Dmitrij Rogosin: Weltallchef mit loser Zunge

Dmitrij Rogosin ist bekannt für seine eigentümlichen Ideen. Erfolge kann der Chef der russischen Raumfahrtagentur hingegen kaum vorweisen. Dafür bleibt er im Gespräch.

Dmitrij Rogosin (Mitte) sieht sich gern als Macher, ist aber auch ein ganz schöner Schnacker. (Foto: Roskosmos)

„Sie fliegt, verdammt nochmal!“ Die Freude, die Dmitrij Rogosin am 14. Dezember in die Welt twitterte, war ausgelassen. Schließlich erhob sich an diesem Tag mit der Angara-A5 der Hoffnungsträger der russischen Raumfahrt vom arktischen Plessezk aus in den Himmel. Es war erst der zweite Start nach 2014 für die erste in Russland entwickelte Trägerrakete, die den aus den 1960er Jahre stammenden Vorgänger Proton ablösen soll. Dass zwischen den beiden Flügen sechs Jahre lagen, ist geradezu symbolisch für die Raumfahrt in Russland, die nach hohen Zielen strebt, aber mit vielen Problemen kämpft. Im Mittelpunkt dieser Entwicklung steht mit Roskosmos-Chef Dmitrij Rogosin ein Mann, der zwar viele Ideen hat, aber kaum etwas umsetzt.

Von der Politik in die Raumfahrt

Der 1964 in Moskau geborene Rogosin ist eine dieser „schillernden“ Persönlichkeiten, die es immer wieder in den russischen Regierungsapparat schaffen. Seine ersten Sporen verdiente er sich in der Kommunalpolitik, wo er unter anderem mit einem rassistischen Wahlwerbespot auffiel. Nach Station als Vertreter Russlands bei der NATO war Rogosin als Vizepremierminister über viele Jahre auch für den Bau des Weltraumbahnhofs Wostok im Fernen Osten zuständig.

Das Prestigeobjekt machte immer wieder mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Fristverlängerungen beim Bau, Korruptionsverfahren, steigende Kosten – der Ersatz für das kasachische Baikonur ließ fast nichts aus. Auch mehrere Raketenabstürze konnten Rogosin nichts anhaben. 2018 ernannte ihn Präsident Wladimir Putin schließlich zum Chef von Roskosmos. Er werde das Staatsunternehmen von Nichtsnutzen, Intriganten und Korruption befreien, versprach Rogosin zum Amtsantritt. Und führte zehn Gebote zur Qualitätskontrolle, Kaderpolitik und Organisationsfragen ein.

Vorschläge zum Kopfschütteln

Doch statt die Probleme bei Roskosmos anzugehen, scheint sich Rogosin lieber an den USA und deren Raumfahrt abzuarbeiten. Bereits nach der Einführung von Sanktionen 2014 polterte er in Richtung Washington, die USA sollten ihre Astronauten zukünftig per Trampolin ins All bringen. Als oberster Raumfahrer Russlands legt sich Rogosin zudem gerne mit Elon Musk an. Und dass, obwohl dieser ein Freund der russischen Raumfahrt ist. Musks Raumschiff Crew Dragon sei überhaupt kein Fortschritt, ätzte Rogosin in einem Interview im Oktober, sondern „einfach ein schönes Raumschiff, weiß angemalt“, dessen Zuverlässigkeit zudem fragwürdig sei. Die veraltete russische Sojus-Kapsel lobte er hingegen als richtiges Arbeitstier.

Immer wieder sorgen Rogosins Vorschläge für Aufsehen und manchmal auch für Kopfschütteln. Mal versucht er, eine Buran-Raumfähre zu kaufen, dann verspricht er, ein bemanntes Raumschiff in Rekordzeit zur internationalen Raumstation ISS zu schicken. Auch eine Mond- und später eine Marsmission gehören zu den Vorhaben. Umgesetzt wurde davon bisher nichts. Vor zwei Jahren platzte dem damaligen Premierminister Dmitrij Medwedew schließlich der Kragen. Die Führung von Roskosmos solle weniger labern und darüber sinnieren, wo man 2030 hinfliegen möchte. Stattdessen solle man mehr arbeiten, kritisierte Medwedew auf einer Sitzung.

Autor von Liedern und Büchern

Bis aber mit dem Start der Angara-A5 wirklich ein Erfolg vorzuweisen war, konnte man den Eindruck gewinnen, Roskosmos würde sich in ein Medienhaus verwandeln. Im September verkündete die Raumfahrtagentur den Start eines eigenen Fernsehsenders, der hauptsächlich über das Unternehmen selbst berichten soll. Aufsehen (und auch viele Lacher) erregte vor allem die Ende 2020 auf der Homepage veröffentlichte Liste mit Weltraum-Liedern. Auch, weil drei der Songs aus der Feder Rogosins stammen, wie etwa „Wir reißen den Himmel in Stücke“. Auf Facebook erklärte er, dass die Lieder von Herzen kommen und „vom Krieg, von meinem Land, von den Menschen, mit denen ich die Ehre habe zusammenzuarbeiten“, handeln. Und kündigte an, auch weiterhin zu schreiben.

Überhaupt schreibt Rogosin gerne. Gut ein Dutzend Bücher hat er während seiner Zeit als Politiker veröffentlicht, darunter Titel wie „Die NATO und Russland. Unsere Antwort auf die Drohungen des Westens“ oder „Der Volksfeind“. Nicht so gerne sieht es Rogosin hingegen, wenn andere über ihn schreiben. Diese Erfahrung mussten vor Kurzem drei Medien teuer bezahlen, die der Roskosmos-Chef wegen übler Nachrede verklagte und 70 000 Rubel (780 Euro) Schadensersatz zugesprochen bekam.

Es verwundert kaum, dass Rogosin bei den Russen kein sehr hohes Ansehen genießt. Mit seinen Sprüchen und Vorschlägen bleibt er aber immerhin im Gespräch. Laut „Auffälligkeits-Rating“ der Nachrichtenagentur Interfax schaffte es kein anderer Geschäftsmann in den vergangenen zwei Jahren in die Medien wie der Roskosmos-Chef.

Daniel Säwert

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