
Bis vor Kurzem kannten nur wenige Menschen Kirill Dmitrijew. Zumindest in dem Moment, als er begann, die russische Sichtweise auf den Waffenstillstand in der Ukraine zu vertreten und den Verlauf der Verhandlungen zu kommentieren, fragten sich viele Russen: Wer ist das eigentlich? Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten: Mit ein paar Klicks kann man sich über den Werdegang von Kirill Dmitrijew informieren. Um zu verstehen, warum der russische Staatschef Wladimir Putin ihn zu den sehr wichtigen Verhandlungen geschickt hat, braucht man etwas mehr Zeit.
Bewährte Kader
Wenn es um die Ernennung von Verhandlungsführern geht, gibt es andere Kandidaten, die weniger Fragen aufwerfen. So hat die Wahl von Grigori Karassin, Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten des Föderationsrates, und Sergej Besseda, Berater des FSB-Direktors, die Russland am 24. März in Riad vertraten, keine Überraschung ausgelöst. So etwas war zu erwarten. Ersterer ist ein erfahrener Mann in internationalen Angelegenheiten. Der Zweite war von 2009 bis 2024 Leiter der fünften Abteilung des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes, der für operative Informationen und internationale Beziehungen zuständig ist. Es handelt sich also um zwei Experten, die mit der ukrainischen Problematik bestens vertraut sind.
Das Gleiche gilt für die Teilnehmer an den Verhandlungen in Istanbul am 10. April. Um sich mit den US-Amerikanern zu treffen, flogen Mitarbeiter des russischen Außenministeriums in die Türkei. Also Karrierediplomaten.
Chef in Sachen Investitionen
Kirill Dmitrijew hat nie als Diplomat gearbeitet. Allerdings ist er mit dem Thema Ukraine verbunden: Kirill Dmitrijew wurde am 12. April 1975 in Kiew geboren. In den 1990er Jahren ging er jedoch zum Studium in die USA. Er erwarb zunächst einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Stanford University und schloss dann einen Master-Studiengang in Betriebswirtschaftslehre in Harvard mit Auszeichnung ab. Während seiner Zeit in den USA arbeitete er bei der renomierten Investmentbank Goldman Sachs und bei McKinsey & Company.
Von 2007 bis 2011 ist er in die Ukraine zurückgezogen und leitete dort die Beratungsfirma Icon Private Equity, die Viktor Pintschuk gehörte, dem Schwiegersohn des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma.
Von 2005 bis 2006 war Dmitrijew Vorsitzender der Russischen Vereinigung für Direkt- und Risikoinvestitionen, und seit April 2011, als der Russian Direct Investment Fund (RDIF) gegründet wurde, ist Dmitrijew der Leiter des russischen Staatsfonds.
Brückenbauer
Es sei darauf hingewiesen, dass Dmitrijew nicht nur einen ziemlich hohen Posten innehat. Es gibt viele Beamte dieses Ranges in der russischen Machtelite, aber nur wenige können sich solcher Verdienste rühmen wie Kirill Dmitrijew. Im Jahr 2011 wurde er als einziger Russe in die von der Zeitschrift Private Equity International erstellte Rangliste der „100 einflussreichsten Fachleute im Bereich der Direktinvestitionen im letzten Jahrzehnt“ aufgenommen. Im Jahr 2013, als Russland den G20-Vorsitz einnahm, leitete Kirill Dmitrijew die Gruppe „Investitionen und Infrastruktur“. Schließlich bekam Dmitrijew vom russischen Staatschef den Auftrag, Russland im BRICS Business Council zu vertreten. Er wurde eines der fünf Mitglieder dieses Gremiums. Mit anderen Worten: Dmitrijews Erfahrung mit internationalen Strukturen ist nicht auf amerikanische Investmentbanken beschränkt.
Direkte Kommunikation
Der entscheidende Vorteil von Kirill Dmitrijew als Russlands Verhandlungsführer ist jedoch ein anderer. Er ist eine Person, der die Hauptakteure zu vertrauen scheinen, also diejenigen, die Entscheidungen treffen.
Dmitrijew ist mit Natalia Popowa verheiratet, einer Freundin von Katerina Tichonowa. Die beiden Frauen haben im Jahr 2021 einen Venture-Capital-Fonds gegründet. Diese Tatsache würde Dmitrijew keine zusätzlichen Punkte einbringen, wäre da nicht ein wichtiger Aspekt. Die Medien halten Tichonowa für die Tochter von Wladimir Putin.
Offenbar ist Wladimir Putin nicht der einzige Präsident, dem Kirill Dmitrijew relativ nahesteht. Bereits in Trumps erster Amtszeit knüpfte Dmitrijew Kontakte zu seinem inneren Kreis, und zwar zu Trumps engem Freund, dem Investmentbanker Rick Gerson, dem Präsidentenberater Stephen Bannon und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Vertrauen scheint also zu Dmitrijews wichtigsten Aktiva zu gehören.
Goscha Haimow