Die Blaupause aus Kasachstan

Es war ein Paukenschlag: Nach 30 Jahren an der Regierung ist der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew freiwillig zurückgetreten. Könnte der Schritt auch für andere postsow­jetische Langzeitherrscher ein Vorbild sein? Ein Überblick.

 

Alexander Lukaschenko, Wladimir Putin und Emomali Rachmon regieren ihre Länder seit vielen Jahren. /Foto: MDZ-Montage

Belarus: Alexander Lukaschenko

Der belarussische Präsident regiert sein Land seit 1994 mit harter Hand und nahezu uneingeschränkter Machtfülle. Geschickt laviert er zwischen EU, Russland und NATO und hält die Opposition an der kurzen Leine. Doch nach einem Vierteljahrhundert an der Macht denkt Lukaschenko nun über seinen Rückzug nach. „Ich verspreche, dass ich meine Reise ins Jenseits nicht vom Sessel des Präsidenten aus antreten werde“, erklärte der 64-Jährige im März auf einer Pressekonferenz. „Ich habe die Präsidentschaft langsam satt.“ Viele Belarussen rätseln nun darüber, wie Lukaschenko seine Nachfolge regeln will. Eine Reihe von Beobachtern hält eine Machtübergabe an einen der drei Söhne des Präsidenten – Viktor, Dmitrij und Nikolaj – für wahrscheinlich.

Für mehrere Experten kommt ein solches Familienszenario allerdings nur als Übergangsvariante in Frage. Ihnen zufolge sucht der Präsident bereits längst außerhalb seiner Familie nach einem Nachfolger. Allerdings sei die Suche bisher erfolglos, schreibt das Nachrichtenportal eadaily.com. Durch seinen harten Regierungsstil habe Lukaschenko das Heranwachsen eigenständiger Führungspersönlichkeiten verhindert. Allerdings hat der belarussische Präsident bereits erste Schritte für die Zeit nach seinem Abgang angekündigt. So soll eine Verfassungsreform Parlament und Regierung stärken, das Präsidentenamt aber schwächen. Mit einem ähnlichen Schritt hatte sich Nursultan Nasarbajew vor einem Jahr Immunität und Schutz für die Zeit nach dem Rücktritt gesichert und die Operation Rücktritt eingeleitet.

Tadschikistan: Emomali Rachmon

Im zentralasiatischen Tadschikistan regiert Präsident Emomali Rachmon seit 1992 unangefochten. Mehrmals ließ der Herrscher mit den buschigen Augenbrauen bereits die Verfassung ändern, um an der Macht zu bleiben. Für die 2020 anstehenden Präsidentschaftswahlen hat der 66-Jährige, der offiziell den Titel „Anführer der Nation“ trägt, seine Teilnahme angekündigt. Die meisten Experten halten es daher für ausgeschlossen, dass Rachmon jemals freiwillig abtritt. „Wahrscheinlich wird die Machtübergabe in seinem Testament geregelt“, vermutet Wladimir Scharichin, Vize-Direktor des Instituts für GUS-Forschungen, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Sputnik. „In Tadschikistan ist eine monarchische Form der Macht­übergabe möglich, also entweder vom Vater an den Sohn – oder an nahe Verwandte.“

Tatsächlich hält die Mehrzahl der Beobachter eine Übergabe der Amtsgeschäfte an eins der neun Kinder Rachmons am wahrscheinlichsten. Als aussichtsreichster Kandidat gilt Rustam Emomali, der älteste Sohn des Regenten. Der erst 31-jährige Ökonom und Rechtswissenschaftler wird derzeit gezielt als Politiker aufgebaut. 2017 wurde er Bürgermeister der Hauptstadt Duschanbe. Ein Jahr zuvor wurde das Alter für die Übernahme der Präsidentschaft per Referendum auf 30 Jahre abgesenkt. Auch im Falle eines Rückzugs behielte Emomali Rachmon aber weitreichende Kompetenzen. Als Vater der Nation könnte er künftig bei wichtigen staatlichen Entscheidungen sein Veto einlegen.

Russland: Wladimir Putin

Der russische Präsident regiert seit 2000 mittlerweile in der vierten Amtsperiode. Gemäß Verfassung müsste er sein Büro zur Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 räumen. Ob Putin aber wirklich abtritt, ist umstritten. Viele Experten und Journalisten mutmaßen, dass der derzeit 66-Jährige auch nach dem Ende seiner aktuellen Amtszeit weitermachen will. Eine mögliche Verfassungsänderung steht im Raum.

Doch nicht alle Beobachter sehen den russischen Präsidenten an seinem Sessel kleben. Einigen Experten zufolge könnte das kasachische Szenario für Putin ein Modell für seinen Rückzug aus der Politik sein. Denn der kasachische Präsident behält auch weiterhin die wichtigsten Trümpfe in der Hand. So bleibt Nasarbajew bis zu seinem Lebensende Vorsitzender des Sicherheitsrates und Chef der Regierungspartei „Nur Otan“. „Und das bedeutet, dass alle strategischen Entscheidungen weiter von ihm getroffen werden“, heißt es in einem Beitrag der Webseite Russkij Monitor. Putin beobachte daher sehr genau, wie sich die Lage in Kasachstan entwickle. „Und wenn das Modell mit dem Sicherheitsrat sich als lebensfähig erweist, ist es sehr gut möglich, dass es auch in Russland im Jahr 2024 ausprobiert wird.“

Birger Schütz

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