen Helferlein made in China. Und wenn plötzlich so ein Hilfsmittel während der Fahrt versagt? Was dann? Man sagt, die CVT-Schaltung sei sehr unzuverlässig. Wissen Sie, wie oft der Moskwitsch früher kaputtging? Und hier haben wir noch dazu einen chinesischen Moskwitsch. Ich traue diesem Auto nicht.“

Glaubt man Nikita, so wurden in diesem Autohaus seit Ende Januar, als die Wagen geliefert wurden, zehn Autos verkauft, vier davon waren Elektroautos. Michail Basanow hat Nikita versprochen, dass er sich, falls er sich zum Kauf entschließen sollte, bei ihm meldet.

Olga Silantjewa

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