Ein bisschen Hoffnung

Warum 2017 trotz Schwarzmalerei ein gutes Jahr werden könnte. Ein Kommentar.

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Die Neugierde auf unsere Welt sollte nicht in Bauchschmerzen münden. Doch im medialen Biotop des neuen Ost-West-Konflikts lebt eine ganze Kolonie von Experten und Journalisten ausgerechnet davon, die Gegenwart und erst recht die Zukunft in düstersten Farben zu zeichnen. Durch ihre Augen gesehen, ist immer irgendein Ende in Sicht: von Russlands Wirtschaft, Putins Herrschaft, Amerikas Macht oder Europas Zusammenhalt, oder auch von mehr oder weniger gefährdeten Existenzen wie dem Euro, dem Baltikum oder der Ukraine. Und wo alles partout böse enden muss, kann auch der Wille nie ein guter sein – nur der des Gegenübers, wohlgemerkt.

Diese Buchstabenreiter der Apokalypse produzieren zwar nichts als Rohrkrepierer, verwandeln unterdessen aber die Welt in eine Art „Fake-Hölle“ voller zwielichtiger Gestalten mit schlechten Absichten. In dieser verkehrten Welt verbreitet schon das bloße Vorhandensein bestimmter, unverschämt großer Länder Furcht und Schrecken. Doch statt ausgelacht zu werden, strahlt der mediale Schweif dieser Freunde der Endzeit desto heller, je dreister sie in Schwarz malen.

Mit nicht weniger Recht könnte man sich auf die Zeichen der Hoffnung stürzen, in deren Licht das Nachrichtengeschehen zumindest weniger auf den Magen schlägt. Und solche Zeichen gibt es durchaus.

Der Mord am russischen Botschafter in Ankara etwa war gewiss eine ernste Angelegenheit, nicht zuletzt, weil sich beide Länder über weite Teile des Jahres beinahe in einem Kriegszustand befanden, nachdem die Türken an ihrer Grenze zu Syrien ein russisches Jagdflugzeug abschossen. Natürlich beflügelte das die professionellen Schwarzmaler zu düsteren Prognosen: Würde wieder ein Attentat einen großen Krieg auslösen, wie vor 102 Jahren in Sarajewo? Doch es kam anders: Moskau und Ankara nutzten das Verbrechen zu einem engeren Schulterschluss gegen einen gemeinsamen Feind, „den Terrorismus“.

Noch glücklicher darf man über die politische Sensation des Jahres sein: Bis zu Donald Trumps Sieg bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen mehrten sich nämlich die Stimmen, die einen Krieg zwischen den beiden nuklearen Supermächten USA und Russland für unausweichlich hielten. Vor diesem Hintergrund sollte es bei allem Weh und Ach doch erlaubt sein, erst einmal tief durchzuatmen – statt über einen „Russlandversteher“ im Weißen Haus zu klagen.

Mit weniger Aufmerksamkeit wurde von der westlichen Öffentlichkeit die Annäherung von Russland und Japan bedacht, die sich zuletzt andeutete. Zwei der großen Nationen dieser Erde haben auch über 70 Jahre nach Kriegsende noch keinen Frieden miteinander zustande gebracht – eigentlich ein Skandal. Jetzt wurde erstmals über gemeinsame Projekte auf den umstrittenen Kurilen gesprochen, dem größten Hindernis auf dem Weg zu einem richtigen Frieden.

Und auch im Nahen gibt es immer wieder Silberstreifen am Horizont zu entdecken. Vor zwei Jahren stand zum Beispiel der Begriff „Swift“ für eine mögliche totale Eskalation des westlichen Sanktionsregimes gegen Russland: Ein Ausschluss des Landes aus dem gleichnamigen internationalen Zahlungssystem stand als „Ultima Ratio“ im Raum. Eiligst entwickelten die Russen ein eigenes System, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein. Kurz vor Weihnachten sorgt „Swift“ nun für gute Nachrichten: Seit Dezember verkehrt ein neuer Schnellzug der russischen Bahn zwischen Moskau und Berlin. Auf Russisch lautet sein Name „Strisch“, doch international wird die neue Verbindung zwischen Ost und West, die weiterhin durch Weißrussland und Polen verläuft, unter dem Namen „Swift“ firmieren.

Die meisten guten Nachrichten, die bei etwas gutem Willen für 2017 vorhergesagt werden können, müssen nicht erst aufwendig gesucht werden, so offensichtlich sind sie dank der Freak-Show in Zeiten der allseitigen medialen Verlotterung: Jeder Tag, an dem die Russen das Baltikum verschonen oder Europa nicht in Schutt und Asche liegt,  an dem die „russische Aggression“ weiter auf sich warten lässt und die amerikanische Welteroberung immer noch ausbleibt, ist dann ein guter Tag. Und davon wird es im nächsten Jahr ganze 365 geben.

Von Bojan Krstulovic

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