Der Meister und die Ballerina

Sie lernten sich bei einer skandalösen Ballett-Aufführung kennen und blieben auch nach ihrer Trennung verheiratet: Pablo Picasso und die russische Ballerina Olga Chochlowa führten eine turbulente Beziehung mit großen Höhen und Tiefen. Eine Ausstellung geht nun dem künstlicherischen Einfluss von Picassos erster großer Liebe nach.

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Pablo Picasso mit seiner ersten Ehefrau Olga Chochlowa. /Foto: styleinsider.com.ua

Eine Ausländerin? Und dazu noch aus Russland? Die Mutter des nicht mehr ganz so jungen Pablo Picasso war ziemlich empört. Auf keinen Fall sollte ihr bekannter Sohn diese dahergelaufene Ballett-Tänzerin aus dem wilden Osten heiraten. Ihren Segen würde sie sicher nicht geben. Doch der schwer verliebte 37-Jährige gab nicht nach, setzte sich an die Staffelei und malte mit schneller Hand ein Porträt seiner Angebeteten in einer weißen Mantilla, dem traditionellen Schleiertuch, mit dem spanische Frauen seit dem Mittelalter Kopf, Hals und Schultern bedeckten. Das Kunstwerk schenkte der Künstler seiner misstrauischen Mutter – und brach damit sofort jeglichen Widerstand. Im Sommer 1918 heiratete Picasso in Paris seine erste Frau – die russische Ballerina Olga Chochlowa.

Die russische Spur in Picassos Biografie

Der Liebe des weltberühmten Malers zu der Tänzerin ist nun die Ausstellung „Picasso & Chochlowa“ gewidmet, die derzeit im Moskauer Puschkin-Museum zu sehen ist. „Wir zeigen unsere Version ihres gemeinsamen Lebens und erzählen von der russischen Spur in der Biografie des Meisters“, beschreibt Marina Loschak, die Direktorin des Museums, das Ziel der Schau. „Die Besucher können dabei die verschiedenen Etappen dieser außerordentlich interessanten und dramatischen Geschichte durchschreiten, welche den Künstler nicht nur im Inneren verändert hat, sondern auch einen riesigen Einfluss auf seine Kunst hatte.“

Kennengelernt hatte sich das Paar im Frühjahr 1917 in Paris. Chochlowa gastierte damals als Mitglied des legendären Ensembles „Ballets Russes“ von Sergej Djagilew in der französischen Hauptstadt. Picasso hatte sich während der Proben zum ersten Mal als Szenograf und Kostümbildner ausprobiert. Dabei hatte der experimentierfreudige Künstler die Tänzer unter anderem in kubistisch-eckige Kostüme aus Pappe gesteckt, was bei vielen Parisern für einen Sturm der Empörung sorgte. „Geometrischer Anstreicher“, war noch eine der harmloseren Bezeichnungen, die sich Picasso nach dem Skandal-Stück gefallen lassen musste.

Familienleben statt wilder Bohème

Nach der Heirat mit Chochlowa gab Picasso sein ungezwungenes Bohèmeleben auf und ließ sich in Paris im eigenen zweistöckigen Haus mit Chauffeur und Diener nieder. 1921 wird Sohn Paul geboren. Auch künstlerisch ging es bei Picasso nun ruhiger zu. Die Zeit der Experimente war vorbei, Picasso entfernte sich immer stärker vom Kubismus. Dies lag nicht zuletzt am Einfluss von Olga Chochlowa, welcher die experimentellen Arbeiten ihres Mannes nicht gefielen. Picasso malte seine Muse in dieser Phase ausschließlich im klassischen Stil, der einzigen von Chochlowa abgesegneten Richtung. Epische und monumentale Formen dominierten.

Doch ab Mitte der 20er Jahre kühlt die Beziehung zwischen den Eheleuten ab. Picasso beginnt eine Affäre mit einer damals noch minderjährigen Französin und stellt sich in einem seiner Bilder aus dieser Zeit als kraftstrotzenden Stier dar. Ab 1935 leben Picasso und Chochlowa getrennt. Allerdings bleiben sie bis zum Tod von Chochlowa im Jahr 1955 offiziell verheiratet. Grund ist der Ehevertrag, welcher im Fall der Scheidung die Hälfte von Picassos Besitz seiner Frau zusprach.

Leihgaben vom Picasso-Enkel

Die Ausstellung ist in elf einzelne Abschnitte gegliedert, mehr als 200 Exponate können unter die Lupe genommen werden. Zu sehen sind unter anderem Fotografien, Möbel, Briefe und private Gegenstände aus dem Archiv der Familie – und natürlich großformatige Bilder Picassos. Bei dem überwiegenden Anteil der Werke handelt es sich um Leihgaben aus dem Picasso-Museum in Paris. Andere Arbeiten stammen aus der Faba-Stiftung von Picassos Enkelsohn Bernard-Ruiz, welcher den Nachlass des berühmten Großvaters verwaltet. Manche der Werke sind zum ersten Mal in Russland zu sehen. Die Ausstellung ist noch bis zum 3. Februar 2019 eröffnet.

Birger Schütz

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